Wie lange ist man krank bei Burnout?

16. Juli 2019 - Gesundheit

Burnout ist laut „Internationaler statistischer Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme“ (ICD­10) ein arbeitspsychologisches Stresskonstrukt, ein Zustand physischer und psychischer Erschöpfung, aber keine medizinische Diagnose.

skulptur-erschoepfung-burnout

Seit 1992 steht Burnout unter der Diagnosegruppe Z73 „Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung“ und kann von Ärzten lediglich als Zusatzinformation, nicht als eigenständige Arbeitsunfähigkeit auslösende psychische Erkrankung kodiert werden.

Im neuen ICD-11-Katalog, der 2022 in Kraft treten soll, wird Burnout als eigenständige Diagnose definiert, als „chronischer Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich verarbeitet wird." Diese Definition greift nach meinen Erfahrungen zu kurz, da es wohl kaum eine Krankheit gibt, die ausschließlich im beruflichen Zusammenhang auftritt. Die Leistungsfähigkeit ist eben nicht nur beruflich eingeschränkt, sondern betrifft alle Lebensbereiche. Weiter hat Burnout nicht nur schwerwiegende Auswirkungen auf die betroffene Person selbst, sondern auch auf das Umfeld, wie Berufskollegen, Partner, Kinder, Eltern und Freunde.

Wie äußert sich Burnout?

Die Symptomatik ist individuell variabel, lässt sich aber in vier Dimensionen einteilen:

Körperliche Symptome

Kognitive Symptome

Psychische Symptome

Verhaltensänderungen

Wie lange ist man bei Burnout krankgeschrieben?

Laut „Fehlzeiten-Report 2018“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, hat sich die Diagnosehäufigkeit im letzten Jahrzehnt beinahe verdreifacht und das Krankheitsvolumen rapide erhöht: 2005 registrierte die AOK 13,9 Krankheitstage, 2017 waren es bereits 116,7 AU-Tage je 1.000 Mitglieder. Hochgerechnet auf alle gesetzlich krankenversicherten Beschäftigten ergeben sich daraus für 2017 rund 166.000 Burnout-Betroffene mit kulminierten 3,7 Millionen Krankheitstagen. Zwischen den Geschlechtern zeigen sich deutliche Unterschiede: Auf Frauen entfielen 2017 insgesamt 152 Ausfalltage je 1.000 AOK­Mitglieder, auf Männer hingegen nur 88,6 Tage. Von einem Burnout Betroffene arbeiten in erster Linie in kundenorientierten und erzieherischen Berufen, bei denen ständig eine helfende oder beratende Haltung gegenüber anderen Menschen gefordert ist.

Die Zahlen sind erschreckend, spiegeln jedoch nicht das wahre Ausmaß der Erkrankung wider. Denn im Gegensatz zu einem Beinbruch, bei dem man nach einem konkreten Ereignis - von heute auf morgen - krankgeschrieben ist, entwickelt sich Burnout schleichend. Die Arbeitsunfähigkeit ist dabei nur der „Gipfel des Eisbergs“. Bis der persönliche Leidensdruck groß genug ist, damit jemand zum Arzt geht und sich krankschreiben lässt, vergehen in der Regel viele Monate. Der Psychoanalytiker Freudenberger (1927–1999) wird im Allgemeinen als Begründer des Begriffs „Burnout“ genannt. Er identifiziere zwölf Phasen im Verlauf eines Burnout-Syndroms:

Welche Phasen gibt es beim Burnout?

1. Drang, sich selbst und anderen Personen etwas beweisen zu wollen. Mit übersteigerten Ehrgeiz und krankhaftem Perfektionismus will der Betroffene berufliche Aufgaben besonders gut meistern.

2. Verstärkter Einsatz, um besonders hohe Erwartungen erfüllen zu können. Die erste Phase verstärkt sich, verknüpft mit dem Gefühl, alles selbst und insbesondere dringlich machen zu müssen. Aufgaben werden besonders rasch erledigt und delegieren fällt schwer.

3. Überarbeitung mit Vernachlässigung persönlicher Bedürfnisse und sozialer Kontakte. Die eigene Arbeitsleistung wird als normal empfunden und andere, die weniger Leisten, werden abgewertet.

4. Überspielen oder Übergehen innerer Konflikte und Bedürfnisse, wie Schlafmangel und erste körperliche Symptome. Außerdem mehren sich Fehlleistungen, wie vergessene Termine, Unpünktlichkeit, sonstige Fehler etc.

5. Zweifel am eigenen Wertesystem sowie an ehemals wichtigen Dingen, wie Hobbys und Freunden. Die Wahrnehmung verändert sich, die Betroffenen stumpfen ab, werden oft hart und berechnend.

6. Verleugnung entstehender Probleme, Absinken der Toleranz und Geringschätzung anderer Personen. Betroffene begegnen ihrer Umwelt zunehmend verbittert, zynisch und mit Härte. Der Umgangston ist geprägt von Ungeduld, Intoleranz und Aggressivität. Leistungseinbußen sind deutlich merkbar, ebenso körperliche Beschwerden.

7. Rückzug und dabei Meidung sozialer Kontakte bis auf ein Minimum. Partner, Familie und Freunde werden jetzt als Belastung, oft sogar als feindlich erlebt. Beruflich leisten Betroffene oft nur noch „Dienst nach Vorschrift“. Kritik wird nicht mehr ertragen; sie sind orientierungslos und beschreiben ihren Zustand als hoffnungslos.

8. offensichtliche Verhaltensänderungen, fortschreitendes Gefühl der Wertlosigkeit, zunehmende Ängstlichkeit. Die Betroffenen sind apathisch und häufig zeigen sich paranoide Tendenzen; alles wird als Angriff erlebt.

9. Depersonalisierung durch Kontaktverlust zu sich selbst und zu anderen; Menschen in dieser Phase haben das Gefühl, nicht mehr sie selbst zu sein; sie beschreiben sich als „Maschinen die funktionieren müssen” und sehen ihr Leben als sinnlos und unentrinnbar.

10. innere Leere, völlige Mutlosigkeit, Nutzlosigkeit, Ausgezehrtheit. Verzweifelte Versuche, diese Gefühle zu überspielen (z.B. durch Sexualität, Essen, Alkohol, Drogen); Phobien und Panikattacken sind möglich.

11. Depression mit Symptomen wie Gleichgültigkeit, Hoffnungslosigkeit, Selbsthass, Erschöpfung und Perspektivlosigkeit, geprägt vom Wunsch nicht mehr aufwachen zu müssen (Suizidgedanken).

12. Völlige Erschöpfung mit psychischen und emotionalen Zusammenbruch; es handelt sich nun um einen Notfall.

Wie kann man Burnout behandeln?

An erster Stelle steht eine sorgfältige internistische, psychiatrische und gegebenenfalls schlafmedizinische Abklärung und Differentialdiagnostik, da die vielfältigen Symptome auch anderen Krankheiten zugeordnet werden können. Wenn dies abgeklärt ist, sollte eine Behandlung auf arbeitsorganisatorischer und individueller Ebene erfolgen. Dabei kann Burnout als Lebensaufgabe, als Chance gesehen werden, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Es gibt die Gelegenheit, das eigene Leben zu hinterfragen, einen liebevollen, positiven Umgang mit sich selbst zu finden und alles gehen zu lassen, was blockiert und nicht mehr stimmt. Burnout bietet die Chance, sich positiv zu entwickeln. Meine langjährigen therapeutischen Erfahrungen zeigen, dass Patienten mit Burnout ca. ein halbes Jahr bei mir in Behandlung sind. Dabei geht es insbesondere um das Erkennen und Verändern von Denk- und Verhaltensmustern, die tief verwurzelt, zum Teil bis in die Kindheit reichen. Entspannungsverfahren zu erlernen und zu praktizieren sind zwar sinnvoll, entscheidend ist jedoch der tägliche, liebevolle, achtsame Umgang mit sich selbst, mit den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen. Dies zu üben und sein Leben langfristig positiv auszurichten ist der richtige Weg, um zufrieden, im Gleichgewicht leben zu können.

Die wichtigsten Faktoren auf Seiten des Arbeitsumfeldes (mit Chef, Kollegen, Betriebsrat zu klären) sind:

Die wichtigsten Faktoren auf individueller Seite (mit Psychotherapie erreichbar) sind:

Autor: Diplom-Psychologe - Ralf Gast
Thema: Wie lange ist man krank bei Burnout
Webseite: http://www.seelischebalance.de

#Krisen, #Burnout, #Probleme

Beiträge Gesundheit

Themenübersicht

essen-buffet

Histamin – Segen und Fluch zugleich!

Wenn Essen krank macht ! In meiner Praxis kommen immer häufiger Patienten, die unter Hautproblemen, allergischen Problemen oder Unverträglichkeiten  leiden. Oft wird mir mitgeteilt, dass Lebensmittel oder Medikamente diese Beschwerden auslösen. Eine große mehr...


entspannen-yoga

Selbstheilungskraft | Unser innerer Arzt

Unser Körper ist in der Lage, Verletzungen und Krankheiten zu heilen. Doch wie macht er das? Mit der so genannten Selbstheilungskraft. Es ist ziemlich imposant, zu was wir da selbst in der Lage mehr...


stoffwechsel

Was versteht man unter Stoffwechsel?

Als Stoffwechsel bezeichnet man alle Lebensvorgänge, die in unserem Körper ablaufen. Ohne funktionierenden Stoffwechsel ist kein Leben möglich. Angefangen beim Schlaf-Wachrhythmus, Hunger, Verdauung, Körpertemperatur, das Ausscheiden von schädlichen Stoffen und Abbauprodukten, bis hin mehr...


demenz-vergesen

Wie entsteht Demenz?

Wie entsteht Demenz Ursachen: wissenschaftliche Medizin Demenz ist ein Oberbegriff vieler unterschiedlicher schwerer Gehirnerkrankungen .Wenn von Demenzerkrankungen gesprochen wird ist meist die Alzheimer Demenz gemeint. Diese ist auch tatsächlich die häufigste Form der mehr...


rennen-uhr-stress

Praktische Kinesiologie Übungen zur Stresssenkung im Alltag

Vielleicht kennen Sie an einem hektischen Arbeitstag das Gefühl, dass irgendwann bei Ihnen ‚die Luft raus ist’, Sie sich nicht mehr konzentrieren können oder Ihnen gar schwindlig wird. Wie schön wäre es für mehr...