Eltern werden und Paar bleiben

17. Dezember 2018 - Lifestyle

Wenn wir -manchmal auch recht unerwartet - Eltern werden, stellt uns das schon mal per se vor große Herausforderungen. Ein neues Familienmitglied beansprucht mit Recht viel Raum und Zeit und der Umgang mit dem Nachwuchs will gelernt werden.

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Die Berufs- und  Freizeitgestaltung ändern sich  u.U. dramatisch, Prioritäten werden neu gesetzt - oft unterschiedlich von beiden Partnern. Aufgabenverteilungen zwischen den Partnern müssen neu verhandelt werden und vieles mehr. Da kann das „Paar sein und bleiben (!)“ leicht ins Hintertreffen geraten.

Wie kann man Eltern werden und ein Paar bleiben?

Das Wichtigste zuerst: Downshifting! Die Erwartungen an sich selbst, den Partner, den Zustand der Wohnung etc. bitte herunterfahren. Es muss nicht alles perfekt sein!

Gerade am Anfang nicht. Versuchen Sie sich immer wieder in Gelassenheit zu üben. Würde es Sie bei einer guten Freundin oder einem guten Freund stören, wenn die Wohnung nicht annähernd so aufgeräumt und ordentlich ist wie sonst, nachdem diese gerade ein Baby bekommen haben? Oder hätten Sie großes Verständnis dafür?

Seien Sie zu sich selbst und zu Ihrem Partner / Ihrer Partnerin so wohlwollend, wie Sie es anderen gegenüber sein würden. Dann sind Sie schon ein ganzes Stück weiter. Und vielleicht können Sie auch zumindest ab und zu  zusammen mit Ihrem Partner über das ganze Chaos lachen. Es tut so gut, den Humor nicht zu verlieren. Auch das ist eine Art, sich in Gelassenheit zu übern …

Was könnte noch hilfreich für Sie und Ihren Partner und letztlich auch für Ihre Kinder sein? 

Reden hilft – Bleiben Sie dran!

Es gibt eine ganze Menge Themen, die zwischen den frischgebackenen Eltern geklärt werde sollten. Vielleicht haben Sie dies schon im Vorfeld getan. Umso besser. Aber auch nach der Geburt des Nachwuchses ist es dafür nicht zu spät. Nur wer die Dinge anspricht, darüber mit dem Partner / der Partnerin redet, kann eine Veränderung herbeiführen. Also bleiben Sie dran. Reden hilft! 

Und hier ein paar der Fragestellungen, die vielleicht auch für Sie relevant sind:

Sagen Sie Ihrem Partner / Ihrer Partnerin, was Sie gerade brauchen, was Sie sich wünschen. Viele Paare berichten, dass sie nach der Geburt viel öfter streiten. Meist stehen Sie beide nach der Geburt Ihres Kindes ob der neuen Situation und Aufgaben stark unter Druck. Da ist es hilfreich, eine Kommunikations- und Streitkultur zu pflegen, die nicht neue Probleme schafft, sondern Fragestellungen lösen hilft. 

Und so kann es funktionieren: Hören Sie dem andern zu, lassen Sie ihn oder sie ausreden. Versuchen Sie, sich in den anderen hineinzuversetzen, seine Beweggründe und seine Befindlichkeiten nachzuvollziehen. Schenken Sie Ihrem Partner / Ihrer Partnerin Empathie im Sinne von  „einfühlendem Verstehen“. Manchmal geht es nämlich gar nicht um direkte Lösungen. Manchmal ist es bereits sehr hilfreich den anderen in seinem Bemühen, in seiner Not oder Hilflosigkeit zu sehen und zu verstehen versuchen. Denn kaum etwas ist erst einmal so hilfreich, als wenn wir uns verstanden fühlen.

Anregungen für eine gute Kommunikations- und Streitkultur in Kurzform Hier ein paar Anregungen für ein konstruktives Miteinander im Reden und Streiten –  hier und da ein wenig provokant formuliert:

Diese ausgewählten „Regeln“ sind vielleicht nicht neu für Sie. Sie kennen sie womöglich aus Seminaren zur Mitarbeiterführung oder aus dem einen oder anderen Ratgeber. Diese Anregungen  hören sich vielleicht für Sie geradezu banal an. Und gleichzeitig ist die Umsetzung – insbesondere im persönlichen Bereich –  oft eine Herausforderung. Aber auch hier gilt: Übung macht den Meister. Vereinbaren Sie mit Ihrem Partner / Ihrer Partnerin, auf welche Punkte Sie in der nächsten Woche besonders Acht geben wollen. Und dann Üben! Und Sie werden schon nach kurzer Zeit bemerken: Die Mühe lohnt. Sie tragen Meinungsverschiedenheiten stressfreier aus, entwickeln mehr Verständnis für den anderen und finden dadurch schneller hilfreiche Lösungen – für sich, für Ihre Partnerschaft und für Ihre Kinder.

Grundsätzlich gilt: Geben Sie Ihrem Partner / Ihrer Partnerin, sooft es Ihnen möglich ist, Wertschätzung und Anerkennung für das, was sie oder er für Sie, die Beziehung und Ihre Familie leistet. Das tut jedem gut.

Holen Sie sich auch und gerade als Paar mit Kindern Unterstützung! 

Sie sind beruflich fit im Netzwerken? Sehr gut. Nutzen Sie diese Eigenschaft auch für Ihr Privatleben. Freiräume sind extrem wichtig – für Sie selbst und für Ihre Beziehung. Nur so können Sie Ihre eigenen Akkus und die Ihrer Beziehung wieder aufladen. Kinder brauchen gesunde und glückliche Eltern. So können Sie Ihre Kinder dauerhaft liebevoll und fürsorglich begleiten. 

Ihre Eltern oder Geschwister wohnen in der Nähe und Sie verstehen sich gut mit Ihnen? Prima. Scheuen Sie sich nicht, diese einzuspannen. Ein freier Abend zu zweit, ein freier Vormittag am Wochenende oder einfach ein paar Stunden zwischendurch tun so gut. Wie sieht es mit hilfsbereiten Nachbarn, Mitbewohnern oder dem eigenen Freundeskreis aus? Vielleicht können Sie sich gegenseitig „freie Zeiten“ bescheren, indem Sie gegenseitig auf den Nachwuchs aufpassen, sei es für ein oder zwei Stunden oder mal für einen ganzen Abend. 

Kennen Sie „Leih- Omas oder -Opas“?

oma kinderbetreuung

Ältere Damen (oder manchmal auch Herren), die keine eigenen Enkel haben oder deren Enkel weit entfernt wohnen, bieten oft Ihre Dienste an, um Mütter und Väter zu entlasten. Auch hierzu gibt es Informationen im Internet.   Und auch professionelle Hilfe kann manchmal sehr sinnvoll sein. Wenn Sie an Ihre Grenzen stoßen, nicht mehr weiter wissen, Ihnen alles über den Kopf wächst, scheuen Sie sich nicht, Beratungsstellen für Eltern oder Paare aufzusuchen. Hier können Sie sich entlasten, erhalten Hilfestellungen und viele Tipps, wie Sie zukünftig wieder kompetenter mit Ihren aktuellen Herausforderungen umgehen können. Beispielseise unter www.dajeb.de sind vielfältige Informationen zu Beratungsstellen, abrufbar nach PLZ oder Ort zu finden.

Austausch mit anderen in ähnlichen Lebenssituationen

Mutter-Kind-Gruppen, genau wie Vater-Kind-Gruppen, gibt es heute in vielfältiger Weise. Im Internet finden Sie Angebote in Ihrer Nähe. In Städten ist das Angebot oft reichhaltiger als auf dem Land. Aber vielleicht mögen Sie auch selbst den ersten Schritt tun und eine solche Gruppe ins Leben rufen. Räume z.B.  in Gemeindehäusern werden dafür gern zur Verfügung gestellt. 

Der Austausch mit anderen in ähnlichen Lebenssituationen, zu merken, man sitzt mit vielen anderen im gleichen Boot, stellt schon per se eine Entlastung dar. Sie können von den Erfahrungen anderer profitieren und schließen neue Kontakte, erweitern zusätzlich  Ihr schon oben erwähntes Netzwerk. Das Rad muss nicht ständig neu erfunden werden. Tauschen Sie sich aus. 

Intimität und Sexualität oder die Sache mit dem Sex …

Männer und Frauen haben nach der Geburt Ihres Babys oft sehr unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse bzgl. ihrer gemeinsam gelebten Sexualität. Auch hier gilt: Reden hilft! Und gerade, wenn Sexualität zwischen Mann und Frau vorher vielleicht auch als Kitt gedient hat, ist der Austausch umso wichtiger. Es ist ganz normal, dass der gemeinsame Sex nach der Geburt erst einmal wieder neu, ungewohnt und vielleicht auch mitunter schwierig ist. Die Partnerin und nun auch Mutter Ihres Babys wünscht sich zu Anfang häufig nur zärtlichen Körperkontakt, ohne, dass es zum eigentlichen Geschlechtsakt kommt. Streicheleinheiten, Haut spüren, eine Rückenmassage und vor allem Schmusen stehen meist im Vordergrund.  

Hier ist es sehr hilfreich, wenn „Man(n)“ sich bewusst vorübergehend darauf einlassen kann, auf den eigentlichen Geschlechtsakt zu verzichten und beide ganz bewusst Intimitäten und Zärtlichkeiten in den Vordergrund stellen können. Das schafft Klarheit und Entspannung auf beiden Seiten und das Schmusen kann stressfrei von beiden genossen werden. Auf Gedanken wie: „Wenn ich mich aufs Schmusen einlasse, will er bestimmt mehr“ oder „ Und nach dem Schmusen werde ich wieder bei Wunsch nach mehr abgewiesen …“  kann schon im Vorfeld verzichtet werden. 

In den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt ist die Partnerin in intensiver Symbiose mit dem Baby und es besteht wenig bis kein Bedürfnis nach sexueller Vereinigung. Zudem benötigen die Geburtsverletzungen (wie innere Wunden durch Ablösung der Plazenta oder Dammschnitte) ca. 4-6 Wochen, um zu verheilen. Es herrscht meist ein Gefühlschaos, bedingt durch Schlafmangel, Überanstrengung, 24 Stunden Säuglingspflege, Erinnerung an den Geburtsvorgang u.v.m. Teils existieren nicht gekannte Berührungsängste bei beiden Partnern. Auch die sexuellen Vorlieben können sich nach der Geburt beträchtlich ändern. 

Was im ersten Moment vielleicht verunsichert, birgt auch eine große Chance:  Die erste Vereinigung nach der Geburt ist oft aufregend und spannend wie das erste Mal … und kann ganz wunderbar gelingen  …  oder auch ein Reinfall sein. Eben wie beim ersten Mal. Das Wissen um diesen Umstand, entschärft die Situation oft schon gewaltig. Und es kann etwas sehr Verbindendes haben, sich noch einmal neu und besser kennen zu lernen, den anderen neu zu erforschen und zu erkunden. Sie können vielleicht zuvor nicht dagewesene Nähe und Intimität spüren oder diese intensivieren. 

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Geben Sie sich Zeit, sich neu zu entdecken. Sie sollten auf jeden Fall mit dem Geschlechtsverkehr nach der Geburt solange zu warten, bis beide wirklich wieder bereit dafür sind. Und auch hier gilt:  Reden hilft.

Neuer Raum für Intimität und Vertrauen!

Und zu guter Letzt noch eine kurze, aber intensive Erfahrung für Zwischendurch – für alle, die es ausprobieren möchten – zur Schaffung von viel Raum für Intimität und Vertrauen!

Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit, setzen Sie sich gemütlich zu zweit auf das Sofa. Nun schauen Sie sich gegenseitig für zwei Minuten tief in die Augen. Sprechen Sie dabei nicht. Lassen Sie folgenden Satz in sich aufsteigen, während Sie den anderen intensiv anschauen:  „Ich sehe das Gute in dir … “. 

Schauen Sie, was Ihnen bei diesem Satz in den Sinn kommt. Vielleicht sind es Antworten auf Fragen wie „Was macht ihren Partner so liebenswert, was ist das Gute in Ihr oder Ihm? Was finden Sie am anderen faszinierend, was hat Sie von Anfang an stark angesprochen? Für was sind Sie Ihrer Partnerin / Ihrem Partner besonders dankbar?“  Für all diese Gedanken ist nun die richtige Zeit.  Und sollten sich die „Ja-Aber-Gedanken“ einschleichen, lassen Sie diese ziehen wie Wolken am Himmel und schenken Sie ihnen keine weitere Beachtung. Diese Gedanken sind grad‘ nicht dran.  Wenn Sie möchten, tauschen Sie sich anschließend über Ihre Gedanken aus  - oder auch nicht – ganz wie Sie möchten. Diese kleine „Übung“ kostet Sie nur ein paar Minuten  … und wirkt oft Wunder! 

Womit werden Sie morgen beginnen?

Nun haben Sie den Artikel gelesen und verschiedene Anregungen erhalten oder aufgefrischt. Vielleicht ist das ein oder andere dabei, von dem Sie sich spontan angesprochen fühlen. Womit werden Sie also Morgen beginnen? Vielleicht suchen Sie sich drei Dinge zusammen mit Ihrer Partnerin / Ihrem Partner aus, auf die Sie in der nächsten Woche ganz besonders achtgeben möchten. Für die nächsten Wochen und Monate wünsche ich Ihnen viele gute Erfahrungen und dass Sie hilfreiche Ideen für das Gelingen Ihrer Partnerschaft entwickeln – auch und gerade mit Ihren Kindern!

Autor: Petra Horstmann
Thema: Eltern werden und Paar bleiben
Webseite: https://www.praxis-petra-horstmann.de

Literaturhinweise:

Jellouschek, Hans; Paatherapie – damit die Liebe bleibt
Dicken, Susanne; Liebe, Lust und Achtsamkeit 
Wassilios E. Fthenakis , Bernhard Kalicki , Gabriele Peitz, Paare werden Eltern
Biddulph, Steve; Das Geheimnis glücklicher Kinder.

#Beziehung, #Erziehung, #Familie

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