Eskalationsstufen in Streitgesprächen

21. September 2019 - Lifestyle

Ein Gewitter reinigt die Luft.. Dieses alte Sprichwort teilt mit, dass sich in einem Streit „mal Alles entladen“ kann, das gibt frischen Wind, danach ist wieder alles klar.. Ist dann wieder Alles klar?

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Im „Gewitter“ ist meistens eine Seite die oder der VerliererIn. Eine Person gibt meist nach, denn das wir haben ja auch gelernt: „Der/ die Klügere gibt nach…“ Wenn ich aber nicht die/der Klügere sein will, steige ich in den Gewitter-Wolkenbruch ein und die Situation schaukelt sich hoch. Wenn es schlecht läuft, gibt es keine „reine“ sondern ziemlich „dicke Luft“, bei der eine anschließende Annäherung lange dauern kann. Es passiert, dass langjährige Freunde nach einem Streit getrennte Wege gehen, dass im Betrieb eine Distanz gewahrt bleibt, die sogar im Körper spürbar sein kann. Da stellt sich die Frage: Hat nun eigentlich eine/r der Streitenden gewonnen? Vermutlich nicht… Es ist doch sehr unwahrscheinlich, nach einem Streit die „alte“ Verbindung  zu finden, schwer, sich gut zu fühlen, die Situation in den Griff zu bekommen. Und wenn es im Streit auch noch unsachlich wurde, sind Sie auf viele Themen gekommen, waren verletzend, wurden verletzt und fragen sich, was eigentlich der Auslöser für diesen Konflikt war. Viele Nebenschauplätze tun sich dann plötzlich auf. Wie lange es dauern kann, bis nach „diesem Gewitter“ die „Sonne wieder scheint“ haben Sie vielleicht schon einmal selber erfahren müssen.

Lassen Sie uns einen  Blick auf das Modell des Österreichers Friedrich Glasl werfen. Er stellte 1980 ein Phasenmodellmodell vor, mit dem Konflikte analysiert werden. Anhand dieses Modells und dem Vergleich mit einer Kellertreppe wollen wir uns dem Thema Eskalation im Streit einmal nähern:

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(Die neun Stufen der Konflikteskalation n. Glasl Quelle: Wikipedia)

Sie sehen neun Stufen, die in den „Abgrund“ führen, darunter drei „Treppen-Absatz-Optionen“.

Wie bereits erwähnt, betrachten Sie dieses Stufenmodell bitte wie eine Kellertreppe, die sie vielleicht als Kind gemieden haben, weil es dort unten muffig roch und dunkel war.

Bevor Sie die Kellertreppe im Blick haben, stehen Sie vielleicht noch im Flur. Sie haben mit Ihrem Gegenüber eine Meinungsverschiedenheit, eine Auseinandersetzung. Sie „fetzen“ sich ein wenig, dann gehen Sie Ihres Weges und in der Magengegend grummelt es… Unzufrieden mit der Gesamtsituation treffen Sie am kommenden Tag wieder auf Ihren gestrigen Streitpartner/ Ihre Streitpartnerin. Natürlich haben Sie sich vorbereitet: Sie haben innerlich die Ärmel hochgekrempelt, Argumentationen im Hinterkopf und ein echtes Poker-Face.   

Sie stehen noch im Flur, der Streit hat nun bereits eine schlaflose Nacht bereitet und drei Stück Beruhigungskuchen gekostet…die Meinungen sind aufeinander geprallt – ein Wortmatch – hin und her. Das ist der Beginn eines handfesten Konflikts – und das wird auch so wahrgenommen. Dies bedeutet laut Glasl eine Verhärtung.

Wenn Sie dann in „Debatten“ einsteigen und sich überlegen, wie Sie Ihr Gegenüber überzeugen (vielleicht auch überlisten) können, wenn Sie nach passenden Strategien suchen, dann haben Sie den Flur verlassen und befinden sich auf der zweiten Stufe der Kellertreppe (Eskalationsstufe)….Sie setzen Ihr Gegenüber unter Druck - oder Ihr Gegenüber Sie – Streit ist keine Einbahnstraße... Im Wörterbuch nachgeschlagen, finden Sie die Definition des Wortes Streit: heftiges sich-auseinandersetzen, Zanken [mit einem persönlichen Gegner] in oft erregten Erörterungen, hitzigen Wortwechseln, oft auch in Handgreiflichkeiten                                                                    

Wenn sich in Stufe 3  Taten statt Worte durchsetzen, wird der Druck auf die jeweils andere Person erhöht, Gespräche werden abgebrochen, die verbale Kommunikation leidet massiv, was den Konflikt verschärft.– Der Wunsch, die eigene Position durchzusetzen rückt so sehr in den Vordergrund, dass das Mitgefühl für die andere Person verloren geht. Je nach Hemmschwelle könnten auch leider Handgreiflichkeiten passieren.

Wie Ihnen aufgefallen sein wird, haben wir am Ende dieser Phase nicht mehr in der Möglichkeit, beide als Gewinnende hervorzugehen…wir nähern uns mit großen Schritten der  Win-Loose-Phase (2. Ebene – oder Treppenabsatz)

Da Sie sich im Recht befinden (so glauben SIE) suchen Sie nun Sympathisanten für Ihre Sache, um Ihr Gegenüber zu denunzieren. Es geht Ihnen nicht mehr um die Sache, sondern darum, den Konflikt zu gewinnen. Dumm nur, wenn der Gegner/ die Gegnerin  ähnlich tickt…Durch die Koalitionen verschärft sich der Konflikt und Sie ziehen vielleicht Andere – bis dahin Unbeteiligte - in Ihren „Kampf“ hinein.

Sie geben nicht auf…irgendwie muss der Andere doch klein zu kriegen sein…Und wenn nun die Fakten nicht mehr helfen, dann müssen eben Unterstellungen auf den Tisch.  – So!  Sie wollen Ihr Gegenüber seiner Identität berauben (Stufe 5)  Nun geht das letzte Vertrauen des Gegenübers in die Binsen…Die letzte Hoffnung auf eine Einigung stirbt.

Sie befinden sich immer weiter auf dem Abstieg. Der moderige Geruch des feuchten Kellers dringt langsam in Ihre Nase, denn nun bedrohen Sie sich auch noch gegenseitig. Ein animalisches Machtgehabe –  verbal und möglicher Weise laut. „Wenn dies oder jenes nicht passiert, musst Du damit rechnen, dass ich 1000 Euro von Dir kriege (hat mein Anwalt gesagt…)“ Es geht um die Demonstration von Macht und Kontrolle, die durch die Androhung von Sanktionen verschärft noch bedrohlicher wirken sollen.

Von hier an wird es kalt und dunkel, denn Sie haben Alles verspielt. Sie befinden sich nun auf der Ebene, auf der es nur noch Verlierende geben kann (Loose-Loose)

Sie sind auf der 7 Stufe angelangt. Hier zeigen Sie Ihrem Gegenüber, was noch so in Ihnen schlummert: Mit allen Tricks versuchen Sie Ihrem Streitpartner/ Ihrer Streitpartnerin Schaden zuzufügen – und das kann kreativ werden. Während Außenstehende nur verständnislos mit dem Kopf schütteln können wird der Rivale /die Rivalin nicht mehr als Mensch wahrgenommen. Blinder Aktionismus Ihrerseits kann Sie dazu führen dass Sie sogar eigene Schädigungen in Kauf nehmen, wenn nur der Schaden des/ der KontrahentIn größer ist – das ist IHR Gewinn.

Nun lesen Sie, wie Sie sich vielleicht verhalten – Ihr Gegenüber hält natürlich nicht still und ist, genau wie Sie, auf dieser Stufe gelandet – und Sie gehen nun gemeinsam die letzten Schritte in Richtung  Kellerloch… aber vorher nutzen Sie bedauerlicher Weise die Gelegenheit, die Verbündeten der Gegenseite noch zu vernichten. Das unterstützende System wird kleingeredet, Sie machen sich gerade keine Freunde… – Alles fällt zusammen wie ein Kartenhaus im Gewitterwind…und zersplittert in die Einzelteile…Kaputt!

Auf der letzten Stufe angekommen (Stufe 9) kalkulieren Sie Ihre eigene Vernichtung mit ein. Hauptsache, Sie tragen den Sieg nach Hause - egal wie. Sie und Ihr Gegenüber – und wenn es schlecht läuft auch die Unterstützenden -  sind gemeinsam die letzte Stufe abgestürzt und haben ordentliche Blessuren davon getragen: Es gibt keine Möglichkeit mehr, den Schaden zu beheben. Und nun ist die Ruhe nach diesem Sturm eine sehr unangenehme.

Es liegt eine längere Zeit der Austragung des Konfliktes hinter Ihnen.

Manche Menschen stellen fest, dass solch belastende Situationen körperliche und/oder seelische Schmerzen bereiten. Und auch Zeit heilt nicht alle Wunden.

Deeskalations- und Konfliktlösungsstrategien

Konflikte gehören in den Alltag, lassen sich nicht immer vermeiden. Wie können Sie also in Zukunft mit Spannungen umgehen?

Glasl weist den verschiedenen Eskalationsstufen folgende Strategiemodelle zur Deeskalation zu:

Aus Erfahrung kann ich berichten, dass Sie in der ersten Phase noch gut mit einer außenstehenden, unparteiischen Person zurecht kommen können, wenn Sie Beide es wollen. Die Moderation sollte neutral und wertfrei bleiben. Nur dann gehen Sie beide als Gewinnende (win-win) aus der Situation heraus.

Nun zurück zum Anfang:

Wenn es zu kleinen (auch größeren) Missverständnissen kommt, sprechen Sie es an. Selbst wenn Ihr Gegenüber misslaunig reagiert ist es besser, eine kleine dunkle Wolke zu akzeptieren und ziehen zu lassen, als sich mit ansteigendem Unmut beschäftigen zu müssen. Erarbeiten Sie sich eine Strategie, wie Sie was ansprechen wollen, nehmen Sie sich einen Spickzettel mit. Suchen Sie einen ruhigen Moment, machen einen Termin oder laden auf ein Getränk ein. Benennen Sie Ihr Anliegen, damit die Konfliktpartnerin/ der Konfliktpartner nicht „aus allen Wolken fällt“ – möglicher Weise hat sie oder er gar nicht wahrgenommen, dass „ein Gewitter in der Luft“ liegt. Überlegen Sie sich mögliche Lösungsansätze, die Sie anbieten könnten. Versuchen Sie ein freundliches Gesicht zu haben, wenn Sie eine Situation ansprechen – jeder gelöste Konflikt kann auch die Chance auf eine Veränderung in sich bergen. 

Hier eine mögliche Vorbereitung auf ein Gespräch:

Während Sie sich auf das Gespräch vorbereiten, kann es passieren, dass der erste Groll sich auflöst. Sie versetzen sich evtl. in die Lage des/ der anderen Person. Schauen genauer hin…

Halten Sie sich an die wichtigste Gesprächsregel: Der/ die Andere darf ausreden!!!!

Jeder Streit wird zur emotionalen Belastungsprobe. Wir können das Gefühl dazu leider nicht immer steuern  - machen Sie das Beste daraus…

Autor: Simone Reese
Thema: Eskalationsstufen in Streitgesprächen
Webseite: http://www.seelen-taumel.de

#Aggressionen, #Gewalt, #Konflikte, #Gefühle

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