Nein sagen und Grenzen setzen

16. November 2015 - Lifestyle

Ein souveränes Nein zur Sache und nicht zum Menschen ist der erste Schritt zu mehr Selbstbestimmtheit und Klarheit im Umgang mit sich selbst und anderen. Sei es am Arbeitsplatz, in der Familie oder im Freundeskreis, immer wieder sind wir herausgefordert, gute Beziehungen zu leben und uns dabei nicht selbst aufzugeben.

nein sagen

Mein Leben lang war Selbstbestimmung mein persönliches Thema und damit unweigerlich auch das Thema meiner Klienten. Wie kommt es dazu? Wir umgeben uns ganz automatisch mit Menschen die uns ähneln oder die ein identisches Wertesystem leben. Wir erkennen uns gegenseitig. Nun ist es nur so, dass wir immer genau die Menschen anziehen, die uns persönliche wie auch berufliche Lernfelder schenken. Das klingt vielleicht im ersten Moment etwas ungewöhnlich doch vielleicht kommen Ihnen folgende Aussagen bekannt vor:

• Sie haben fast immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte anderer Menschen, auch wenn sie müde und erschöpft von der Arbeit kommen. Dennoch, sie möchten gebraucht werden und hören dennoch zu, auch wenn sie jetzt persönlich gerne eine Auszeit/Feierabend hätten.

• Sie haben immer wieder das Gefühl, das alles nur an Ihnen hängen bleibt.

• Sie lassen sich von bestimmten Person immer wieder überrumpeln und können sich schlecht wehren.

• Sie haben Angst vor Fehlern, Kritik und Konflikten.

• Sie haben ein schlechtes Gewissen, wenn Sie die Bitte eines anderen abschlagen.

• Sie arbeiten zu viel und haben kaum einen Feierabend.

Wenn das so ist, dann geht es Ihnen ähnlich wie vielen anderen Menschen.

Es gibt eine Vielzahl von Situationen-beruflich wie privat- in denen es uns schwerfallen kann, Nein zu sagen, uns abzugrenzen und uns für unsere ureigenen Belange einzusetzen. Dafür übernehmen wir Aufgaben für andere, lassen uns vieles aufbürden oder wollen alles perfekt erledigen. Wir fühlen uns überwältigt von äußeren Anforderungen und Erwartungen und tanzen kräftezehrend auf verschiedensten Hochzeiten. Wir glauben, immer mehr in immer kürzerer Zeit leisten zu müssen, fühlen uns hektisch getrieben und dauergestresst. Wir kommen, wie der berühmte Hamster im Rad, kaum noch zur ersehnten Ruhe. Wir kommen kaum mehr zu uns selbst. Wer sich aufbürdet, hat schwer zu tragen.

Und möglicherweise kenne Sie auch das: Sie bleiben wieder länger im Büro, wollen nur noch schnell diese eine dringende Aufgabe erledigen, obwohl Sie längst müde sind und sich nicht mehr konzentrieren können. Oder Sie haben sich fest vorgenommen, bei einer bestimmten Person das nächste Mal Nein zu sagen. Aber im entscheidenden Moment sagen Sie doch wieder Ja und ärgern sich über sich selbst nach dem Motto: „ Ich hab es wieder nicht geschafft, Nein zu sagen!“

Damit bleibt alles beim Alten. Und das darf auch durchaus so sein, solange ich nicht bereit bin für die Veränderung, schützt mich mein altes System. Schließlich hat es auch eine positive Absicht, nicht Nein zu sagen. Dennoch, die innere Unzufriedenheit, Frust und Unmut wachsen, und das Selbstwertgefühl geht langsam, aber sicher in den Keller. Es können auch noch Konzentrations- und Schlafstörungen hinzukommen und schließlich ein Burn-out als letzte Reaktion des Körpers endlich einmal persönliche Grenzen zu setzen. Doch das muss alles nicht sein.

Frauen haben oft Schwierigkeiten, sich in Beziehungen abzugrenzen. Warum ist das so? Glaubensätze aus der Kindheit wie: „Sei nicht anstrengend“ oder „Du musst allen gerecht werden“, führen dazu nur beim andere jedoch nicht bei sich selbst zu sein. Männer sind das anders, ihnen fällt es lediglich schwer sich am Arbeitsplatz abzugrenzen. Wer immer wieder die Erfahrung gemacht hat, in bestimmten Situationen Ja zu sagen, obwohl er eigentlich Nein sagen will, hat nicht selten das ungute Gefühl, festzustecken. Doch genau wegen solch unliebsamer Gefühle beginnt ein wichtiger Erkenntnisprozess:

In Ihrem Inneren bahnt sich etwas Neues an, und eine leise, vage Ahnung kann sich urplötzlich in die sichere Gewissheit verwandeln: „So kann es nicht weitergehen!“ „Jetzt reicht es-ich muss etwas ändern!“ Diese Entscheidung ist die wichtigste Voraussetzung für eine Veränderung, denn jetzt wissen und spüren Sie klar und deutlich: Ich muss und will etwas ändern- und zwar jetzt! Allein dieser Entschluss verändert Ihr mentales, emotionales und körperliches System. Von diesem Augenblick an gehen Ihre Gedanken in eine neue Richtung: Sie fragen sich nicht mehr: „Wieso kann ich nicht Nein sagen?“ sondern „Wie komme ich aus der Sackgasse raus?“ „Wie schaffe ich es, mich rechtzeitig abzugrenzen und Nein zu sagen?“ Was ändert sich in meinem Kopf? Ich suche nicht mehr das Problem sondern schaue nach der Lösung. Doch wie genau mache ich das?

Nein-ohne Pardon: Es gibt Situationen, in denen muss man sich einfach abgrenzen, um sich selbst treu zu sein. Wenn es um die eigenen Werte geht, darf man keinen Aufschub riskieren, sondern muss mutig sein-nicht für andere, sondern für sich selbst. Manches Nein ist auch notwendig bei unfairem Verhalten im Team. Sprechen Sie ein solches Nein deutlich aus. Und wenn möglich, holen Sie sich Unterstützung und Zustimmung von anderen.

Kommen Sie sich auf die Schliche

Lehnen Sie ich einen Moment zurück: Identifizieren Sie die Situation, in denen Sie regelmäßig ein Nein versäumen, das angebracht gewesen wäre. Prüfen Sie einmal, ob Sie bereits in folgende Fallen getappt sind:

Selbstbild „umsichtige Führungskraft“

• Harmoniestreben

Perfektionismus

• Rollenkonflikte

• Fehleinschätzung

• Zu viel Anforderungen

Kommt Ihnen etwas bekannt vor? Nehmen Sie etwas Abstand von der Situation und betrachten Sie noch einmal die Situation. Mit einem wachen Blick würden wir leicht erkennen: Manches Nein ist im direkten Sinne „gesund“-es zu versäumen, kann dagegen ein weiterer Schritt in den Burnout sein.

Erste Gegenmaßnahmen

Fordern Sie Zeit: In manchen Situationen ist es angemessener, sich den Raum zu nehmen, um Ja oder Nein zu sagen zu können. Möglicherweise fällt uns eine Aufgabe leichter, wenn wir zuvor sagen: „Ich benötige noch einige Infos“, oder „Tut mir leid, nein, für eine solche Aufgabe fehlt mir die nötige Vorbereitung.“ Menschen, denen ein Nein schwer fällt, treten gelegentlich in eine Falle: Sie sehen den Bedarf des anderen. Und stimmen zu. Nun ist Zustimmung nicht immer verkehrt-wir arbeiten zusammen und sind abhängig davon, dass die Grenzen flexibel gehandhabt werden. Gehören Sie aber zu den sympathischen Zustimmern, dann gewöhnen Sie sich doch Folgendes an: Überlegen Sie vor Ihrem Ja, ob Sie alle Infos haben, um den Job übernehmen zu können. Worum geht es? Schaffen Sie das? Wollen Sie das? Haben Sie etwas davon? Sagen Sie erst dann Ja. Oder Nein.

Konfliktstile erkennen-und nutzen

Es gibt verschiedene Stile, sich bei einem Konflikt zu verhalten – und entsprechend: Nein zu sagen

Ich habe einmal fünf Konflikttypen für Sie identifiziert:

1. Konkurrieren: Hier steht der Gewinn im Vordergrund.

2. Vermeiden: Hier geht es um Konfliktvermeidung.

3. Anpassen: Im Arbeitsleben ist es sinnvoll und notwendig, sich einem übergeordneten Ziel anzupassen. Erfreulich ist es, wenn Sie an diesem übergeordneten Ziel selbst mitgearbeitet haben.

4. Kompromisse finden: Ein Kompromiss kann eine effiziente Lösung sein.

5. Kooperieren: Alle arbeiten gleichberechtigt und mit einem gemeinsamen Ziel zusammen. Dies wird in der VUCA-Welt zunehmend der Fall sein.

Gute Vorbereitung ist notwendig

Mit ihr kommen Sie auf den Punkt: Worauf kommt es Ihnen an? Wichtig ist auch, sich auf mögliche Störungen und Gegenargumente vorzubereiten. Gerade bei immer wiederkehrenden Situationen kann es hilfreich sein, folgende Punkte vorab zu klären:

• Was ist mein Maximal und was mein Minimalziel im Gespräch?

• Was möchte ich mitteilen? (Themensammlung)

• Warum ist es mir so wichtig die Dinge zu benennen? (Gefühle beschreiben)

• Wie kann ich mit wenigen Worten mein Abgrenzungsproblem benennen?

• Erfordert die Situation sofort eine Entscheidung? Oder kann das warten?

• Wie bewerte ich die Situation? Wie wichtig ist das? Was hat Priorität? Was brauchen meiner Einschätzung nach die /der andere? Was ist jetzt meine Aufgabe? Wo fehlen mir noch Informationen? Was soll ich noch klären? Bin ich dafür zuständig? Bei welchem Aspekt darf ich mich rausziehen?

• Wie empfinde ich die Situation? Ist diese Situation ungünstig für mich? Was brauche ich jetzt? Was/wer würde mich unterstützen?

• Wie reagiert mein Gegenüber auf meine Argumente. Und wie möchte ich darauf argumentieren?

Das Selbst-Coaching ist eine Methode, den Blick ohne Unterstützung von außen auf die Situation zu werfen. Machen Sie sich selbst zum Experten Ihrer Stressmomente. Sie sind nicht nur Experte für Ihr Problem sondern auch für Ihre Lösungen. Kultivieren Sie die Kunst des Selbstgesprächs bei Stress und Abgrenzungsproblemen. Es muss ja nicht unbedingt laut in bei sein der Kollegen geschehen.

Wichtig ist mir, Ihnen noch eine Aussage mitzugeben: Sehen Sie andere Menschen ebenso positiv, wie Sie selbst wahrgenommen werden möchten: mit guten Absichten. Jeder verdient eine zweite Chance.

Autor: Daniela Sarrazin
Thema: Nein sagen und Grenzen setzen

Webseite: https://www.sarrazin-coaching.de

#Selbstbewusstsein, #Zwangsverhalten

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