Potential der eigenen Stimme heben und richtig einsetzen

16. November 2015 - Persönlichkeitsentwicklung

Wer hätte es nicht schon mal erlebt, dass im ungeeigneten Augenblick, z.B. während einer wichtigen Präsentation, die eigene Stimme ihren Dienst versagt, entweder zittert, wo sie überzeugend klingen soll oder sich vielleicht auch ganz verabschiedet? Eine ungewohnte Situation, in der sich alle Blicke auf uns richten, kann den Stresslevel durchaus erhöhen. Wir haben mit Heiserkeit zu kämpfen, einem trockenen Mund, zu wenig Luft oder die Stimme klingt einfach dünn oder unerwünscht hoch bis piepsig – und: wir beginnen uns zu ärgern, was den Teufelskreis endgültig schließt.

kind stimme mikrofon

Wie komplex psychische und physiologische Faktoren beim Gebrauch unseres Sprechorgans zusammen wirken, beschreiben im Deutschen die Begriffe Stimmung und Stimme. Ob fröhlich oder traurig, souverän oder aufgeregt, unsere Stimme verrät häufig ungewollt unsere Befindlichkeit. Mit unseren Stimmbändern kehren wir sozusagen das Innerste nach außen. Wenn wir uns zusätzlich selbst unter "(Leistungs-)Druck" setzen, werden wir unwillkürlich auch auf die Stimmbänder "drücken", gepresst klingen und damit gestresst. Eine gewisse Atemlosigkeit kommt häufig noch hinzu.

Schauspieler, Sänger oder Sprecher sind als Profis darauf angewiesen, dass ihr „Werkzeug“ Stimme auch dann zur Verfügung steht, wenn das Lampenfieber zuschlägt oder die Tageskondition nicht optimal ist. Eine gute Stimmbildung gehört hier zu einer soliden Ausbildung dazu. Sie dient der Klangentfaltung und Schonung der Stimme, so dass man über eine längere Zeit trotz höchster Konzentration anstrengungslos sprechen oder singen kann und auch in großen Räumen ohne Mikrofon in der letzten Reihe verstanden wird.

Dieses Wissen, wie man seine Stimme richtig einsetzen kann, können sich auch diejenigen zu Nutze machen, die nicht die Bretter die, die Welt bedeuten erobern wollen, aber sehr wohl auf der Bühne des beruflichen Alltags bestehen müssen. Einer Person mit angenehm klingender Stimme, die alle Resonanzräume ausschöpft und gut zu verstehen ist, hört man gerne zu, sei es während einer Präsentation, einer Rede, im Meeting und natürlich am Telefon.

Sprechen ist aber v.a. eine körperliche Tätigkeit und es bedarf etwas Übung, damit im Ernstfall bestimmte "Handgriffe" und Routinen zur Verfügung stehen – ähnlich wie z.B. beim Golf oder beim Spielen eines Musikinstruments. Während eines Monologs oder einer Arie kann und darf der Akteur nicht über die eigene Stimmtechnik nachdenken, da sonst die Konzentration vom Eigentlichen abgelenkt und schlimmstenfalls der "Text" vergessen wird. Atmung und Artikulation müssen so ineinander greifen, damit sich die Stimme automatisch den Erfordernissen anpasst und zur Verfügung steht, ohne dabei überlastet zu werden.

Atem

Vor allem bei Nervosität oder in Stresssituationen, in denen wir uns stark konzentrieren, "vergessen" wir meist zu atmen. Die erforderliche Luft füllt bestenfalls nur die oberen Teile der Lunge, aber reicht keinesfalls bis in die Lungenspitzen. Eine typische Reaktion, wenn wir innerlich auf „Flucht“ oder „Kampf“ eingestellt sind und ein Relikt aus unserer menschheitsgeschichtlichen Vergangenheit, wo es sich meist nicht bewährt hat, allein einer Gruppe gegenüber zu stehen. Befinden wir uns nun in der Situation, vor Publikum präsentieren oder reden zu müssen, greifen jene Flucht- oder Kampfmechanismen und können uns buchstäblich die Luft abschnüren, die wir so dringend für unsere Nerven und Stimme bräuchten.

Für eine volle, entspannte und damit souverän klingende Stimme ist jedoch eine stabile Luftsäule erforderlich. Jeder, der versucht, einer Trompete unvorbereitet einen Ton zu entlocken, wird die Erfahrung machen, dass eine schwache oder instabile Luftsäule keinen sehr schönen Ton hervorbringt.

Hier kommt das Zwerchfell ins Spiel, das den Verdauungs- und Atmungsstrakt voneinander trennt. Es befindet sich etwa kuppelförmig auf der Höhe der unteren Rippenbögen, zwischen Brust- und Bauchraum, also ziemlich tief. Neben der Zentralsehne besteht das Zwerchfell aus mehreren miteinander funktionierenden Muskelpartien. Beim Einatmen senken sich beidseitig die Zwerchfellkuppen, dank einer von der Atemmuskulatur verursachten Dehnung des Brustkorbs. Beim Ausatmen heben sich die Zwerchfellkuppen wieder durch eine entsprechende Verengung des Brustkorbs. Bei geistiger und seelischer Anspannung setzt der Körper andere Prioritäten und "spart" diese Muskelgruppen aus, weshalb das Zwerchfell nur eingeschränkt aktiviert und die Atmung flach wird.

Klang und Artikulation

Die größte bei Verspannung betroffene Muskelgruppe ist jedoch die des Hals- und Nackenbereichs sowie des Gesichts. Der Kehlkopf mit den Stimmlippen ist hier also unmittelbar betroffen. Durch die übertragene Anspannung können die Stimmbänder nicht mehr frei schwingen und erzeugen nur einen sehr reduzierten Klang. Leider lassen sich diese speziellen Muskelgruppen nicht wie z.B. der Armmuskel bewusst ansteuern. Atem- und Resonanzübungen dienen dazu, diese Partien indirekt zu erreichen, so dass eine volle Atmung auch bei Stress erhalten und der Resonanzraum entspannt bleibt und frei schwingen kann. Mit Nutzung der Kopf- und Brustresonanz vergrößert sich der Frequenzbereich, was dazu beiträgt, dass hoch und manchmal schrill klingende Stimmen wieder etwas mehr Tiefe bekommen, flache und gepresste Stimmen entspannter klingen.

Eine bewusste Artikulation ergänzt diesen Effekt und trainiert die Bewegung der Zunge für eine präzise Aussprache. Beides führt zur Entlastung der Stimmbänder und sorgt für eine stimmliche Präsenz, die den Worten einen nachhaltigen Ausdruck verleiht, ohne übertrieben zu klingen.

Stellschraube: Kiefer

In diesem Zusammenhang spielt vor allem unser sehr starker Kiefermuskel eine entscheidende Rolle. Die muskuläre Verbindung am Scharnier von Ober- und Unterkiefer ist sehr kräftig und dient leider auch als Ventil für Anspannung. Manche Menschen sind sogar darauf angewiesen, eine Zahnschiene zu tragen, da das unbewusste nächtliche, stressverarbeitende Zähneknirschen die Zähne schädigt.

Denken wir konzentriert über etwas nach oder wälzen Probleme, werden wir bemerken, dass der Kieferbereich fest wird. Im umgekehrten Fall, wenn wir gedanklich "etwas nicht fassen können", "fällt uns der (Unter)kiefer runter" – ein klassischer Ausdruck für großes Erstaunen.

Stehen wir ungewohnt im Rampenlicht, kann sich der Kiefermuskel also durchaus unwillkürlich anspannen, so dass wir förmlich den Mund nicht aufbekommen. Die Zunge hat weniger Platz, um Konsonanten und Vokale akkurat auszusprechen – die Folge: wir verschlucken Worte, sind schlechter zu verstehen und stimmlich weniger präsent. Gleichzeitig geraten unsere Stimmbänder unter eine zusätzliche Spannung, was oft zu ungewollter Höhe und Heiserkeit führt – und zu dem gefürchteten trockenen Mund, da aufgrund der Muskelanspannung der normale Speichelfluss unterbrochen ist.

Neben einem gezielten Training, wie man seine Stimme richtig einsetzen kann, können aber auch kleine, alltagstaugliche Übungen viel bewirken:

1. Der Kiefer lässt sich entspannen, indem man die Zähne voneinander löst. Beim Warten an der Supermarktkasse lässt sich das mit leicht geschlossenen Lippen bewerkstelligen – Zuhause, im stillen Kämmerlein, darf der Mund auch aufgehen. Wahrscheinlich wird hier bereits eine automatische Vertiefung der Atmung zu beobachten sein und bis zu einem gewissen Grad sogar eine innere Ruhe.

2. In einem nächsten Schritt kann man versuchen, die Atmung tiefer werden zu lassen, indem bei gelöstem Kiefer imaginär der gesamte Körper von Fuß bis Kopf mit Luft "gefüllt" wird.

3. Mit einem entspannten und leicht gesummten Mmmh lässt sich in einem nächsten Schritt die Kopfresonanz erforschen. Manchmal kitzelt es in den Ohren oder auf den Lippen – beides ist ein gutes Zeichen.

4. Auch ein herzhaftes Gähnen unterstützt Stimme und Atmung. Hierzu kann man den hinteren Teil der Zunge bewusst nach unten drücken; nach einigen Versuchen sollte es klappen. Ein Trick, der es mir als Schauspielerin ermöglicht hat, lange und zahlreiche Vorstellungen stimmlich gut zu bewältigen.

Autor: Dr. Martina Kloepfer
Thema: Wie lassen sich die Potentiale der eigenen Stimme heben?

Webseite: http://www.kloepfertraining.de

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