Wann und warum bin ich unausgeglichen und gereizt?

24. März 2020 - Persönlichkeitsentwicklung

Ein seelisches Ungleichgewicht kann sehr viele Gründe haben; meist betrifft es Beruf, Familie oder Freizeit.

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Um der Dysbalance auf den Grund zu gehen, ist es zunächst wichtig, die eigenen Gewohnheiten, Glaubenssätze und täglichen Handlungsroutinen zu erkennen und zu verstehen, um sie anschließend positiv zu verändern. Hierbei empfiehlt es sich, über drei - vier Wochen Tagebuch zu führen, um negative Energien und Muster im Alltag zu finden.

Folgende Anhaltspunkte helfen, belastende Trigger zu identifizieren:

Was hilft mir, dass ich ausgeglichener und zufriedener werde?

Grundlage eines ausgeglichenen und zufriedenen Daseins ist das universelle Lebensprinzip, dass alle Menschen aus der Vergangenheit lernen und dabei auch immer Fehler machen dürfen. Diese gilt es, in positive Lösungen überzuführen. Wichtig ist hierbei, dass wir nicht in einer hilflosen, ohnmächtigen Opferhaltung verharren. Denn „jeder ist seines eigenen Glückes Schmied“. Unser innerer Stress ist die Resonanz auf innere und äußere Impulse und Bedingungen. Entscheidend sind dabei die eigenen Sichtweisen, Erwartungen und bisherigen Gewohnheiten.

In meiner psychotherapeutischen Praxis hat sich für eine nachhaltige Zufriedenheit die Arbeit mit dem Tagebuch in Verbindung mit dem „inneren Kind“ und dem „Insel-Modell“ bewährt. Hier geht es in erster Linie um den liebvollen Umgang mit sich selbst, bei zugleich gesunder Abgrenzung vom Umfeld, vor dem Hintergrund der eigenen Gewohnheiten, Glaubenssätze und täglichen Handlungsroutinen.

Wie kann ich üben, ausgeglichener und zufriedener zu werden?

Bei der Arbeit mit dem „inneren Kind“ geht es darum, die eigenen Emotionen, Gefühle, Bedürfnisse und Verletzungen einer inneren kindlichen Instanz zuzuordnen, für die die Erwachseneninstanz verantwortungsvoll und liebevoll sorgt. Emotionen, Gefühle und Bedürfnisse sollen achtsam erkannt und Raum gegeben werden, Verletzungen aus der Vergangenheit dürfen Heilung finden.

Praktisch sieht die Arbeit mit dem „inneren Kind“ wie folgt aus: Bei Rechtshändern ist die starke, erwachsene Instanz auf der rechten Seite und das kleine, verletzliche innere Kind auf der linken Seite, bei Linkshändern umgekehrt. Die räumliche Zuordnung hilft bei der konkreten Vorstellung und Abgrenzung. Je klarer und lustiger das imaginierte Bild, desto positiver, die von ihm ausgehende Energie. Beispielsweise stelle ich mir meinen kleinen Jungen im Alter von 2-3 Jahren vor, der mit Windeln in schönen Landschaften auf meiner Insel herumflitzt. Die Insel ist das Modell des inneren Kosmos, den jeder Mensch für sich selbst hat und geprägt ist von Genetik, Erziehung, Gewohnheiten, Denkweisen Glaubenssätzen, Ritualen etc.

Sie fragen sich vielleicht, warum gerade das Bild eines inneren Kindes? Weil viele Menschen nicht gelernt haben, liebevoll mit sich selbst umzugehen. Ja sie bestrafen sich eher, als sich etwas Gutes zu tun, sehen und erfüllen mehr die Bedürfnisse der Mitmenschen als die eigenen. Zudem kommen Botschaften von anderen Menschen nicht an, wie z.B.: „sorge gut für Dich“, da die Menschen nicht wissen, für wen sie bei sich gut sorgen sollen, kein Bild von einer liebevollen inneren Instanz haben. Mit einem kleinen inneren Kind, das mit Windeln unterwegs ist, kann man nicht böse sein. Vielmehr wird der wohlwollende Beschützerinstinkt im Menschen geweckt. Zudem kann man immer nachspüren, ob es dem eigenen kleinen inneren Kind gut geht und welche Bedürfnisse es gerade hat.

Von den in der Kindheit erlebten Verletzungen hängt es ab, welche „Krafttiere“ dem „inneren Kind“ zur Seite gestellt werden. Wenn man als Kind viel Angst hatte, sind Krafttiere wie Löwe, Puma, Bär, Adler etc. von Nutzen. Ich persönlich habe auf meiner linken Seite meinen Puma (der für Eleganz, Geschick, Ausdauer, Geschwindigkeit steht), auf meiner rechten Seite meinen Bären (steht für Stärke, Kraft, Mut), hinten befindet sich mein kleiner Drache (der hält mir den Rücken frei, kann bei Gefahren Feuer speien) und in der Luft kreist mein Adler und sichert mir den Luftraum. Zudem habe ich noch einen Delphin, mit dem ich im Wasser spielen kann.

Täglich mache ich Pausen und spüre nach, lobe meinen kleinen Jungen und sage mir in Gedanken: „links ist mein Puma, rechts mein Bär, hinten mein Drache und oben mein Adler“. Hierzu passt die Affirmation „ich bin sicher und geschützt“. Abends, wenn ich im Bett liege, imaginiere ich mir immer, dass ich auf meiner Insel, die noch zusätzlich mit einer Seifenblase nach Außen geschützt ist, in meiner Höhle mit meinen Freunden bin. Mein Freund der Drache macht ein Lagerfeuer und ich schmiege mich an das weiche Fell des Bären und genieße das Knistern des Feuers. Mit diesem Bild lenke ich meine Gedanken und Gefühle ins Positive und schenke mir gute Energie. So schlafe ich ein und ein sicheres Gefühl kann sich bei mir über Nacht konsolidieren.

Um achtsam, im hier und jetzt zu sein, ist es wichtig, das innere Kind jeden Tag mit der erwachsenen Seite zu loben und der kindlichen Seite auf die Schulter zu klopfen. Dabei in Gedanken wertschätzend mit dem inneren Kind zu sprechen und sich selber immer wieder zu sagen, „das haben wir gut gemacht“. Hierbei gilt es, im Tagesverlauf immer wieder Pausen einzulegen und nachzuspüren und sich für das zu loben, was man bereits heute und in den vergangen Tagen getan hat. So kann man abends - im Bett - den Tag Revue passieren lassen und sich mit den imaginativen Freunden am Lagerfeuer mit guter Energie belohnen. Sich mit dem loben, was man heute alles Tolles gemacht hat. So schützt man sich, in Gedanken zu sehr in der Vergangenheit oder in der Zukunft zu verharren und über Probleme oder to-do-Listen nachzugrübeln.

Auf der eigenen Insel sollten keine Imaginationen von real existierenden Menschen sein, denn diese sind Lebensabschnittsbegleiter. Menschen kommen irgendwann im Leben und irgendwann gehen sie leider auch wieder, bis man schließlich irgendwann selbst von dieser Welt geht. Das Inselbild soll jedoch der eigene, innere „sichere Ort“ das ganze Leben lang sein. Egal wo man ist und egal was passiert, man kann immer gedanklich und emotional auf seine Insel gehen, Verbindung zu seinen Freunden (die für immer bleiben) aufnehmen und gute Energie tanken. Wenn wir Eltern werden, können wir den Nachwuchs als kleine Insel - angebunden an die eigene Insel - betrachten. In den ersten Lebensjahren, sind wir als Eltern verantwortlich dafür, dass unser Kind eine stabile Insel entwickelt. Wenn der Nachwuchs dann in die Pubertät kommt, entfernt sich dessen Insel von unserer. Dabei strebt das Kind nach natürlicher Autonomie, Unabhängigkeit und Selbständigkeit. Mit diesem Bild schaffen wir als Eltern eine gesunde Abgrenzung zum Kind. Wenn wir als Eltern unseren Nachwuchs auf unserer eigenen imaginären Insel emotional verankern und dort festhalten, schaffen wir es später nicht loszulassen und werden uns ungesund und grenzüberschreitend das Leben lang um das Wohl des Kindes bemühen.

Wenn wir uns jedoch klar machen, dass jeder Mensch seine eigene Insel besitzt, lernen wir uns besser von anderen Menschen abzugrenzen. Wenn jemand uns ärgert, dann schießt er bildhaft gesprochen von seiner Insel mit Kanonen in Richtung auf unsere Insel. Da wir mit einer Seifenblase geschützt sind, prallen die Kanonenkugeln an der Blase ab, bzw. wir bemerken zunächst einen emotionalen Impuls (wie ein Lichtblitz am Firmament). Jetzt dürfen wir uns immer klar machen, dass in einem solchen Falle der Ärger des anderen auf dessen Insel entstanden ist. Dieser ärgert sich über Dinge, weil er selbst ein Problem damit hat, wir zunächst jedoch nicht. Erst im zweiten Schritt entscheiden wir darüber, ob wir den Ärger des anderen zu unserem Ärger machen, uns auf unserer Insel von den Kugeln des anderen treffen lassen.

Dies klingt zunächst schwierig, ist jedoch reine Übungssache, da es einer tiefen emotionalen Verankerung bedarf. Je öfter wir diese emotionalen Bilder üben, desto besser klappen die Abgrenzung und das Einnehmen der Metaebene. Durch das Betrachten der Situation von außen, verlassen wir unsere eigene emotionale Ebene und bekommen eine andere Perspektive auf unsere Gefühle. Wir bleiben handlungsfähig und können uns immer fragen, „was lernen wir daraus“, bzw. „was haben wir für einen emotionalen Gewinn“, „haben wir morgen gute Energie, wenn wir so und so handeln“ oder „schädigen wir uns nur selbst damit".

Die Vergangenheit an sich, kann man sich symbolisch als eine Insel vorne rechts auf 10 Uhr oder 2 Uhr vorstellen. Wenn wir uns die Vergangenheit hinten vorstellen, so haben wir sie im Nacken, das fühlt sich nicht gut an und wenn die Vergangenheit genau vor uns liegt, kann sie uns komplett blockieren. Mit solch einem Bild der Vergangenheit bekommt man eine Distanz zu seinen Gewohnheiten, Glaubensätzen, negativen täglichen Erlebnissen und Erwartungen, die wir uns bewusst machen und kritisch betrachten können. Dabei gibt es sich zu fragen: „Sind meine Einstellungen und meine Verhaltensweisen - die in der Vergangenheit ihre Berechtigung hatten und denen ich wertschätzend begegnen darf - immer noch angemessen?“ „Macht es in positiver Hinsicht weiter Sinn, an diesen Einstellungen und Verhaltensweisen festzuhalten?“ „Bringen sie mich weiter im Leben und möchte ich sie in Zukunft auf meiner Insel haben?“ Dabei gilt es immer, sich auf Lösungen zu konzentrieren und nicht in einer Problemtrance zu verharren. Das heißt, ich darf mich immer fragen, „was lerne ich daraus?“ „wie kann ich es in Zukunft besser machen?“ anstatt in der Vergangenheit, mit Schuldgefühlen und negativen Energien der Frage nach dem „warum“ nachzugehen.

Autor: Ralf Gast, Diplom-Psychologe
Thema: Unausgeglichen und gereizt
Webseite: http://www.seelischebalance.de

#Stress, #Aggressionen, #Gefühle, #Unzufriedenheit

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