Konflikte unter erwachsenen Schwestern

Nicht nur Geschwisterkinder zoffen sich, bis die Fetzen fliegen und sind dann kurze Zeit später wieder wie ein Herz und eine Seele – nein, auch erwachsene Geschwister kennen diese Situationen sehr gut. Allerdings vertragen sie sich vielleicht nicht so leicht und schnell wieder und viele leiden darunter sehr.

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Und oft sind es Frauen, die unter einem hohen Leidensdruck stehen, weil sie sich mit ihren Schwestern nicht so gut verstehen, wie sie es sich wünschen oder es von ihnen erwartet wird.

Wieso werden Konflikte gerade unter Schwestern als besonders schwierig erlebt?

Schwestern haben das gleiche Geschlecht, als Mädchen entwickeln sie oft eine tiefe Verbundenheit und Vertrautheit und sie beobachten sich von Anfang an sehr genau. Sie identifizieren sich mit der Schwester, denn zum Bruder ist die Abgrenzung klar – er ist »sowieso ganz anders«. Schwestern können deshalb eine sehr intensive und vertraute Beziehung entwickeln. Sie müssen und wollen sich aber auch voneinander abgrenzen und ihre eigene Individualität entwickeln, was zu Wettstreit und Konkurrenzkampf führen kann. Zwischen diesen beiden widersprüchlichen Polen fühlen sie sich oft hin- und hergerissen.

»Wenige Beziehungen sind so intensiv und vielschichtig wie die von Schwestern.«

Positive und negative Empfindungen – oft gleichzeitig – führen zu einer starken emotionalen Zwiespältigkeit, und die Schwestern müssen lernen, mit dieser Ambivalenz umzugehen. Kein Wunder, dass viele Schwestern eigens hierfür eine besondere Kompetenz ausbilden, für die Tucholsky das sehr anschauliche und viel zitierte Bild fand: »Wilde Indianer sind entweder auf Kriegspfad oder rauchen die Friedenspfeife – Geschwister jedoch können gleichzeitig beides.«

Überhaupt ist es für Schwestern untereinander oft schwieriger, eine Nische und eine individuelle Rolle in der Familie zu finden. Dennoch muss dies nicht zwangsläufig zu Neid, Rivalität und Konkurrenz führen. Kommt es unter Schwestern dazu, so ist dies häufig ein Ergebnis des elterlichen Verhaltens, insbesondere wenn diese oder andere Mitmenschen die Schwestern ständig miteinander vergleichen.

Schneeweißchen und Rosenrot

»Schneeweißchen und Rosenrot« aus dem gleichnamigen Märchen der Gebrüder Grimm sind zwei Schwestern, die sich sehr lieb haben, unzertrennlich sind und in einer harmonischen, fast schon symbiotischen Einheit leben. Schneeweißchen ist die Stille, Sanfte, die gern zu Hause bei der Mutter sitzt. Rosenrot ist die Temperamentvolle, die gern draußen herumtollt. So verschieden sie sind, teilen sie alles miteinander und versprechen sich, ein Leben lang füreinander da zu sein. »Schneeweißchen und Rosenrot« sind so zum Vorbild einer Schwesternbeziehung geworden, in der sich die Schwestern in ihrer Unterschiedlichkeit anerkennen, ohne miteinander im Wettbewerb zu stehen.

In der Mehrheit der überlieferten »Zwei-Schwestern-Märchen« werden hingegen Schwesternbeziehungen beschrieben, in denen es eine gute, verletzliche, oft auch fleißige und »schöne« sowie eine andere böse, neidische, oft auch faule und »hässliche« Schwester gibt. Es geht um Missgunst, Rivalität, Hass und Intrigen. Hier wird polarisiert und moralisch festgelegt, was gut und was schlecht ist, wobei eine Schwester – die Böse – immer bestraft wird. Zwietracht unter Schwestern darf demnach nicht sein, ist etwas Schlechtes und muss verurteilt werden. Das lernen wir – nicht nur mit Märchen – schon als Kinder.

Schwestern unter Harmoniezwang

Grimms Märchen sind seit circa 200 Jahren kraftvolle Metaphern. Sie spiegeln und transportieren Werte und Moralvorstellungen, die bis in die heutige Zeit auf unsere Gesellschaft wirken. Ebenso finden sich darin Frauen- und Männerbilder mit ihren geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen und Zuschreibungen von »gut und böse« und »richtig und falsch« sowie Verhaltensregeln für das Leben in Familien und in der Gesellschaft. Folgt man dem, wird von Schwestern ein stets harmonisches Verhältnis erwartet – Disharmonie und Meinungsverschiedenheiten haben einen schlechten Ruf. Die idealisierende Vorstellung, Schwestern müssten sich inniglich lieben und auf Gedeih und Verderb wie »Schneeweißchen und Rosenrot« zusammenhalten, hat sich als Klischee, als »Normalfall«, in vielen Köpfen festgesetzt. Erfüllen Schwestern diese Erwartung nicht, gelten sie als neidisch und streitsüchtig, empfindlich, schwierig oder zickig, und ihre Auseinandersetzungen werden als »Weiberstreit« abgeurteilt. Schwestern selbst orientieren sich - meist auch unbewusst- bis heute an diesen Idealvorstellungen; weichen sie davon ab, ist der Leidensdruck allein aus diesem Grund schon groß.

Bis heute werden in Familie und in Gesellschaft Schwestern stark miteinander verglichen und bewertet und von ihnen wird eher erwartet, dass sie sich vertragen. Jungs untereinander dürfen und sollen sich hingegen ja sogar miteinander messen, raufen und rivalisieren. Es ist immer noch ein Tabuthema, dass Frauen sich streiten. Schwestern unterwerfen sich meist diesem hohen Erwartungsdruck und Harmoniezwang von Seiten der Gesellschaft, der Familie und ihrer Schwestern – und entwickeln daraus oft eine Anspruchshaltung an sich selbst und leiden darunter. Hinzu kommt, dass Frauen sich häufig gemäß ihrer weiblichen Geschlechterrolle für die Beziehungspflege innerhalb der Familie zuständig fühlen und bis ins hohe Alter nach Lösungen für eine bessere Schwestern- oder auch Geschwisterbeziehung suchen.

Konflikte unter Schwestern und damit verbundener Leidensdruck

Vielen Frauen ist es wichtig zu verstehen, warum es immer wieder zu Spannungen, Missverständnissen und Verletzungen mit ihren Schwestern kommt und sie wollen das Verhältnis klären.

Zu den häufigsten Konflikten und Problemen, mit denen Frauen bezüglich ihrer Schwesternbeziehungen zu kämpfen haben, gehören das Gefühl von fehlender Augenhöhe und nicht „gesehen zu werden“, also der Wunsch nach Wertschätzung und Anerkennung. Auch Situationen wie unterschiedliche Kontaktwünsche beziehungsweise ein unterschiedlicher Umgang mit Nähe und Distanz bis hin zu Kontaktabbrüchen, die zum Teil schon über sehr viele Jahre hinweg bestehen, sind Themen, die Frauen jahrelang wie ein schweres „Päckchen“ mit sich herumtragen. Manche Schwestern sind auch charakterlich so unterschiedlich, dass sie kaum Anknüpfungspunkte finden. Frauen erleben es oft als großen Leidensdruck, wenn sie die Verbundenheit zu ihrer Schwester nicht spüren. Viele denken dann, mit ihnen stimme etwas nicht.

All diese Erfahrungen prägen uns ein Leben lang. Auch wenn kein Kontakt mehr besteht, wirkt das innere Band unterbewusst weiter. Dabei ist eine gute Beziehung zur Schwester nicht selbstverständlich, sondern eher ein Geschenk. Schwestern können eine innige Beziehung haben, aber sie müssen es nicht zwangsläufig, es ist kein Geburtsrecht.

Schwesternbeziehungen ohne 'Happy End'

Mit niemandem sonst als mit unseren Geschwistern, also auch mit unseren Schwestern, wachsen wir so nah miteinander auf. Sie sind diejenigen, mit denen wir im Elternhaus von der Geburt bis zum Auszug am engsten zusammenleben, Sozialverhalten und Selbstbehauptung lernen und üben. Sie sind unsere ersten Buddys, die uns unmittelbares, schonungsloses Feedback geben, die unsere empfindlichsten Punkte kennen, die uns total schnell auf die Palme bringen können, mit denen wir aber auch Geheimnisse teilen und mit denen wir uns gegen die Eltern oder andere im Außen verbünden können.

Viele Frauen beschreiben, dass sie auch viele schöne, unbeschwerte Kindheitserinnerungen mit ihren Schwestern haben. Umso schmerzvoller werden Erfahrungen von Krisen, Entfremdung oder Kontaktabbruch im Erwachsenenalter erlebt. Sie empfinden dies wie ein auswegloses Dilemma: Einerseits ist da die Sehnsucht nach Nähe, dem Austausch auf Augenhöhe und häufigem Kontakt, andererseits gibt es untereinander Konkurrenz, Neid, Missverständnisse und Kränkungen.

Es gibt nicht zwangsläufig immer ein Happy End. Auch wenn wir noch so bemüht sind, die eigene Schwester mit ihrer Andersartigkeit anzuerkennen und wertschätzend mit ihr zu kommunizieren, können wir zu dem Ergebnis kommen, dass wir gleichsam in verschiedenen Welten leben und uns nicht miteinander verständigen, geschweige denn, harmonieren können. Distanz bedeutet dann, wahrzunehmen, dass wir zu verschieden sind oder uns auseinanderentwickelt haben, und zu akzeptieren, dass wir getrennte Wesen sind und nicht zusammenpassen. Statt dauerhaft in einer Ambivalenz zu verharren, kann es befreiend sein, wenn wir uns und auch der Schwester dies ein- und zugestehen und sich aus dieser Erkenntnis mehr Abstand und Distanz oder gar Trennung ergibt. Dann ist dies eine bewusste Entscheidung und kann offen ausgesprochen werden. Dies mag sich sehr schmerzvoll und vielleicht auch einsam anfühlen und darf betrauert werden. Vielleicht aber stellt sich dann auch ein Stückweit Erleichterung ein. Denn mit dieser Klarheit gelingt es eher, Frieden mit der Situation zu schließen – und vor allem auch mit sich selbst!

Manchmal ist es in der Tat heilsamer und letztendlich gesünder, den Kontakt zu beenden, dem ehrlich ins Auge zu schauen und sich mit dieser Situation zu versöhnen, als immer wieder dasselbe zu versuchen und wiederholt verletzt zu werden.

Wann und wie ist die Schwesternbeziehung vielleicht doch noch retten?

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Eine der Hauptursachen für Beziehungsprobleme mit der Schwester liegt darin, dass die Schwestern alte Rollenzuschreibungen noch nicht oder unzureichend reflektiert haben und deshalb – insbesondere im direkten Kontakt miteinander – immer wieder in ihr Kindheits-Ich rutschen. Häufig ist eine von ihnen oder vielleicht sogar beide auch in ihrem Selbstwertgefühl mehr oder weniger stark angegriffen. Ihr Wunsch ist es, mit der Schwester auf Augenhöhe zu sein. Eine wichtige Voraussetzung für Ebenbürtigkeit ist es, die Rollen, die wir als Kinder hatten, zu hinterfragen und aus ihnen herauszuwachsen.

Doch wie anfangen, eine gleichwertige Beziehung zu unserer Schwester zu gestalten?

1.) Schritt: Selbstreflexion

„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst von der Welt.“ (Mahatma Gandhi)

Hier geht es um dich und wie du dich selbst siehst. Wenn du die folgenden Fragen beantwortest, hast du wertvolle Erkenntnisse über dich selbst gewonnen:

  • Wer bin ich eigentlich wirklich? Was macht mich aus?
  • Was sind meine Fähigkeiten, Talente, Leidenschaften?
  • Was kann ich gut, wobei geht mir das Herz auf, worüber freue ich mich, wofür bin ich dankbar?
  • Und wo sind meine Grenzen?
  • Was möchte ich lernen, entwickeln und entfalten? Was ist mein sehnlichster Wunsch?

Zur Selbstreflexion – eine Lebensaufgabe, die nie aufhören sollte – gehört es, eigene Anteile wie z.B. alte Rollenmuster, kritisch zu beleuchten. Damit ist nicht die strenge Richterin und nörgelnde Selbstzweiflerin gemeint, die manche von uns im Hinterkopf mit sich herumtragen, sondern die wohlwollende Beobachterin, die alles wertschätzend betrachtet, auch die eigenen Unzulänglichkeiten, Schwächen, wunden Punkte und Fehler. Gleichwertige und erwachsene Beziehungen können wir erst dann führen, wenn wir sowohl unsere Licht- als auch unsere Schattenseiten anerkennen und wertschätzen.

2.) Schritt: Mut zur Versöhnung

Der nächste Schritt auf dem Weg zu einer gleichwertigen Schwesternbeziehung ist die Bereitschaft zur Versöhnung – zuallererst mit sich selbst! Dazu gehört es, eigene Fehler einzugestehen und sich aufrichtig dafür zu entschuldigen.

3.) Schritt: Beziehungspflege

Wie jede andere Beziehung auch, funktioniert die Schwesternbeziehung nicht automatisch, sondern muss wie eine Pflanze regelmäßig gegossen und gepflegt werden. Schwestern teilen Erinnerungen, Gefühle und Geschichten aus ihrer gesamten Lebensspanne. Akzeptiere die unterschiedliche Wahrnehmung auf eure Vergangenheit, nur so könnt ihr eure gemeinsamen Erinnerungen, euer Familienarchiv, wertschätzen und als stützend und stärkend empfinden. Bleibe offen und frage, wer deine Schwester – hinter deinen Vorstellungsbildern, Erwartungen und Vorurteilen – eigentlich wirklich ist.

Trefft euch auf „neutralem Boden“ und sorgt dort für eine schöne ruhige Atmosphäre. Lasst euch in den Gesprächen aussprechen und hört genau hin. So, wie ihr einer (neuen) Freundin begegnen würdet. Seid wirklich interessiert und neugierig auf die Sichtweisen der anderen - mit einer inneren Haltung von: „Ach sooo erlebst du das!“

*Einzelne Auszüge sind unserem Ratgeberbuch „Schwesternbande“ entnommen.

Autor: Barbara und Cordula Ziebell
Thema: Konflikte unter erwachsenen Schwestern
Webseite: https://schwestern-workshops.de

Autorenprofil Barbara und Cordula Ziebell:

Barbara und Cordula Ziebell widmen sich seit nunmehr 12 Jahren als Expertinnen diesem Thema und führen unter dem Motto „von Schwestern für Schwestern“ seit 2010 erfolgreich - und deutschlandweit einmalig - Wochenend-Workshops durch. Hierzu sind Frauen jeden Alters eingeladen, die ihre Beziehung zu ihrer Schwester oder ihrem Bruder besser verstehen, klären und bestenfalls heilen möchten.

Die Erkenntnisse aus ihrer eigenen Schwesterngeschichte sowie ihre Kompetenzen aus ihren beruflichen Kontexten - Cordula Ziebell als Gestalttherapeutin und Coach in eigener Praxis, Barbara Ziebell als Beraterin und Fortbildnerin - haben sie in ihren Schwestern-Workshops sowie in ihren Geschwister-Coachings optimal zusammengeführt und nun in ihrem Praxisbuch gebündelt. Zu einem versöhnlicheren Umgang unter Geschwistern beizutragen, ist den beiden Schwestern eine Herzensangelegenheit!

[Anzeige] Weiterführendes Buch der Autoren:

schwesternbande

'Schwesternbande – Wie lebendige Schwestern-Beziehungen gelingen“ von Cordula und Barbara Ziebell Knaur-Verlag, Oktober 2021

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