Was fördert Kreativität bei Kindern?

23. Juni 2020 - Lifestyle

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Was ist Kreativität?

Kreativität können wir nicht anfassen, messen, wiegen, vergleichen, kategorisieren. Sie ist keine Leistung, die wir sehen und bewerten können. Sie agiert im Hintergrund und ist meines Erachtens genauso wichtig, wenn nicht sogar noch viel wichtiger als die vordergründigen Dinge, die uns bei Kindern auf den ersten Blick auffallen und vergleichbar sind.

Wir können sie als Energie bezeichnen, eine Energie die wirkt, die aus dem Inneren heraus  erschafft und etwas zum Vorschein bringt. Es ist eine Kraft, die mal mehr, mal weniger bis gar nicht vorhanden sein kann.

Kreativität ist eine in uns allen, ganz egal ob Klein oder Groß, innewohnende Kraft. Es ist eine Gabe, die von Anfang an da ist, die herausgekitzelt, gefördert, gehegt und gepflegt werden will und schöpferisch wirkt.

Was bedeutet es kreativ zu sein?

Ganz allgemein gilt, dass ein Kind kreativ ist und die Kreativität gefördert wird, wenn es ein Instrument spielt, singt, malt, bastelt oder tanzt. Das ist bestimmt alles richtig und gut, vorausgesetzt, es passiert nicht unter Druck und Zwang von außen. Ich meine aber, Kreativität kann und ist auch noch viel mehr.

maedchen spielt gitarre klein

Kreative Kinder können buchstäblich neu denken. Kreative Kinder können die Welt neu erfinden. Sie können spielerisch, neugierig und unbefangen denken, können abseits von vorgefertigten Meinungen und Dogmen querdenken, Zusammenhänge erfassen und in Verbindung setzen, so dass etwas ganz Neues entstehen kann. Sie machen das aus einer inneren Motivation heraus, aus der Neugierde und Freude am Entdecken, Forschen und spielerischem Begreifen und Verstehen wollen, frei von der Angst, dass sie dafür ausgelacht oder sogar verurteilt werden könnten. Einstein soll mal gesagt haben: „Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“ Auch: „Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“ ist ein Satz, der von ihm stammt. Ich finde, das sagt viel über sein Kreativitätsvermögen aus. Wahrscheinlich wäre er nicht so erfolgreich gewesen, wenn er sich auf „berühmt werden“ und „Erfolg haben“ fokussiert hätte und es ihm sehr wichtig gewesen wäre, was andere von ihm und seinen Ideen halten. Wahrscheinlich wäre ihm dann irgendwann die Neugier und Entdeckerfreude abhanden gekommen, eben die Kreativität.

Wie entsteht Kreativität?

Kreativität kann ich nicht machen. Ich kann sie nicht erzeugen. Vielmehr ist es eine Kraft, die durch uns und unsere Kinder ungehindert hindurchfließen will. Somit stellt sich die Frage: Wie kann ich einen Raum bereiten, in dem die Kreativität ungehindert fließen kann?

Eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen

Man kann schon ganz viel zur Kreativitätsförderung beitragen, wenn man für die Kinder einen wertschätzenden Raum schafft, in dem sie bedingungslose Liebe erfahren dürfen. Das bedeutet, dass wir immer wieder versuchen sie so wie sie sind, mit „allen Schwierigkeiten“, die sie uns vielleicht bereiten, bedingungslos anzunehmen.

Das heißt nicht, dass wir ihr Verhalten immer gut finden müssen. Es bedeutet einfach zwischen dem Kind und seinem Verhalten zu trennen und immer wieder einen Versuch zu wagen, sich vertrauensvoll über dieses Verhalten hinaus mit etwas Größerem in dem Kind zu verbinden. Ihm zu signalisieren, dass man an es glaubt und ihm zutraut, das in ihm angelegte Gute zum Vorschein kommen zu lassen.

Wir können üben, in jeder Situation einen unerschütterlichen Glauben an die Fähigkeiten und das Potential in unserem Kind zu entwickeln. Indem wir den Fokus auf das Gute in unserem Kind legen, werden wir auch mehr und mehr das Gute in ihm zu Tage bringen, weil Energie der Aufmerksamkeit folgt. Das, worauf der Fokus fällt, kann sich entwickeln und groß werden.

„Glaube versetzt Berge“. Wir können uns immer wieder neu entscheiden, in was wir unseren Glauben investieren wollen: in das intrinsisch schlummernde Potential unseres Kindes, oder auf das vordergründige Verhalten?

Vielleicht kann uns dabei das Wissen helfen, dass auffälliges und störendes Verhalten oft nichts anderes als ein missglückter Lösungsversuch ist. Kinder wollen unsere bedingungslose Liebe spüren und fordern sie oft auch heraus. Manchmal ist negative Aufmerksamkeit für das Kind besser als zu wenig oder keine Aufmerksamkeit. So können sich ungünstige Verhaltensweisen und Lebensmuster in den Alltag einschleichen. Dann wäre es angebracht, die Umstände zu untersuchen, unter denen sich dieses Verhalten entwickeln konnte, um die vorhandenen Blockaden zu lösen, damit die liebevolle, verbindende Energie wieder frei fließen kann und das innewohnende Potential des Kindes zum Vorschein kommen und sich entfalten kann.

Meine Beziehung zum Kind und die Beziehungen im Umfeld des Kindes anschauen

Leben ist Beziehung. Prof. Dr. Christian Schubert meint dazu: "Wenn ich alle Erkenntnisse zusammenfasse, läuft es auf eines heraus: menschliche Beziehungen." Martin Buber formuliert es anderes: „Am Du werden wir erst zum Ich.“

Kinder lernen am Beispiel und entwickeln sich durch Beziehungen. Wichtige Fragen wären da: Wie ist meine Beziehung zu meinem Kind? Wie ist die Beziehung in unserer Familie? Ist sie unterstützend oder eher demotivierend?

Es gehört viel Bewusstheit dazu, sich die Beziehungen und Beziehungsmuster offen und neugierig anzuschauen. Wir sind es gewohnt,  die Schuld bei anderen oder bei uns zu suchen, wenn etwas nicht funktioniert. Wir finden bestimmt auch Schuldige, oder wir beschuldigen uns selbst. Da gibt es viele Möglichkeiten zu verurteilen und Schuld auszusprechen. Aber was bringt uns das?

Schuldgefühle sind uns von klein auf bekannt und vertraut. Wir hinterfragen viel zu selten die Auswirkungen von Schuldgefühlen auf Beziehungen und auf das in uns wohnende Potential.

Wenn ich mein Kind, oft unbewusst, wegen seinem Verhalten verurteile und es gerne anderes haben möchte, als es sich gerade zeigt, was macht das mit meiner Beziehung zu meinem Kind? Fühle ich mich mit ihm innig verbunden und kann an sein innewohnendes Potential glauben? Kann ich es wohlwollend unterstützen? Kann ich das Potenzial meines Kindes zum Vorschein bringen, wenn es Angst haben muss, von mir nicht anerkannt, wertgeschätzt und geliebt zu werden? Kann es dabei sein Herz offen halten, sich ausprobieren, aus Fehlern lernen?

Bringe ich es nicht vielmehr in die Lage, sein inneres Potential als unbedeutend zu erachten und zu vergessen, damit es das tut, was ich mir für es vorstelle? Eventuell nimmt es sich selber und seine Gedanken nicht ernst, weil es die Erfahrung gemacht hat, dass andere das sowieso viel besser können? Was bedeutet das für die Selbstliebe und den Selbstwert des Kindes, für seinen Glauben an seine ureigene Kraft? Fördere ich damit den Glauben an seine eigene Kraft und Kreativität? Oder ist eher das Gegenteil der Fall?

Keine Frage, wir wollen alle das Beste für unsere Kinder! Aber sind wir bewusst genug, um erkennen zu können, was das genau ist? Oder handeln wir möglicherweise vielmehr nach unserem eigenen Glauben davon? Worauf beruht unsere Meinung, was das Beste für das Kind ist? Ist diese Meinung nicht eher ein Produkt unserer eigenen Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gemacht haben, aufgrund unserer eigenen Ängste, so wie wir sind, nicht gut genug zu sein und letztendlich nicht geliebt zu werden? Ist es nicht oft so, dass wir die Entwicklung unseres Kindes kontrollieren wollen? Dass wir sicher gehen wollen, dass es sich auch  möglichst gut entwickelt, um glücklich zu werden und Erfolg im Leben zu haben? Das Glück, das wir uns in einer fernen Zukunft für unser Kind erhoffen, verpassen wir eventuell auf diese Weise im jetzigen Augenblick. Wir sind so mit dem Planen eines glücklichen Lebens in der Zukunft beschäftigt, so dass vielleicht gar kein Raum für freie Entfaltung übrig bleibt. Aber was bedeutet Kreativität? Ist das nicht freie Entfaltung? Wäre es da nicht unsere Aufgabe, Raum zur freien Entfaltung zu schaffen?

Was würde passieren, wenn wir unsere Vorstellungen von einem glücklichen Leben für unser Kind, im Vertrauen und im Glauben an das Gute in ihm, loslassen würden? Wenn wir alle unsere Sorgen um die Zukunft unseres Kindes an bunte Luftballons hängen würden und in den Himmel ziehen lassen würden?

Sie meinen, dass klingt zu utopisch um wahr zu sein?

Auch wenn das wahrscheinlich in den seltensten Fällen so einfach geht, glaube ich, dass es sich lohnt, sich selber nach und nach neugierig zu erforschen und seine eigenen Glaubenssätze über das Leben in Frage zu stellen. Auf diese Weise belasten wir die Kinder nicht mit unseren eigenen, vorgefassten Vorstellungen, sondern können mehr und mehr einen Raum schaffen, in dem sie sich frei entfalten und ausprobieren können, Fehler machen dürfen, vielleicht auch den einen oder anderen Irrweg gehen dürfen und somit Vertrauen in ihre von Natur aus vorhandene Kraft bekommen.

Wir könnten uns immer wieder fragen, welche Motivation unsere Gedanken leitet? Wovon sind unsere Gedanken beeinflusst? Ist es Angst, die letztendlich unsere Glaubensvorstellungen widerspiegelt, oder ist es Vertrauen? Angst engt ein, blockiert, hemmt. Vertrauen öffnet das Herz, macht zuversichtlich und mutig. Es lohnt sich, genau in sich hinein zu spüren, um unterscheiden zu lernen. So kann nach und nach eine bedingungslos wertschätzende Atmosphäre geschaffen werden, die zur Kreativitätsentfaltung anregt und Raum bietet, in dem die Gegebenheiten in Frage gestellt und hinterfragt werden dürfen, so dass neue Gedanken und Ideen entstehen können.

Potenzialentfaltung kann nicht auf einem Nährboden der Angst entstehen, sondern entfaltet sich durch Vertrauen, Wertschätzung und Liebe.

Angst blockiert Kreativität - Liebe ist die Quelle der Kreativität

Mit Liebe meine ich eine herzöffnende, annehmende Haltung mir und der Welt gegenüber, die nicht verurteilt und sich vor lauter Angst etwas falsch zu machen in einem vorgegebenen Rahmen bewegt, sondern die es wagt darüber hinaus zu denken und über sich hinaus zu wachsen, um schöpferisch wirken zu können.

Diese Haltung können wir unseren Kindern nicht anerziehen oder aufzwingen, wir können uns aber im Alltag immer wieder neu für diese Haltung entscheiden und sie unserem Kind vorleben und somit den Samen für Kreativität legen.

Wie können wir die Begabungen unseres Kindes fördern?

98 Prozent aller Kinder kommen hochbegabt zur Welt. Im Alter von 25 Jahren erhalten nur noch 2 Prozent das Level genial. Das zeigt uns der Test des „divergent thinking“.

Das ist eine Langzeitstudie über unangepasstes Denken. Unangepasstes Denken wird als Fähigkeit nicht nur linear zu denken definiert, sondern quer zu denken und somit viele Antworten und Möglichkeiten für eine Fragestellung zu finden.

Kleine Kinder sind also hochbegabt. Sie lernen ganz aus sich selbst heraus, aus der in ihrer Natur liegenden Kraft. Sie lernen konzentriert und gleichzeitig spielerisch sich koordiniert zu bewegen, frei zu sitzen, zu krabbeln, zu stehen und zu laufen, zu verstehen wie Sprache funktioniert, aufmerksam zuzuhören, um selber zu sprechen und noch vieles mehr. Sie lernen das meist ganz ohne unser Zutun. Sie probieren das Laufen immer wieder, stürzen vielleicht auch mal, aber verlieren nicht den Mut. Kleine Kinder haben Freude daran, tun alles spielerisch und mit Begeisterung und haben einen unerschütterlichen Willen und Glauben an ihr innewohnendes Potential.

Wie kommt es, dass ihnen später, zum Beispiel in der Schule, diese intrinsische Motivation fehlt und ihnen die spielerische Freude am Tun, Ausprobieren und Lernen immer wieder neu anzufangen, den Mut etwas zu wagen, sich auszuprobieren und sich von Misserfolgen nicht entmutigen zu lassen, abhanden kommt?

Ich glaube, dass das ganz viel mit unserer Wahrnehmung und unseren Gedanken über das Leben zu tun hat.

Eltern freuen sich von Herzen über die Fortschritte ihres Kindes und zeigen es ihm auch. Sie staunen und sind stolz über den Einfallsreichtum, die Originalität und Genialität ihrer Kinder. Das ist meistens am Anfang so. Aber irgendwann schleicht sich ein ungutes Gefühl ein. Sie stellen sich vielleicht die Frage, wieso ihr Kind nicht so gut sprechen kann wie andere Kinder oder wieso es nicht so freundlich grüßt wie das Nachbarskind. Irgendwann im Kindergarten oder spätestens in der Schulzeit machen sich die meisten Eltern Sorgen, wenn sich die Kinder nicht so entwickeln wie es ihrer Meinung nach gut wäre, damit sie mit den anderen mithalten können, Erfolg im Leben haben und sogar zu den Besten gehören können. Wenn das Kind hingebungsvoll und mit Begeisterung beim Kochen hilft oder sich handwerklich sehr geschickt zeigt, sind viele Eltern wahrscheinlich nicht so glücklich darüber wie über gute schulische Fähigkeiten, also eine Eins in Mathe zum Beispiel.

Wir fangen an, die Kinder in eine bestimmte Richtung zu lenken, damit sie die gewünschten Fähigkeiten möglichst schnell erlernen und sich der Erfolg und das Glück im Leben einstellen können.

Auch unser Schulsystem fördert nicht gerade das kreative Denken. Die Kinder werden kategorisiert, vom Lehrer vielleicht sogar mit negativen Eigenschaften beschrieben, für ihr Verhalten verurteilt und untereinander verglichen. Sie bekommen Noten und spüren immer mehr, dass sie so wie sie sind nicht erwünscht sind und nicht bedingungslos angenommen und geliebt werden.

So kommen die Kinder in ein inneres Dilemma. Sollen sie ihrer eigenen schöpferischen Kraft vertrauen, ihrem eigenen intuitiven Gefühl, das gerade entdeckt und gelebt werden möchte und wohin sie von ihrer Freude und Neugier geführt werden, oder ist es besser sich an die äußeren Vorstellungen anzupassen, um angenommen und geliebt zu werden?

Jedes Kind braucht eine Atmosphäre der Annahme und Liebe, um nicht aus der Angst heraus nicht geliebt zu werden zu handeln. In einer liebevollen Atmosphäre kann es sich frei fühlen und sein Potenzial entfalten. Ansonsten wird es darauf bedacht sein, dem Wunsch und den Vorstellungen der Eltern entgegenzukommen, um geliebt zu werden, oder es rebelliert dagegen auf, wird trotzig und verhält sich oppositionell.

In einem wertschätzenden und annehmenden Umfeld, in dem seine Bedürfnisse, Gefühle, Gedanken und Vorstellungen ernst genommen werden, kann sich das Kind auf sein inneres Wissen besinnen, seiner inneren Motivation folgen, es darf sich ausprobieren und Gestalter seines eigenen Lebens werden. Wenn etwas aus dieser inneren Neugier und Begeisterung entstehen darf, dann hat es das Potential, Freude und Erfüllung zu schaffen und sinnstiftend zu wirken.

Die Kinder fühlen sich dann in ihrer Selbstwirksamkeit gestärkt, der Selbstwert und das Vertrauen in die eigene Kraft und die eigenen Fähigkeiten steigt. Sie wollen sich ausprobieren, die Welt entdecken und verstehen, werden dazu inspiriert, ihre eigenen Visionen zu imaginieren und zu leben.

Was kann glücklicher machen als sich geliebt zu fühlen und mit Freude und Begeisterung sein inneres Potential zu leben und zu entfalten? Der allgemeine Glaube besagt, dass Geld und materielle Güter glücklich machen. Dieser Glaube geht aus einem materialistischen Denken hervor. Wir glauben  mit Geld das Leben kontrollieren zu können, uns für zukünftige Situationen zu wappnen und  abzusichern. Dabei gibt es ganz viele Beispiele von Menschen, die zwar reich, aber nicht glücklich sind.

Kontrolle ist ein Produkt der Angst: „Ich traue mich nicht, mich dem Fluss des Lebens hinzugeben. Es fehlt mir das Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen, etwas Eigenes zu entwickeln. Ich möchte, dass alles möglichst nach Plan läuft. So bekomme ich Sicherheit.“ Wollen wir, dass unsere Kinder diese Glaubenssätze übernehmen?

Sicherheit und Kontrolle einerseits und Kreativität andererseits, können nicht gleichzeitig vorhanden sein. Wenn mein Kind lernt sich in vorgefertigten Bahnen zu bewegen, dann fehlt die Neugier aufs Neue, der Mut sich auf Unbekanntes einzulassen und neue Wege zu gehen, sich auszuprobieren, aus Fehlern zu lernen, das Vertrauen in die eigene schöpferische Kraft und der unerschütterliche Glaube an die eigenen Fähigkeiten.

Setzen wir in unsere Kinder das Vertrauen aus ihrer ureigenen schöpferischen Kraft zu agieren, innerlich zu wachsen und zu reifen, sich von ihrer Neugier, Begeisterungsfähigkeit und ihrem Glauben an die eigene Kraft leiten zu lassen, ihre Begabungen zu entdecken und Kompetenzen zu leben.

Prof. Dr. Gerald Hüther, Neurobiologe meint: „Wer sein Gehirn nicht zu einer Kümmerversion dessen machen will, was daraus hätte werden können, der muss seine kindliche Begeisterungsfähigkeit zurückgewinnen. Wenn Kinder und Jugendliche wieder erleben könnten, dass sie nicht ständig wie Objekte belehrt, gemaßregelt, beschult und erzogen werden, sondern, dass sie beachtet und wertgeschätzt werden, wenn ihnen zugetraut würde, Aufgaben zu übernehmen, die für das Leben wichtig sind, dann könnte sich jedes Kind und jeder Jugendliche als jemand erfahren, der mit seinen besonderen Talenten, mit seinen erworbenen Fähigkeiten und seinem bisher angeeigneten Wissen in einer besonderen Weise zum Gelingen von etwas beiträgt, was nur in einer gemeinsamen Anstrengung gelingen kann.“

Im Flow sein

Kreativität leben bedeutet auch den Moment leben, präsent sein, sich mit dem Augenblick verbinden, sich völlig hingeben.

Der Psychologe S. Warwitz hat sich mit dem Flow-Erleben befasst und meint dazu: „Das Urbild des Menschen im Flow ist das spielende Kind, das sich im glückseligen Zustand des Bei-sich-Seins befindet.“

Was kann das Flow-Erleben anderes sein, als ein Moment des Glücks, in welchem das Kind aufgeht? Es ist frei von innerem und äußerem Druck und kann seinem Innersten Ausdruck verleihen und schöpferisch wirken.

Flow ist keine Technik, die man erlernen kann, sondern ein Zustand, in dem alle Blockaden, Ängste und Erwartungen losgelassen werden.

Wäre es nicht schön, wenn sich unsere Kinder diesen Zustand möglichst lange bewahren können und vielleicht sogar ins Erwachsenenleben  mit hinein nehmen könnten? Ist es nicht der Wunsch aller Eltern, dass ihre Kinder glücklich sind?

Eckhart Tolle ist ein bedeutender Weisheitslehrer der Gegenwart. Er ist der Meinung, dass unser Verstand stets versucht das Jetzt zu leugnen und davor zu flüchten. Sein Rat für ein glückliches Leben: „Werde dir im tiefsten Inneren bewusst, dass der gegenwärtige Augenblick alles ist, was du je haben wirst. Mach das Jetzt zum Brennpunkt deines Lebens. Sag immer Ja zum gegenwärtigen Augenblick.“

Kleine Kinder sind wahre Meister im Leben des gegenwärtigen Augenblicks.

Wie fördere ich im Alltag Kreativität?

Neben einem beschützenden Raum, in dem sich das Kind getragen und unterstützt fühlt, kann ich auch im Außen Anregungen für kreatives Gestalten schaffen.

Dazu gehören Spielsachen und Materialien mit denen das Kind fantasievoll spielen kann. Das bedeutet wenig zweckgebundenes Spielzeug, sondern lieber Bauklötze, Plastikbecher, Decken, Kissen,Tücher, Schachteln bereitstellen.

kind spielt mit ton klein

Diese Dinge können sehr vielseitig verwendet und bei Bedarf immer wieder umfunktioniert werden.

Decken und Tücher können Kinder z.B. zum Zudecken, für Versteckspiele, als Tisch- und Picknickdecke, zum Verkleiden und vieles mehr verwenden. 

Vielleicht sind Sie auch bereit, Ihrem Kind zu erlauben Gegenstände aus dem Haushalt, wie z.B. Töpfe, Kochlöffel, Tupperware oder Knöpfe zu verwenden? Ermutigen Sie Ihr Kind, Neues auszuprobieren und andere Wege zu gehen.

Außerhalb der Wohnung fördert das Spielen mit Sand, Steinen, Stöckchen, Blättern, Blumen, Wasser die Kreativität.

Staunen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind über die Natur! Beobachten Sie einen kleinen Käfer, untersuchen Sie eine Blume. Entdecken Sie das Wunderbare in der Natur: einen Regenbogen, Schmetterling, Raureif oder Tautropfen auf einem Grashalm. Ermutigen Sie Ihr Kind, seine Umgebung und Phänomene zu hinterfragen. Was entsteht aus Wasser, wenn ich es in den Gefrierschrank stelle? Warum schwimmt Holz auf dem Wasser, aber ein Stein nicht?

Bieten Sie Ihrem Kind die Möglichkeit sich zu verkleiden, Rollenspiele zu spielen, alleine oder mit Freunden.

Beim Vorlesen können Sie Ihr Kind fragen, was es über die Geschichte denkt. Ermutigen Sie es, ein anderes Ende zu erfinden. Vielleicht wollen Sie sich eine Geschichte zusammen ausdenken?

Halten Sie Buntstifte, Wasserfarben, Knete, Papier und Schere bereit. Die entstandenen Kunstwerke können sie ausstellen oder aufhängen, vielleicht freut sich auch die Oma über ein selbstgebasteltes Geschenk?

Spielen Sie Brettspiele mit ihrem Kind und erlauben Sie ihm sich immer wieder neue Regeln auszudenken.

Freuen Sie sich mit Ihrem Kind an Musik und Tönen. Lassen Sie Ihr Kind verschiedene Instrumente ausprobieren oder aus Alltagsgegenständen Töne entlocken. Singen und tanzen Sie mit Ihrem Kind. 

Lassen Sie ihr Kind kleine Tätigkeiten im Haushalt übernehmen. Vielleicht möchte es sich beim Staubsaugen ausprobieren, den Garten gießen, Schmutzwäsche nach Farben sortieren, den Tisch decken oder beim Kochen helfen?

Trauen Sie ihrem Kind etwas zu! Stehen Sie ihm zur Seite, aber trauen Sie ihm zu selbst Lösungen zu finden!

Beantworten Sie geduldig die neugierigen Fragen ihres Kindes! Ihr Kind entdeckt und erforscht gerade die Welt. Unterstützen Sie es dabei, damit es interessiert und neugierig bleiben kann.

Lassen Sie ihr Kind an ihren Gedanken teilhaben, beziehen Sie es mit ein, wenn es Interesse hat. Ein Kind will nicht nur bespaßt werden. Es möchte ernst genommen werden, dazu gehören und hilfreich sein!

Überfrachten Sie den Tag nicht! Kreativität kann schlecht zwischen zwei Terminen entstehen. Sie braucht Zeit und Muße um sich entfalten zu können.

Kritik und Verbesserungsvorschläge sind fehl am Platz. Sie würden das Vertrauen des Kindes in seine eigenen Fähigkeiten verringern oder mit der Zeit sogar ganz zerstören.

Sogar zu viel Lob könnte kontraproduktiv sein. Das bedeutet aber nicht seine Wertschätzung und Freude am Dasein und „Sosein“ des Kindes nicht zu zeigen.

Bei gezieltem Lob besteht allerdings die Gefahr, dass Kinder Dinge tun um gelobt zu werden und nicht, weil sie sich dafür interessieren und Freude an der Tätigkeit haben. Sie könnten dabei verlernen auf ihre Intuition zu hören und somit die intrinsische Motivation verlieren. Sie würden möglicherweise später als Erwachsene auf das Lob anderer Menschen angewiesen sein, weil sie verlernt haben, die eigene innere Stimme zu hören, ihr zu vertrauen und auch den Zugang zu ihrer inneren Freude verlieren.

Dr. Chuck Spezzano, Psychologe und Begründer der Psychologie der Vision glaubt, dass Kreativität ein Akt der Liebe ist, der Herz und Geist öffnet: „Schöpferische Tätigkeit entsteht aus dem tiefen Verlangen des Herzens etwas zu bewirken und uns darin selbst zu geben.“

Erlauben wir unseren Kindern ihre Kreativität zu leben, ihr zu vertrauen, um sie ins Erwachsenenleben mitnehmen zu können. Es wird unserer Welt gut tun, wenn sich immer mehr Menschen trauen aus dieser Kraft heraus zu leben, sich nicht gegenseitig als Konkurrenten betrachten, sondern dieser inneren Kraft vertrauen, ihr Herz und ihren Geist offen halten und Erfüllung und Glück im Leben finden.

Autor: Karla Wachsmann
Thema: Was fördert Kreativität bei Kindern?
Webseite: https://www.psychotherapie-wachsmann.de

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