Entspannung zum einschlafen

05. Juli 2019 - Persönlichkeitsentwicklung

Wohl fast jeder von uns kennt das: die Zeit bis zum Weckerklingeln verkürzt sich mit jeder dahintickenden Sekunde, die Müdigkeit steckt im ganzen Körper, die Gedanken drehen sich wie wild um wichtige und unwichtige Themen, man sucht ihn verzweifelt, doch er ist scheinbar nicht zu finden – der erlösende Schlaf!

viele-wecker-einschlafen

Wenn das ab und an geschieht, lässt sich der fehlende Schlaf in einer der folgenden Nächte gut ausgleichen. Was aber, wenn es sich Abend für Abend wiederholt? Wenn die Müdigkeit tagsüber schon beginnt, Probleme zu machen?

Wissenschaftler, u. a. des Karolinska Instituts Stockholm und der Berliner Charité, fanden heraus, dass Schlafmangel, man spricht hier von weniger als 42 Stunden Schlaf in der Woche, ein bedeutendes Gesundheitsrisiko darstellt. Auch wenn weiterführende Studien zu diesem Thema noch zu erwarten sind, so leuchtet es doch ein, dass unsere Lebensqualität in vielerlei Hinsicht darunter leidet, wenn es am erholsamen Nachtschlaf fehlt.

Was also tun, angesichts der Tatsache, dass jede durchwachte Stunde das Problem weiter verschärft?

Tipps finden sich zuhauf, doch leider scheinen sie bei den wenigsten Betroffenen zu funktionieren.

Wozu dann noch dieser Artikel?

Ich möchte Sie einladen, sich dem Thema von einer ganz anderen Seite zuzuwenden.

Wenn es so wenig hilfreich ist, etwas zu tun, um einzuschlafen, könnte es dann nicht sein, dass die Lösung eben gerade im Nicht-Tun besteht, im Geschehenlassen?

Da jedes Kind über die Fähigkeit verfügt, einzuschlafen, sollte es doch buchstäblich kinderleicht sein, nicht wahr? Sie erinnern sich vielleicht bei dieser Gelegenheit daran, wie Sie es in diesen vergangenen Zeiten mitunter zu verhindern suchten, es störten, das In-den-Schlaf-versinken, sich wach hielten, weil Sie etwas nicht verpassen mochten. Wie schwierig das damals war, nicht einzuschlafen!

Und genau das führt uns zu einem aus meiner Sicht maßgebenden Aspekt: das komplexe Zusammenspiel aus Körper und Psyche, das unser Herz schlagen lässt, uns erlaubt Sinneseindrücke wahrzunehmen, Wunden heilt, Nahrung verdaut und so vieles mehr, das kümmert sich auch ums Aufwachen und Einschlafen.

So weit, so gut. Aber warum funktioniert das so offensichtlich mal gut und mal weniger?

Ich möchte Sie mitnehmen zu einem kleinen Exkurs in die simple Welt der Strichmännchen, um Ihnen diesen komplexen Zusammenhang auf eine sehr stark auf das Wesentliche reduzierte und modellhafte Weise zu zeigen.

alles gut zeichnung

Die Grafik zeigt ein entspanntes, gelassenes Strichmännchen. Offensichtlich gibt es hier nichts Störendes. Alles gut. So sollte es in unserem Leben der Normalfall sein.

gefahr strichmaennchen

Dieses Strichmännchen befindet sich in Gefahr. Das Monster bedroht sein Leben! Jetzt sind Verdauung, Wundheilung etc. nicht wichtig. Körper und Psyche mobilisieren alle möglichen Ressourcen für die Rettungsaktion. Herzschlag, Stoffwechsel, Muskelaktivität, ja sogar die Wahrnehmungen der Sinne werden jetzt einzig auf diesen Zweck abgestimmt. Um kein Überlebensrisiko einzugehen, schaltet sich eine Art Autopilot ein, der den bewussten Willen des Strichmännchens nahezu überlagert. Es wäre ja auch fatal, wenn sich Strichmännchen jetzt erst mal entscheiden würde was er gelegentlich mit dem Monster machen will. 

Stellen wir uns nun vor, unser Strichmännchen ist dem Monster entwischt. Wenn es Ihnen lieber ist, könnte es das Monster auch ganz tapfer mit etwas Gebrüll in die Flucht geschlagen haben. Wie dem auch sei, es befindet sich nun wieder in Sicherheit. Was geschieht? Richtig, es geht wieder zum Normalfall über, wie in der ersten Zeichnung zu sehen. Wie macht es das? Genau genommen, macht es eben gar nichts, sondern der Autopilot wird nicht mehr benötigt und geht automatisch auf Standby. Nun kann das Strichmännchen wieder bewusst sein Leben gestalten und tun, was auch immer Strichmännchen so machen.

Glücklicherweise begegnen uns Monster im wirklichen Leben eher selten. Dafür haben wir aber zum Beispiel den bissigen Dackel des Nachbarn, den Chef, für den wir die Präsentation vorbereiten sollen, den Kredit, von dem wir nicht wissen, wie wir ihn abzahlen können, den arroganten Porschefahrer, der uns die Vorfahrt nimmt – also jede Menge Alltagsmonster. Sie könnten diese Aufzählung sicher bis ins Unendliche fortführen.

Freilich bedeuten diese Alltagsmonster, bis auf ganz wenige Ausnahmen, keine Lebensgefahr. Die meisten davon sind, nüchtern betrachtet, sogar völlig harmlos.

Dennoch bewerten wir sie – unbewusst und automatisch – als mehr oder weniger gefährlich, ganz egal, ob sie sich tatsächlich in Reichweite befinden oder in unserer Vorstellung, unseren Gedanken.

Und so kommt es, dass sich unser Körper-Psyche System, meist sogar ohne dass wir das bemerken, auf die Abwehr unserer Alltagsmonster einstellt - es schaltet unseren Autopiloten immer und immer wieder ein. Schließlich geht es ja, streng genommen, auch für uns ums Überleben.

Konkret gesagt, so lange etwas Bedrohliches, ob real oder in der Vorstellungskraft gegenwärtig ist, reserviert das System einen Teil seiner Ressourcen für das Überleben. Es kann nicht unterscheiden zwischen wirklichen und „eingebildeten“ Monstern und schaltet uns einfach in Kampf-oder-Flucht-Bereitschaft, bis auch der letzte Hauch von Gefahr außer Reichweite ist. Dafür hält es z.B. Muskeln unter Spannung, erhöht den Blutdruck und sorgt für wache Aufmerksamkeit der Sinne.

Wenn nämlich eine Gefahr besteht, wäre das für Schlaf ein mehr als ungünstiger Zeitpunkt. Nun wird sicher klar, worauf ich mit meinem Exkurs zu den Strichmännchen hinaus will: es sind unsere (gedanklichen!) Alltagsmonster, die uns nicht einschlafen lassen. Genau genommen, ist es der Autopiloten-Modus, der sich aktiviert, sobald auch nur die kleinste Wahrnehmung eines solchen um die hinterste Ecke unserer Wahrnehmung schielt.

Manche Ratgeber empfehlen deshalb, sich mit seinen Gedanken auseinanderzusetzen. Man kann sich zum Beispiel klar machen, dass das Nachdenken über anstehende Aufgaben in diesem Moment völlig unnütz ist, da man ja erst am nächsten Tag, oder noch später, deren tatsächliches Ausmaß erkennen kann und auch erst dann wirklich etwas bewirken kann.

Auch das Durchspielen der schlimmsten denkbaren Variante, um sich zu überzeugen, dass alles zu bewältigen ist, wird manchmal empfohlen. All das verursacht aber, dass man noch länger bei den Gedanken verharrt, die wiederum den Schlaf verhindern.

Wer schon einmal versucht hat, gegen seine Gedanken anzukämpfen, wird sicher herausgefunden haben, dass er sich damit noch stärker an ihnen fixiert. Frei nach dem Motto: „Denken Sie nicht an einen lila Elefanten!“ – sofort erscheint ein solcher Dickhäuter rüsselschwenkend vor Ihrem inneren Auge. Um etwas zu vermeiden, benötigen Sie nämlich erst einmal eine Vorstellung von dem, was Sie vermeiden wollen. Und so verbindet sich Gedanke um Gedanke zu einer nicht enden wollenden Kette von Bildern und Assoziationen, in deren Sog die Aufmerksamkeit versinkt, wie in einem Morast, der einen immer tiefer hineinzieht, je mehr man versucht, herauszukommen.

Was ist also die Alternative? Wenn die anspannende Abwehr nicht zum Ziel führt, bietet sich im Gegenteil das entspannende Erlauben an. Wenn ich nämlich ganz entspannt bei mir bin, haben die Gedanken, mit und ohne Monster, Sendepause. Der Autopilot bleibt auf Standby und es gibt keinen Grund, den Schlaf zu verhindern.

Leider liegt hier eine nicht zu unterschätzende „Schwierigkeit“ – wir sind es nämlich schlichtweg nicht gewohnt, loszulassen. Es ist vollkommen befremdlich, zu betrachten, wie die Dinge geschehen, ohne darin einzugreifen. Aber genau das, eben dieses gelöste, gelassene Zuschauen, wie der Atem von selbst fließt und dabei immer gleichmäßiger und tiefer wird, wie Muskel für Muskel sich löst, wie dieses wundervolle Gefühl von Stille die Sinne ausfüllt, lässt uns die ersehnte Ruhe finden. Eben nicht, weil wir sie suchen, sondern gerade weil wir es ihr erlauben, sich einzustellen. Genau genommen, wird sie, die permanent vorhanden ist, einfach nur spürbar, greifbar, erfahrbar.

Wir sind es eben nicht gewohnt, einfach nur zu sein, ohne zu tun. Das macht es zu einer Herausforderung. Und Herausforderungen sind wir wiederum gewohnt, mit tun zu bewältigen, da beißt sich der Hund in den Schwanz!

So kann das also nicht gelingen. Hier gilt es, sich zurückzulehnen, zu spüren, der Erfahrung zu erlauben, sich einzustellen. Einer vielleicht ganz neuen und doch zutiefst ursprünglichen Erfahrung – Entspannung, die ganz von selbst geschieht, wann immer wir ihr in uns Raum geben. Und breitet sie sich erst einmal in unserer Wahrnehmung aus, brauchen wir es uns nur noch unter der Bettdecke bequem zu machen und zuzuschauen, wie sie uns in sanfte Träume trägt.

Ja, so einfach kann das sein.

Und weil die Entspannung uns nicht nur den gesunden Schlaf ermöglicht, sondern den Alltag in tausenderlei Weise erleichtert, unsere natürlichen Selbstheilungskräfte aktiviert, uns zufriedener und darüber hinaus sogar erfolgreicher macht, wird es immer populärer, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.

Und weil das Entspannen eine natürliche Fähigkeit ist, über die jeder von uns jederzeit verfügen kann, ist es kein Ding der Unmöglichkeit – und schon gar nicht anstrengend – sich wieder an sie zu gewöhnen. Mancher braucht vielleicht ein wenig Anleitung, wieder darauf zuzugreifen, wenn der entspannte Zustand allzu fremd geworden ist. Vielleicht gelingt es mir, Sie an dieser Stelle zu ermutigen, es auszuprobieren. Ganz sicher kann man Ihnen in einer gutsortierten Buchhandlung etwas empfehlen. Dort gibt es nicht nur Lesestoff zum Thema, sondern meist auch CD’s mit gesprochenen Anleitungen. Viele Therapeuten und Heilpraktiker bieten mittlerweile ebenfalls Hilfestellung und Begleitung an, die sich natürlich ganz individuell den Bedürfnissen des Entspannungssuchenden anpassen lassen. Sie verfügen meist auch über ausreichend Erfahrung mit Entspannungstechniken, um die am besten geeignete herauszufinden und anzuleiten.

Keine Frage, unser Alltag wird uns immer und immer wieder in Anspannung versetzen. Das lässt sich nicht verhindern. Wir können diese Anspannung aber mit Achtsamkeit bemerken und uns aus ihr heraus in Gelassenheit entspannen. Nicht nur, um den Schlaf zu finden, den wir brauchen.

Autor: Sabine Schmidt-Weidner
Thema: Entspannung zum einschlafen
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