Stressbedingte körperliche und psychische Symptome

16. November 2015 - Gesundheit

Stress: Unser alltäglicher Begleiter

Evolutionsbiologisch betrachtet ist Stress ein genetisches Programm, welches uns Menschen hilft, Gefahrensituationen zu überleben:

Auf einen Bedrohungsreiz (dem so genannten Stressor) reagiert das Programm mit der Ausschüttung von Stresshormonen und befähigt uns so innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde zu einer blitzschnellen Kampf- oder Fluchtreaktion.

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In heutiger Zeit geht es für uns Menschen seltener um die Bewältigung lebensbedrohlicher Gefahrensituationen. Vielmehr sehen wir uns mit einer komplexen Welt konfrontiert, die Stress zu unserem ständigen Begleiter in unserem Gleichgewicht macht: Flexibilität, Arbeitsspitzen, schwelende Konflikte usw. setzen uns immer wieder unter Stress. Das ist jedoch so lange kein Problem, wie auf eine Phase der Anspannung eine Phase der Entspannung folgt. Denn so bleibt unser Organismus im Gleichgewicht, das heißt, in der für ihn erforderlichen biologischen Homöostase. Auf die richtige Balance kommt es also an.

Behandelte Themen in diesem Artikel:

- Stress-Frühwarnsystem
- Stresssymptome
- Stressanfälligkeit
- Alltags- und Berufsstress

Unser Stress-Frühwarnsystem: Wie es funktioniert

Folgt auf eine Anspannungsphase jedoch keine hinreichende Entspannung, so verharren wir im Stress und geraten womöglich gar unter Dauerstress. Und damit kommt unser Organismus in Dysbalance: Körper und Geist verbleiben in biologischer Daueraktivierung. Die nicht abgeführten Stressenergien richten sich gegen uns selbst und schaden unserem Organismus. Damit das nicht so weit kommt, sondern der Mensch rechtzeitig gegensteuern kann, verfügen wir über eine Art Stress-Frühwarnsystem: Auf einen als Stressor bewerteten Reiz folgt eine biochemische Stressreaktion, die, in wenigen Worten vereinfacht formuliert, wie folgt abläuft:

Über unsere Sinnesorgane erhält unser Gehirn beständig äußere und innere Reize. Das Gehirn verknüpft diese Reize mit unseren Erfahrungen, Einstellungen, Erwartungen und daraus resultierenden Bewertungen sowie Verhaltensimpulsen und stellt das Ganze unserem Bewusstsein als kompakte Situation zur Verfügung. Unser Verstand kann dann planvoll und angemessen darauf reagieren. So verläuft es zumindest, wenn der unbewusste Bewertungsprozess in der Art verläuft, dass wir uns der wahrgenommenen Situation gewachsen fühlen oder uns vielleicht gar auf sie freuen. Fällt die Bewertung jedoch negativ aus, in dem Sinne, dass dem Bewusstsein eine mögliche Bedrohung, Belastung, Überforderung angekündigt wird, dann erfolgt noch „vor Zustellung der Nachricht“ an das Bewusstsein ein biochemischer Prozess, der Körper und Geist in Alarm versetzt. Statt planvollem Nachdenken, was angesichts der Situation zu tun sei, ist spontanes Handeln im Sinne von „Rette sich, wer kann“ vorprogrammiert.

An diesem Frühwarnsystem sind das Zentrale Nervensystem, das Vegetative Nervensystem und das Endokrine System beteiligt. Das Zentrale Nervensystem umfasst Gehirn und Rückenmark. Es regelt den Ablauf aller Körperfunktionen, welche wiederum über das endokrine System durch das Zusammenspiel zahlreicher Hormone gesteuert wird. Das Vegetative Nervensystem teilt sich auf in den Sympathikusnerv, der für Leistungssteigerung, Kampf- und Fluchtverhalten zuständig ist, und in den Parasympathikus, der für Regeneration zuständig ist.

In dem Fall, dass das Zentrale Nervensystem einen wahrgenommenen Reiz als Stressor bewertet, wird unmittelbar der Sympathikus aktiviert, welcher nicht nur die peripheren Organe aktiviert, sondern gleichzeitig den vermehrten Ausstoß von Stresshormonen in Gang setzt, allen voran das Adrenalin und das Cortisol. Diese Stressreaktion steigert die Herzfrequenz und beeinflusst den Blutdruck, erhöht den Blutzuckerwert, beschleunigt die Atmung, aktiviert das Immunsystem und versorgt die Muskeln mit einem Mehr an Nährstoffen. Unser Organismus ist vorbereitet, sich der Gefahrensituation zu stellen.

Nach Bewältigung der Stresssituation kommt autonom der Parasympathikus zum Zuge. Der Parasympathikus wird auch als der „Ruhenerv“ bezeichnet, denn er sorgt dafür, dass die Ausschüttung der Stresshormone über die Sympathikus-Achse zurückgeht. Der Körper befindet sich im „Schongang“ und kann Ruhe und Erholung von der Belastung finden.

Soweit ist Stress für den Organismus also gar kein Problem. Im Gegenteil: Wir brauchen die Stressreaktion zum Überleben. Und Spitzenleistungen sind ohne sie kaum möglich. Zudem suchen wir des Öfteren von uns selbst aus den „Adrenalinkick“, indem wir etwas Spannendes oder Herausforderndes gezielt aufsuchen, etwa um der Langeweile zu entgehen oder einfach, um Spaß zu haben.

Stresssymptome: Die Sprache unseres Stress-Frühwarnsystems

Die biochemische Reaktion unseres Stress-Frühwarnsystems auf einen vom Gehirn als Stress bewerteten Reiz geht mit einer Vielzahl an körperlichen und psychischen Anzeichen einher, den so genannten Stresssymptomen. Die in Bruchteilen von Sekunden ablaufende biochemische Stressreaktion selbst ist für uns Menschen nicht wahrnehmbar. Die auf die Stressreaktion folgenden Symptome allerdings schon. Die Symptome weisen uns quasi darauf hin, dass es da aktuell eine Situation gibt, die es (immer noch) zu bewältigen gilt. Sie signalisieren uns, dass wir Gefahr laufen, in eine Dysbalance zu geraten bzw. dass wir bereits in Dysbalance sind.

Stresssymptome treten auf vier Ebenen unseres Organismus auf: der geistlich-gedanklichen (kognitiven) , der emotionalen, der des vegetativen Nervensystems und der unserer Skelettmuskulatur. Auf jeder Ebene können unabhängig voneinander unterschiedlich starke Symptome auftreten. Auch können sich die Ebenen untereinander gegenseitig beeinflussen und sich in einer Art Aufschaukelungsprozess sogar wechselseitig verstärken.

Unser unbewusstes Stress-Frühwarnsystem „spricht“ quasi über die von ihm ausgelösten Symptome mit unserem bewussten Verstand. Über die Symptome wird der Verstand aufgefordert, sich um eine Problemlösung, um ein adäquates Stressmanagement oder um eine verbesserte Selbstfürsorge zu kümmern. Missachten wir die Sprache unseres Frühwarnsystems, hat das letztlich Folgen für unsere Gesundheit: Die gesundheitliche Beeinträchtigung durch die Stresssymptome verstärken unsere bereits bestehenden Probleme, belasten zusätzlich unsere Lebensqualität und Lebensfreude. Mehr noch: Dauerstress gilt als Risikofaktor für die Entstehung vielfältiger körperlicher und / oder psychischer Erkrankungen!

Die folgende Tabelle führt einige der häufigsten Stresssymptome auf den vier Ebenen auf, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Denn Stresssymptome treten in Art und Intensität sehr individuell und vielfältig auf.

stressbedingte koerperliche psychische symptome

Die kognitive Ebene umfasst all unsere geistig-gedanklichen Vorgänge. In Belastungssituationen ist unsere Wahrnehmung häufig einseitig auf äußere und innere Reize fokussiert, die für die stressauslösende Situation bedeutsam ist. Negativ verstärkt wird dieser Prozess durch gedankliche Bewertungen wie z.B. „Das geht bestimmt schief, „Das schaffe ich niemals“.

Die emotionale Ebene ist der Bereich unserer Gefühle und psychischen Befindlichkeiten. In Belastungssituationen werden vor allem die Gefühle aktiviert, die mit Flucht (z.B. Angst, Unruhe) oder mit Angriff (z.B. Ärger, Aggression) zu tun haben.

Die vegetative Ebene umfasst sowohl das vegetative Nervensystem als auch alle daran angeschlossenen Organe. Über die Aktivierung des Sympathikus wird der Organismus aktiviert. In Folge rast das Herz, oder Magen- und Darm reagieren über, häufig ist der Schlaf gestört und die kognitive Ebene füllt die nächtlichen Wachphasen nicht selten mit Gedankenkreisen.

Die muskuläre Ebene betrifft unsere gesamte Skelettmuskulatur, welche durch die vermehrte Energiezufuhr in eine höhere Anspannung versetzt wird, um für Flucht oder Angriff optimal vorbereitet zu sein. Wird diese überschüssige Energie eben nicht durch diese Verhaltensimpulse abgeführt, weil Kampf oder Flucht eher selten eine Lösung sind, dann verbleibt die Energie im Körper und macht sich z.B. durch Zittern, nervöse Zuckungen oder Verspannungen bis hin zu heftigen Spannungsschmerzen bemerkbar.

Stressanfälligkeit: So individuell wie der Mensch selbst

Uns allen ist Stress, also die Energiemobilisation in unangenehmen oder bedrohlichen Situationen, angeboren.

Und doch unterscheiden wir uns untereinander sehr in unserer Stressanfälligkeit. Manch einen lässt eine Situation ganz entspannt, auf die ein anderer mit Stress reagiert.

Dieser Unterschied liegt wesentlich in der individuellen Bewertung einer wahrgenommenen Situation begründet. Was der eine als Herausforderung bewertet (positive Bewertung), bewertet ein anderer als irrelevant (neutrale Bewertung) und der nächste womöglich als Belastung (negative Bewertung). Wie die folgende Tabelle zeigt, nehmen eine Reihe von Faktoren Einfluss auf die individuelle Bewertung.

stressanfaelligkeit uebersicht

Bewertet eine Person subjektiv eine jeweilige Situation für sich als positiv oder neutral, dann erfolgt in ihrem Organismus keine biochemische Stressreaktion und damit entstehen auch keine Stresssymptome. Bei einer Bewertung als negativ kommt es darauf an, ob die Person glaubt, der Situation gewachsen zu sein (Herausforderung) oder ihr nicht gewachsen zu sein (Überforderung). Im Falle der Bewertung als Herausforderung kommt es zu einer moderaten Ausschüttung an Stresshormonen. Diese Form der Energiemobilisation wird als positiver Stress bezeichnet. Wir fühlen uns voller Energie, Aufgaben gehen wir mit Elan an, wir sind gar zu Höchstleistungen fähig. Anders im Falle der Bewertung als Überforderung: Hier kommt es zu einer starken Energiemobilisation mit entsprechenden Stresssymptomen, die ihrerseits wieder zur Belastung werden. Ein Teufelskreis entsteht.

Stress: Damit Alltags- und Berufsstress uns nicht krank machen

Nur ein Übermaß an Stress macht krank!

Wenn wir auf unser Stress-Frühwarnsystem hören und rechtzeitig gegensteuern mit Maßnahmen, mit denen wir unseren Parasympathikus im Zentralen Nervensystem aktivieren können, bleiben wir in der für uns so wichtigen Balance. Zu diesen Maßnahmen gehören ausreichende Zeiten, in denen wir „abschalten“ können von privaten und / oder beruflichen Aufgaben und Anforderungen. Z.B. durch regelmäßigen Freizeitsport, durch Entspannungsübungen, durch Hobbies und durch das Pflegen guter zwischenmenschlicher Beziehungen.

Bei Personen mit hoher Stressanfälligkeit oder mit so genanntem Typ-A-Verhaltensmuster (eine Art Kombination aus hohem Leistungsstreben, Perfektionismus, Ärgerneigung, Ungeduld und Konkurrenzdenken) greifen diese Maßnahmen in der Regel jedoch zu kurz.

Diesem Personenkreis ist angeraten, an seinem Stressmanagement zu arbeiten und sich dabei von Fachleuten, z.B. Psychologen, unterstützen zu lassen.

Denn: Auch wenn der Stressanfällige unter seinen Stresssymptomen leidet und die Person mit Typ-A-Verhalten ihr Stress-Frühwarnsystem verdrängt, die Symptome also ausblendet: Bei beiden ist das Erregungsniveau generell erhöht. Ihr Organismus reagiert zu häufig, zu intensiv, zu andauernd und zu schnell mit der Ausschüttung von Stresshormonen. Die Betroffenen stehen daher häufig unter Hochspannung. Und Hochspannung ist letztlich ein ausgewiesener Risikofaktor für die Entstehung und den Verlauf von Krankheiten, die mit Stress in Zusammenhang gebracht werden, u.a. koronare Herzerkrankungen, chronische Rückenschmerzen, Angststörungen oder Depressionen. Auch Burnout zählt dazu. Burnout ist im eigentlichen Sinne jedoch keine Erkrankung, sondern beschreibt den allmählichen Erschöpfungsprozess meist hoch engagierter Menschen, die zu lange in ihren Tätigkeiten hochtourig fahren und sich dabei erschöpfen.

Und dann gibt es noch den Kreis der partiell gestressten Personen. Ob Prüfung, Präsentation, Bewerbungsgespräch: Es gibt spezifische Situationen, die bei den Betroffenen eine ganze Reihe an Stresssymptomen massiv hervorrufen. Das macht zwar nicht krank, da nach Bewältigung der Situation meist schnell wieder Entspannung eintritt. Davon betroffen zu sein, kann aber unter Umständen sehr lästig und behindernd sein. Wer an spezifischen Stressauslösern für sich arbeiten möchte, findet durchaus hilfreiche Unterstützung über gute Selbsthilfebücher, fachspezifische Seminare oder auch im Einzelcoaching.

In diesem Sinne:

Stresssymptome sind hilfreiche körperliche und psychische Warnsignale vor Überforderung. Hören Sie darauf. Nehmen Sie eine Kurskorrektur vor. Denn nur so kommen Sie wieder in die richtige Balance!

Autor: Dr. Bettina Brunk
Thema: Stressbedingte Symptome
Webseite: http://privatpraxis-brunk.de

Parasympathikus

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