Hypnose oder Hypnotherapie, wer diese Worte hört, dem läuft ein Schauer über den Rücken oder er bekommt rote Wangen vor Aufregung. Begriffe die hohe Erwartungen, aber auch tiefste Urängste auslösen können.
Die Selbstkontrolle aufgeben und sich auf Gedeih und Verderb einem Hypnotiseur ausliefern?
In Ekstase fallen und sich einfach durch ein paar Worte des Therapeuten an das Unterbewusste von all seinen Problemen befreien lassen?
Dem interessierten Laien ist Hypnose zuallererst von der Bühne her bekannt. Der Hypnotiseur, der hier als okkulter Magier auftritt, spielt durch die Allmacht über seine Opfer mit der Faszination des Publikums. Aus den Zeiten des Mesmerismus (nach Franz Anton Mesmer 1734-1815) ist die Hypnose auch als Massenveranstaltung bekannt. Hunderte von Probanden scharten sich, lechzend nach der heilenden Wirkung des „animalischen Magnetismus“ um ein Holzfass aus dem Eisenstangen ragten. Durch das Berühren dieser unter Trance sollte die Energie des magnetisierten Wassers den Heil- ungsprozess in Gang setzen.
Der renommierten Mediziner, Martin Charcot (1825-1893), verfolgte bei seinen psychiatrischen Studien das ehrgeizige Ziel, mittels Hypnose hysterische Anfälle auszulösen um diese dann untersuchen zu können. Und wie es auch zu unserer Zeit noch manchmal praktiziert wird, war eine solche „Forschungsarbeit“ Grundlage dafür, in den Olymp der medizinischen Experten aufzusteigen. In Charcots Fall war dies die Position des berühmtesten Neurologen des ausgehenden 19. Jahrhundert.
Noch heute kämpft die Hypnotherapie um Anerkennung, die ihr wegen eines bärtigen, zornigen Mannes vor über 70 Jahren abgesprochen wurde. Es war die Zeit, als die Freundschaft zweier Männer, des besagten bärtigen, zornigen Mannes und einem Hypnosetherapeuten, in die Brüche ging. Der zornige Mann verteufelte nicht nur seinen ehemaligen Freund, sondern mit ihm auch die ganze Hypnosetherapie. Manchmal ist es doch so einfach, einer Methode ihre wissenschaftlichen Grundlage zu entziehen.
Und wie schon einmal kurz vorher in der Geschichte, gerieten Hypnose sowie Hypnotherapie abermals in Verruf und der bärtige, zornige Mann wurde zum berühmtesten Psychotherapeuten des 20. Jahrhunderts (Sigmund Freud 1856- 1939).
Man fragt sich jetzt also, wie es der Hypnose doch noch einigermaßen gelungen ist, Anfang des 21 Jahrhunderts unter dem kleinen, versöhnlichen Beiwort „klinisch“ in Fachkreisen zwar keine Berühmtheit, zumindest aber Anerkennung zu erfahren.
Irgendwann kam ein anderer bärtiger, dafür weniger zorniger Mann zu der Erkenntnis, das es nicht unbedingt eines Übertherapeuten bedarf, der ein Stück seiner genialen intrapsychischen Konfliktbewältigungsstrategien abgibt, um Probleme zu bearbeiten. Er dachte so bei sich: jeder Mensch hat eigentlich schon die notwendigen Fähigkeiten um sein Problem selbst zu lösen. Es kommt halt nur manchmal vor, das jemand vergisst, dieses Wissen zu besitzen.
So begab sich dieser Mann auf die Suche nach so einem Wissen. Sein Name war Milton Erickson (1901-1980) und die Methode mit der er Ressourcen, wie er dieses verschollene Wissen nannte suchte, war die Hypnose. Wie aber unterscheidet sich die moderne Hypnotherapie von ihren Vorgängern oder gar der Bühnenhypnose?
Früher war sie eher von der Mystik gekennzeichnet. Der Hypnotiseur sprach mit tiefer Stimme, er gab direkte Aufforderungen und wiederholte ständig die Suggestionen mit allerlei magischem Beiwerk (Pendel, Kristallkugel, etc.). Mit dem neuen Therapieverfahren Hypnose hat dies freilich nicht mehr viel gemeinsam.
Vergleich klassische und moderne Hypnose
Klassische Hypnose
- direkte Suggestionen
- starrer Blick
- Wiederholungen
- autoritäre Befehle
- mystische Atmosphäre
- tiefe Stimme
Moderne Hypnose
- kooperativer Stil
- partnerschaftliches Gespräch
- indirekte Suggestionen
- Bilder, Metaphern
- Sanfte Stimme
Heute wird im partnerschaftlichen, freundlichen Stil gesprochen, der Therapeut verwendet bei der Hypnotherapie eher indirekte Suggestionen, er arbeitet viel mit Bildern, Metaphern und Symbolen. Er versucht die individuellen und einzigartigen Fähigkeiten des Patienten mit in die Trance einzubeziehen.
Erickson nannte dies Utilisation (engl. „nutzbar machen“) und machte sie zum zentralen Thema seiner Behandlung. Die moderne Hypnotherapie, als deren Urvater Erickson betrachtet werden kann, übernahm diese Prämisse. Jeder von uns verfügt demnach über eine Vielzahl von Ressourcen, von denen uns die meisten wahrscheinlich nicht bewusst sind. Auch Krankheiten und Störungen werden in diesem Zusammenhang in der Hypnotherapie als Ressourcen gesehen. Sie stellen einen Lösungsversuch des Organismus dar, der die Person vor einer dauerhaften Überforderung schützt. Ein überreiztes Nervensystem, wie z.B. bei einem Tinnitus, ist somit ein Versuch die betroffene Person vor den schädigenden Einflüssen seiner Umwelt abzuschirmen.
In der Hypnotherapie wird dieser Theorie Rechnung getragen und diese Dinge konsequent utilisiert. Dadurch ist es möglich, das Lösungspotential, das in den ursprünglich als Problem definierten Symptomen liegt, als Ressource zu nutzen. Der Patient kann sich einen vollkommen neuen Bedeutungsrahmen auf einer tiefen, unterbewussten Ebene erschließen.
Warum oder wie wirkt Hypnose?
Moderne Hypnose kann nach Erickson mit vier Worten beschrieben werden:
- Excitement (Aufregung)
- Experiment (Experiment)
- Experience (Erfahrung)
- Enjoyment (Spaß)
Sie findet im Kommunikationsprozess zwischen Patienten und Therapeuten statt. Individuelle Sprachmuster des Patienten werden berücksichtigt, so werden etwa Sinneseindrücke (riechen, schmecken, sehen) ebenfalls als Ressource in den Prozess mit einbezogen. Je mehr der Patient in seinem spezifischen Erleben bleiben kann, desto mehr vertieft sich die Trance.
Unter Hypnose sind auch tatsächlich viele Eindrücke intensiver als im Alltagsbewusstsein. Interventionen auf dieser Ebene sind deshalb besonders effektiv. Informationen oder therapeutische Interventionen werden in Trance einfach erfahrungsnäher verarbeitet. Unter Hypnose erreicht man eine Ebene des (Unter-) Bewusstseins, die direkter mit dem Organismus und mit konkreten Verhaltenssteuerungen verknüpft ist. Ein Brückenschlag vom Unterbewusstsein zum Bewusstsein wird somit möglich. Nicht der Therapeut heilt bei der Hypnotherapie in diesem Zusammenhang von einem Leiden, sondern das Unterbewusstsein des Patienten stellt die Mittel und Möglichkeiten (Ressourcen) hierzu zur Verfügung.
Der Kontakt zwischen Willkürlichkeit und Unwillkürlichkeit wird wieder hergestellt. Die gute Wirksamkeit der Hypnotherapie ist heute durch zahlreiche Studien nachgewiesen. Das Anwendungsgebiet reicht von Phobien, Verhaltensproblemen wie Rauchen, psychosomatische Störungen, bis hin zur Behandlung von Patienten mit chronischen Schmerzen.
Anwendungsgebiete der klinischen Hypnose und Hypnotherapie
- Psychosomatischen Störungen
(Migräne, Asthma, Heuschnupfen, Hautproblemen, Magenbeschwerden, Rückenbeschwerden, Verdauungs- störungen, Allergien, Atembeschwerden, Warzen)
- Chronischen Schmerzen
- Essstörungen, Übergewicht
- Angststörungen, Panikattacken, Zwänge
- Phobien (Flug-, Höhen-, Spinnenangst etc.)
- Redeangst, Erröten, Angst vor öffentlichen Auftritten
- Raucherentwöhnung
- Schuldgefühlen, Albträume
- Geburtsvorbereitung
- Sexuelle Störungen, Impotenz
- Leistungssteigerung (Sport, Beruf)
- Prüfungsangst, Lernstörungen
- Stress, Müdigkeit, Abgeschlagenheit, nervöser Anspannung
- Vorbereitung auf Operationen
- Zum mentalen Training
- Und viele andere mehr
Trotz der Erfolge konnte sich die klinische Hypnotherapie aber noch nicht so etablieren wie andere Verfahren, was häufig an den Vorurteilen und dem mangelnden Wissen einiger Fachleute liegt, die an dem Bild der Hypnose aus vergangenen Tagen festhalten. Moderne Hypnotherapie hat nichts mehr mit dem autoritären, stupiden Stil der klassischen Hypnose oder Bühnenhypnose zu tun. Sie ist in den vergangenen 50 Jahren zu einer hochwirksamen Therapiemethode avanciert, die mit ihrem zutiefst humanistischen Menschenbild beeindruckt.
Autor: Andreas Brandl
Thema: Hypnose, Hypnotherapie
Webseite: http://www.praxis-brandl.de
Andreas Brandl ist Heilpraktiker für Psychotherapie und in eigener Praxis tätig. Er arbeitet als freiberuflicher Dozent und Hypnosetherapeut in Nürnberg.