Meine Schüler halten mich für cringe, ich trauere den Freitagabenden hinterher, in denen ich mich um 23h fertig für die Disko machte und nicht wie heute um 21h den Pyjama anziehe: ja, ich habe eine Mitlifecrisis.

Das ist wohl häufig der Fall, hat man erstmal wieder ein Jahrzehnt beendet, macht man sich Gedanken, Gedanken über Vergangenheit und Zukunft, Gedanken über vertane Chancen und geschlossene Türen, Gedanken über neue Wege und Möglichkeiten, die sich auftun.
Ich versuche stets, meine Vergangenheit als das zu akzeptieren, was es ist: das, was mich zu dem gemacht hat, was ich bin, das, was mich stärker gemacht und Lektionen gelehrt hat.
Das ist einer dieser Sätze, den man gerne hört, wenn man Kind ist: Wenn du irgendwann älter bist...
Heute habe ich Angst vor diesem Satz. Dabei möchte ich um nichts in der Welt noch einmal 15 oder 25 sein - Eltern Rechenschaft ablegen müssen, wann man nach Hause kommt oder um Taschengeld bitten zu müssen, nicht zu wissen, mit wem man wo und wovon in 10 Jahren lebt, das möchte ich heute alles nicht mehr. 35 bleiben wäre super, aber eben unmöglich. Obwohl, wirklich?
Und sind wir doch mal ehrlich, die sprichwörtlich offenen Türen nach der Schule, sind sie für uns wirklich geschlossen?
Können wir Job, Wohnung und Partner wirklich nicht mehr frei wählen? Hindert uns eine Zahl daran, das zu tun, was wir wirklich wollen?
Was ich mir heute zum Geburtstag wünsche? Älter werden reicht.
Älter werden hatte als Kind nur eine völlig andere Bedeutung für mich als heute, man konnte den nächsten Geburtstag mit
Taschengelderhöhung und spätere Schlafenszeit kaum erwarten, und dann erst der 16. und endlich die Volljährigkeit...
Und irgendwann die Geburtstage, an denen man sich der vergangenen Zeiten bewusst wurde und irgendwann mehr der Vergangenheit nachtrauerte als sich auf die Zukunft zu freuen.
Warum eigentlich, möchte ich heute wirklich noch Hinkepinke spielen und Matheklausuren schreiben? Habe ich nicht lange dafür gekämpft, selbst entscheiden zu können, wann ich ins Bett gehe und ob ich noch das dritte Nutellabrot essen?
Was ist also eigentlich eine Mitlifecrisis? Sich seiner Vergangenheit bewusst zu sein, den schlechten und den guten Zeiten und sich selbst zu überprüfen, ob wir Türen geschlossen halten oder lieber öffnen wollen.
Und das scheint doch wirklich vernünftig, sollte man nicht nur einmal im Leben machen.
Ganz zu schweigen von Kollagenabbau, hängendem Gewebe und Falten (egal ob viel gelacht oder überwiegt vom Zorn) bedeutet älter werden eben viel mehr.
Und wenn die eine oder andere Tür doch zu ist, gibt es sicherlich ein offenes Fenster. Wir müssen nur hinschauen.
Autor: Anke Wachtendorf - Schülercoach, Lern- und Erziehungsberatung, Verlagsautorin
Thema: Midlifecrisis vs Midlifethinking
Webseite: http://www.schuelercoaching-wachtendorf.de