Eine seltene, aber bedeutende Erkrankung

Was sind junge Jahre? Darauf gibt es lediglich subjektive Antworten. Bei einer nicht repräsentativen Umfrage in meinem sozialem Umfeld kam auf die Frage, wie alt wohl jemand ist, der in jungen Jahren an Demenz erkrankt, häufig die Antwort: zwischen 30 und 45 Jahren.
Demenz ist eine Krankheit, die von 0 – 100 Lebensjahren einsetzen kann. Da jeder Mensch seine eigenen genetischen Faktoren, Lebensumstände, finanzielle und soziale Rahmenbedingungen mitbringt, gibt es keine generelle Altersaussage. Diese Krankheit kann jeden treffen und geht uns gesellschaftlich alle an.
Von einer Demenz in jungen Jahren spricht man, wenn die Symptome vor dem 65. Lebensjahr auftreten und eine Demenz diagnostiziert wird.
Wissenschaftlichen Schätzungen zufolge liegt die Häufigkeit von Demenz im jüngeren Lebensalter bei etwa 100 von 100.000 Menschen in der Altersgruppe von 45 bis 65 Jahren, während man in der Altersgruppe darüber von 5.000 Erkrankten pro 100.000 Personen ausgeht. (Quelle: Deutsche Alzheimer Gesellschaft)
Es gibt auch Fälle in wesentlichen jüngeren Jahren.
Ursachen
Demenz in jungen Jahren kann unterschiedliche Ursachen haben. Die am häufigsten auftretende Ursache ist die Alzheimer-Erkrankung. Statistisch leiden ein Drittel aller jüngeren Menschen mit Demenz an einer Alzheimer Erkrankung. Zum Vergleich: bei den über 65jährigen sind es rund zwei Drittel.
Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem besseren Verständnis der Prävention von frühen Demenzerkrankungen ist eine Studie aus dem Jahr 2023, in der wissenschaftliche Teams der Universitäten Exeter und Maastricht eine Reihe von Faktoren identifizierten, die das Risiko einer frühen Erkrankung signifikant erhöhen - darunter:
- Orthostatische Hypotonie (plötzlicher Blutdruckabfall beim Aufstehen)
- Depression
- Alkoholmissbrauch
- Schlaganfall
- genetische Risikofaktoren
- Diabetes
- Herzerkrankung
- Vitamin-D-Mangel
- Schwerhörigkeit
- soziale Isolation
(Quelle: Alzheimer Forschung Initiative e.V.)
Weitere Ursachen für Demenzen im jüngeren Lebensalter können Zerebrovaskuläre Erkrankungen sein.
Genetische Ursachen spielen bei Demenzen im jüngeren Lebensalter eine weitaus größere Rolle als bei spät einsetzenden Demenzen.
Zusätzliche Risikofaktoren sind Hirnverletzungen, chronische Erkrankungen wie Diabetes und Bluthochdruck sowie ein aus medizinischer Sicht ungesunder Lebensstil.
Psychosoziale Faktoren wie Einsamkeit und hoher Stress können unter Umständen in Verbindung mit anderen Faktoren ebenso eine Rolle spielen.
Symptome und Diagnose
Die ersten Symptome bei einer Demenz in jüngeren Jahren unterscheiden sich zu einer Demenz in späteren Jahren. Häufig beginnt es mit Unkonzentriertheit, stärker werdendem Desinteresse an lieb gewonnenen Beschäftigungen, sozialem Rückzug, Unzuverlässigkeit, Gereiztheit, Stimmungsschwankungen, Sprachstörungen. Bei einer frontotemporalen Demenz zeigen sich zusätzlich eine veränderte Persönlichkeit und auffällige Verhaltensweisen.
Erst bei fortschreitender Krankheit kommen die bekannten Symptome wie Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses, räumliche und zeitliche Orientierungsprobleme, Wahrnehmungsstörungen, Tag-Nacht-Verschiebung.
Prominentestes Beispiel ist der amerikanische Schauspieler Bruce Willis. Einem Schauspieler nimmt man anfängliche Entgleisungen im Bereich Takt und Empathie nicht gleich übel. Eine so extrovertierte Berufsgruppe kann sich ja schon mal anders verhalten. Bei den auftretenden Sprachstörungen wurde dann eine Aphasie behandelt. Erst später wurde durch weiter hinzukommende Symptome diagnostiziert, dass der Schauspieler an einer Frontotemporalen Demenz leidet.
Die anfänglichen Symptome können im ersten Anschein auf ein anderes Krankheitsbild hinweisen. Selbst Ärzte vermuten häufig nicht gleich eine Demenzerkrankung. Oft werden erstmal Störungen angenommen wie Depression, Burnout, Stress oder Probleme im sozialen und beruflichen Umfeld.
Menschen in jüngeren Jahren gehen erst zum Arzt, wenn die auftretenden Probleme ihren beruflichen Alltag und das familiäre Zusammenleben erheblich beeinträchtigen.
Dadurch, dass die ersten Symptome erst spät als demenzielles Syndrom diagnostiziert werden, geht wertvolle Zeit verloren.
Manche Patienten fühlen sich unverstanden und werden zunehmend ungehaltener, da die Symptome sich zunehmend verschlechtern.
Bei der medizinischen Diagnose werden verschiedene Verfahren herangezogen. Nach einem ausführlichen Gespräch mit Patienten und eventuell auch nahen Angehörigen folgen Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren (MRT, CT), Laboruntersuchungen und psychometrischen Tests.
Bis die Diagnose Demenz sicher gestellt werden kann, braucht es Zeit. Vorher kann keine sinnvolle Behandlung erfolgen.
Behandlung und Unterstützung
Obwohl es aktuell noch keine Heilung für Demenz gibt, können verschiedene Behandlungsansätze dazu beitragen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dazu werden Medikamente begleitend eingesetzt (unter anderem sogenannte Antidementiva oder auch Antidepressiva), sowie nicht-pharmakologische Therapien wie beispielsweise kognitive Verhaltenstherapie, Ergotherapie, Musik- und Tanztherapie und Physiotherapie angeboten. Besonders körperliche Aktivierungen haben sich als förderlich erwiesen, kognitive Defizite gezielter ausgleichen zu können um dann motivierter für andere Behandlungstherapien zu sein.
Die Unterstützung durch Familie, Freunde und Selbsthilfegruppen ist ebenfalls von großer Bedeutung. Angehörige sollten sich über die Krankheit ausführlich informieren und lernen, wie sie den Betroffenen im Alltag am besten helfen können. Beratungs- und Unterstützungsdienste bieten soziale, finanzielle und rechtliche Beratung an.
Es ist eine auf weite Bereiche greifende Belastung, wenn zum Beispiel der Ernährer oder die Ernährerin der Familie durch diese Krankheit den Arbeitsplatz verliert, das Einkommen weg fällt. Das eingespielte bisherige Leben verändert sich komplett, so wie die Betroffenen Erkrankten auch. Die Hilflosigkeit und innere Leere wirkt sich bei den Angehörigen psychisch belastend aus.
Bewährt hat sich die Unterstützung durch psychotherapeutische Begleitung. Jeder Mensch ist individuell und in einer Einzeltherapie kann gezielt auf die individuellen Bedürfnisse eingegangen werden.
Die allgemein angebotenen nicht-medikamentösen Therapien sind bei einer Demenzerkrankung in jungen Jahren noch nicht ausgereift.
Die Pflege-, Beschäftigungs- und Betreuungsangebote richten sich überwiegend an ältere und alte Menschen mit Demenz. Bei den Erkrankten unter 65 Jahren entsprechen diese Angebote oft nicht den Bedürfnissen und noch vorhandenen körperlichen Fähigkeiten der in jungen Jahren an Demenz erkrankten Menschen.
Herausforderungen und soziale Auswirkungen
Demenz in jungen Jahren bringt besondere Herausforderungen mit sich, da die Betroffenen oft noch beruflich aktiv sind und familiäre Verpflichtungen haben. Der Verlust kognitiver Fähigkeiten kann zu Arbeitsplatzverlust und finanziellen Schwierigkeiten führen. Auch das soziale Leben der Betroffenen und ihrer Familien wird durch die Krankheit stark beeinträchtigt werden.
Die gesellschaftliche Stigmatisierung von Demenzerkrankungen kann dazu führen, dass Menschen mit früh einsetzender Demenz und ihre Familien sich isoliert und missverstanden fühlen. Es ist wichtig, das gesellschaftliche Bewusstsein für diese seltene Form der Demenz zu schärfen, stärkere Aufklärungsarbeit zu leisten und Unterstützungssysteme auszubauen.
Forschung und Zukunftsperspektiven
Die Forschung zu Demenz in jungen Jahren steckt noch in den Kinderschuhen, aber es gibt vielversprechende Ansätze. Wissenschaftler untersuchen genetische Marker, um das Risiko besser einschätzen zu können, und arbeiten an neuen Medikamenten, die die Progression der Krankheit verlangsamen oder stoppen könnten. Auch die Rolle von Lebensstiländerungen und präventiven Maßnahmen wird intensiv erforscht.
Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Neurologen, Psychiatern, Genetikern und anderen Fachleuten trägt dazu bei, die Ursachen und Mechanismen der früh einsetzenden Demenz besser zu verstehen und innovative Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Fazit
Demenz in jungen Jahren ist eine komplexe und herausfordernde Erkrankung, die sowohl die Betroffenen als auch ihre Familien vor große Schwierigkeiten stellt. Eine frühzeitige Diagnose und umfassende Unterstützung sind entscheidend, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und ihnen zu helfen, möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Durch verstärkte Forschung und gesellschaftliches Engagement kann hoffentlich in Zukunft mehr über diese seltene Form der Demenz herausgefunden und wirksame Behandlungsstrategien entwickelt werden.
Autor: Cornelia Gerber, Heilpraktikerin beschränkt auf Psychotherapie
Thema: Demenz in jungen Jahren
Webseite: https://www.coachblues.de