Kann man ohne Liebe eine Ehe führen?

Ein Thema, das bei all denjenigen, die an die Liebe glauben eher Widerwillen erzeugen möchte.

Für viele Menschen mag es sich wirklich wunderlich anhören und vielleicht möchte man sich da fragen:

Kann das wirklich sein, dass Mann / Frau ohne das Gefühl der Liebe eine Heirat eingeht?

Von Fall zu Fall vermag diese Frage auch weiterführende Gedankengänge auszulösen:

Kann das überhaupt sein, dass eine Ehe, die bewusst ohne Liebe eingegangen wurde, längeren Bestand hat oder gar ein ganzes Leben überdauert?

Wie kann eine Ehe ohne Liebe all die Tiefen aushalten, die das Leben so mit sich bringt?

Sollte man nicht davon ausgehen dürfen, dass jeder Mensch an die Liebe glaubt?

Es ist bekannt, dass es Menschen aus unterschiedlichen Kreisen und Kulturen gibt, die eine Ehe eingehen, ohne dass man grundsätzlich von Liebe sprechen muss. Es gibt Menschen, die heiraten einander ohne dass sie vorher ineinander verliebt sein mussten.

Manchmal lernen sich die zukünftigen Eheleute nur ganz flüchtig kennen oder es kann ebenfalls vorkommen, dass sie sich vor der Eheschließung nicht einmal in Person gesehen haben. Ja, ob Sie es glauben oder nicht: auch in der heutigen Zeit kommt so etwas noch vor.

Üblicherweise verhält es sich bei einem solchen Verfahren jedoch so, dass die Familienherkünfte und somit auch die Familiengeschichten bekannt sind. - Zumindest dem Mittler.

Mittler kommen manchmal ins Spiel, weil sie aus verschiedenen Hintergründen ein Interesse daran haben, das zukünftige Paar zusammen zu bringen. In den meisten Fällen genügen dem zukünftigen Ehepaar gezielte Informationen als gewisse Basis um sich darauf einlassen zu können (wollen).

Ehen werden oftmals arrangiert, das ist auch heute eine Tatsache– und dies natürlich aus unterschiedlicher Motivation. Dies können wir wirklich so stehen lassen.

Was passiert bei Ehepartner, die nicht aus Liebe geheiratet haben und sich dann irgendwann in einen neuen Partner verlieben?

Ganz ehrlich? - Wahrscheinlich das gleiche, das Menschen passieren kann, die aus der sogenannten Liebe heraus geheiratet haben und jemandem begegnen, bei dem man glaubt eine neue Liebe gefunden zu haben . Eine neue Liebe, die sich anfänglich noch aufregender, noch interessanter, noch stimmiger in den Gemeinsamkeiten, usw. anfühlt oder einfach gesagt anhört.

Sicherlich sind auch Ihnen schon Menschen, begegnet, die aktuell Probleme in ihrer Paarbeziehung oder Ehe haben, obwohl Sie diese als turtelndes Liebespaar kannten?

Und haben Sie es dann auch erlebt, wenn dann das Ende dieser Beziehung verkündet wurde? Die Schlammschlacht! Und das bei einer Beziehung, bei der von der großen Liebe die Rede gewesen war.

Zukunftspläne wie Beispielsweise ein gemeinsames Häuschen waren da schon geschmiedet worden oder es gibt bereits gemeinsame Kinder, für die man ja gemeinsam sorgen wollte.

Also Sie sehen, dass auch Beziehungen oder Ehen, die aus Liebe eingegangen worden waren, genauso ein jähes Ende finden können.

In meiner Praxis finden sich manchmal Menschen erst nach einer Trennung ein. Sie berichten von ihrem Leid und wie sie bereits lange vor der Trennung, also noch während der Partnerschaft enorm unter Konflikten litten. Sie bedachten die damit zusammenhängenden Konsequenzen und erzeugten in sich bereits in vielfältiger Weise heftigen Stress. Sie berichten, dass ein Zusammenleben in diesem Leid miteinander einfach zu groß geworden sei.

Wertschätzung habe es keine gegeben, das Vertrauen sei zerstört worden. Und ja, früher sei es Liebe gewesen!

Nicht selten werden durch Familienstellen Dynamiken sichtbar, bei denen hervorgeht, dass der langjährige Partner sich von der Familie des Partners nicht angenommen fühlt. Diese Wahrnehmungen finden in der Regel ganz unbewusst statt, und dennoch wirken sie im System des Betreffenden. Daraus kumuliert sich mit den Jahren eine enorme Frust.

Meist sind es die subtilen, nicht bewusst wahrgenommenen Gefühle, die im Untergrund des Menschlichen Gefühls-System schwelgen und Gefühle von Wut und Ausweglosigkeit erzeugen können. Diese können früher oder später förmlich dazu hin drängen, aus einer Beziehung auszubrechen.

Mit Vertiefen der Familiendynamik durch gezieltes Familienstellen, zeigen sich oftmals weitere Erkenntnisse, die deutlich machen, dass bestimmte Vorkommnisse schon über Generationen Teil und Bestand aus der Ursprungs-Familiengeschichte sind:

Beispielsweise dass in vielen Familien Heirat und Eheführung aus Liebe stets irrelevant war. Es kommen Geschichten zu Tage, von Partnern, die nur in die Familien einheiraten durften, wenn sie ihre Zugehörigkeit unter Beweis stellen konnten. Üblicherweise entweder durch Vermögen oder wenigstens auf sozial gleicher Ebene gestellt zu sein. In vielen Familien besteht auch heute noch die Anforderung, dass der einheiratende Partner bereit sein muss und förmlich beweisen muss, das im Familienbesitz befindliche Unternehmen gut weiter  führen zu können. Diese Tatsache ist tatsächlich auch in unserer heutigen Zeit ein Vorkommen.

Lassen Sie uns nun weiter den Fokus auf Paare richten, die aus Liebe heiraten und davon überzeugt sind im Glück und und in der Freude angekommen zu sein.

Sie gehen davon aus, dass dieses Gefühl ewig währt. In der Regel ist dies so in unseren Köpfen drin, denn wenn wir heiraten, denken wir an das Happy-End jener Liebesgeschichten – aus den Märchen, Romanen, Fernsehsendungen.

Meist gibt es das Happy-End im Märchen oder im Roman, beziehungsweise im Film. Das bleibt uns gerne im Gedächtnis. Doch wie geht es denn in der Realität weiter?

• Wie geht es weiter, wenn das Paar vom Hafen der Ehe ganz automatisch in die Fluten des Alltag hineingeströmt wird?
  
  
• Wie geht es weiter, sobald sich ein neugeborenes Kind mit seinen Bedürfnissen in die zweierBeziehung „drängt“?
  
  
• Wie geht es weiter, wenn eine Patchwork-Familie zueinander findet?
  
  
• Was passiert wenn im weiteren Verlauf der Bindung durch die Ehe, nun unbewusste Anforderungen an den Ehepartner, unerfüllten Bedürfnisse wieder lebendig werden? – Vielleicht die gleichen Bedürfnisse oder auch andere als in der Ehe davor, die jedoch immer erst nach dem Zeitpunkt der Eheschließung aktiviert werden.

Irgendwann im Laufe dieser Prozesse und Mechanismen, fällt uns nämlich auf, dass unser PartnerIn uns ewig stresst, weil er dies oder jenes nicht für uns tut.

Plötzlich diese oder jene neue Macke hat, die uns vorher nicht aufgefallen war. Uns plötzlich Dinge verbieten will, die für uns vor der Heirat ganz selbstverständlich waren zu tun.

Warum ist er/sie nach der Heirat plötzlich so besitzergreifend, so eifersüchtig, so neidisch..... Und jetzt geht plötzlich immer an gewissen Stellen eine ewige Streiterei los, der man sich nicht entziehen kann?

Vielleicht ein reiner, unbewusster Mechanismus aus unserer Persönlichkeit oder aus dem Familiensystem?

Tatsächlich ist es nach geraumer Zeit so, dass viele Paare nicht mehr wissen ob sie den Partner noch lieben. Es gibt keine Gespräche mehr. Man misst das Gefühl, dass der Andere sich für Einen interessiert.

Mit der Zeit können immer Zweifel aufkommen, ob es denn auch heute noch die richtige Entscheidung ist, bei diesem Partner zu bleiben. Im Laufe der Zeit, können ebenso Zweifel aufkommen ob es jemals die richtige Entscheidung war, diese Ehe einzugehen, weil man feststellt: es hat sich verändert.

Fragt man sich auch, ob man selbst sich verändert hat? - Nun, dazu gehört tatsächlich ein gewisser Grad an Selbstwahrnehmung. Wenn nötig auch an konstruktiver Selbstkritik.

Erkennen Sie`s?: Die Zeit bringt Veränderungen – so oder so: ob man aus Liebe eine Ehe eingeht oder man eine Ehe ohne die Liebe eingeht.

Und Gefühle können sich mit der Zeit tatsächlich auch ändern.

Mein Gedankenansatz:

Nun, wenn Menschen beschlossen haben, ohne Liebe eine Ehe einzugehen, ist das sicherlich mutig. Jedoch gibt es hier bestimmt den guten Grund, von dem diese Entscheidung getragen wird.

Ist denn eine Ehe, die ohne Liebe eingegangen wurde – also aus rein rationalen Gründen geschlossen wurde automatisch zum Scheitern verdammt?

Ob aus Liebe geheiratet oder auch ohne Liebe geheiratet wird: Ehen bringen immer Verpflichtungen, Missverständnisse, Streitigkeiten, mit sich.

Mit Hilfe eines dritten Außenstehenden kann es einem Paar gelingen vorhandene Ressourcen (wieder)zu finden.

Paar-Coaching oder Eheberatung / Paartherapie kann vielversprechende Ansätze zur Klärung der jeweiligen Situation  und der Gefühle bieten.

Grundsätzlich gilt auch, dass jede Form von Beziehungen gewisse Grundsteine benötigt die  sich auch über Zeiten, Kulturen und auch ohne Liebe bewähren können:

• Ein verständnisvoller und respektvoller Umgang zueinander
• gegenseitige Toleranz
• lebendige und konstruktive Kommunikation
• Verbundenheit leben und gleichzeitig Freiraum lassen
• Die Beziehung wie ein Pflänzchen zu pflegen

..und bitte nicht vergessen: Auch die Beziehung zu sich selbst will gepflegt werden.

Vielleicht sind diese Grundsätze nicht immer gleich einfach umzusetzen, doch mit der Portion

an Entschlossenheit gut erlernbar. Welch` eine große Chance im „ für Sich und im Miteinander zu wachsen, während man sich auf einen neuen, alten Pfad begibt.

Autor: Giuseppa Bruneau-Volpe
Thema: Kann man ohne Liebe eine Ehe führen?
Webseite: https://www.Celest-Institut.de