Mir ist klar, dass ein Mensch wie ich, der an allem interessiert ist und für den Wissen und Lernen an oberster Stelle stehen, sehr hohe Ansprüche hat.
Egal ob Geschichte, Kultur oder Politik, ich sauge alles in mich auf. Das geht sicherlich nicht jedem so und besonders von Kindern kann man das nicht erwarten.
Aber lassen Sie mich direkt auf den Punkt kommen, ich war geschockt. Geschockt, dass Schüler unterschiedlichen Alters, Schulform und Geschlechts keine Ahnung hatten, wer Nawalny war.
Mir ist auch klar, dass man nicht das ganze weltpolitische Geschehen stets präsent hat, aber überhaupt nicht zu wissen, was gerade in der Welt vor sich geht, finde ich fahrlässig.
Um 20 Uhr schaute mein Vater zu Hause stets die Tagesschau, die er konzentriert verfolgte. Ab einem gewissen Alter nahmen wir daran teil, auch wenn wir das meiste vermutlich nicht verstanden.
Ich erinnere mich noch genau daran, dass ich mit vier Jahren morgens aufstand und meine Eltern fern schauten. Völlig undenkbar um diese Uhrzeit und ich begriff, dass etwas passiert war. Später erklärten meine Eltern mir in Ruhe, dass sich in Deutschland etwas verändert hatte, dass Deutschland nun größer war und dass es um eine Mauer ging, die Menschen ihrer Freiheit beschnitten hatte.
Auch wenn meine Eltern weiß Gott keinen Politikunterricht mit uns Kindern betrieben, so wurden wichtige Dinge doch auch am Abendbrotstisch besprochen und Fragen beantwortet. Ist das heute anders?
Und Nawalny ist ganz sicher nur ein Beispiel, was mir in den letzten Jahren in meiner Nachhilfeschule begegnet ist. Da war die Schülerin, die fragte, was denn dieses Neunelftel immer bedeuten würde.
Ich muss immer wieder feststellen, das Schülerinnen und Schüler den neuesten Klatsch über Taylor Swift viel schneller wissen, als wirklich wichtige Dinge. Der Super-Gau in einem Atomkraftwerk, die Annektierung der Krim, Terroranschläge der Isis... selbst Jugendliche über 16 können kaum die wichtigsten Details nennen. Für mich gerne ein Grund, eine Nachhilfestunde zu verkürzen und einen Monolog über die wichtigsten aktuellen Geschehnisse zu formulieren.
Natürlich müssen wir Kinder vor all diesem Leid und den Kriegen in dieser Welt schützen, sie müssen nicht jedes Detail kennen und die Prognose für den dritten Weltkrieg nicht hören, das macht Angst. Aber Unwissenheit macht dumm.
Und ich möchte nicht in einer Welt leben, in der Nachrichten und Informationen nicht nach Wichtigkeit, sondern Entertainment gefiltert werden.
Und da können wir auch nicht wieder alles auf Schulen abwälzen, die wichtigsten Grundlagen müssen meiner Meinung nach zu Hause geschaffen werden. In einem gewohnten und harmonischen Umfeld können dann sicherlich auch Schreckensnachrichten besser verarbeitet und besprochen werden.
Und an jeden von Ihnen, der den Namen gerade googelt: Immerhin schauen Sie es nach.
Autor: Anke Wachtendorf - Schülercoach, Lern- und Erziehungsberatung, Verlagsautorin
Thema: Nawalny
Webseite: http://www.schuelercoaching-wachtendorf.de