Neurodiversität – eine neue psychopathologische Einordnung

Neurotische Störungen – Neurosen – gibt es schon seit längerer Zeit nicht mehr. In der Benennung und Beschreibung psychischer Störungen findet ein ständiger Wandel statt. Das hat auch gesellschaftliche Gründe.

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In der Psychopathologie unter scheidet man heute  psychogene Störungen, endogene Störungen und exogene Störungen. Wenn von neurotischen Störungen gesprochen wird, so wird damit eine eher geringe Belastung der psychischen Störung zum Ausdruck gebracht.

Eine ebenso neue Begrifflichkeit ist „Neurodiversität“. Zu diesen besonderen Persönlichkeitsmerkmalen
gehören:

  • Autismus-Spektrum-Störung (ASS)
  • Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADS/ ADHS)
  • Legasthenie/Dyslexie (Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben)
  • Dyskalkulie (Rechenschwierigkeiten)
  • Hochbegabung (Überdurchschnittliche kognitive Fähigkeiten)
  • Synästhesie (Sinneswahrnehmungen werden miteinander verknüpft, z.B. Farben hören, sehr selten)
  • Hyper-/ oder Hochsensibilität (Reize werden intensiver wahrgenommen)

Diejenigen, die diese Merkmale nicht haben und auch keine psychischen Beeinträchtigungen aufweisen, werden als „neurotypisch“ bezeichnet. Mit dieser neuen Begrifflichkeit möchte man eine größere gesellschaftliche Akzeptanz erreichen. Häufig werden einige dieser Eigenschaften als gesellschaftliches Stigma angesehen. Dies trifft insbesondere für ADHS und Autismus zu. Eine starke Zunahme dieser beiden Persönlichkeitsmerkmale ist weltweit zu beobachten. Über Ursachen bestehen bei Medizinern derzeit keine Erkenntnisse. Es wird vermutet, dass auch eine bessere Diagnostik zu den steigenden Zahlen führt. Fachleute vertreten allerdings häufig auch die Meinung, dass es sich insbesondere bei diesen beiden „Störungen“ häufig um sogenannte „Modediagnosen“ handelt.

Eine bekannte sogenannte „Modediagnose“ gab es beispielsweise schon im 19. Jahrhundert bei Frauen, die sogenannte „Hysterie“. Erst Ärzte wie Jean-Martin Charcot und Sigmund Freud haben die damals stigmatisierende Bezeichnung entschärft, als psychisches Leiden definiert und letztendlich über umfangreiche Studien der Psychoanalyse zugeführt. Möchte man über die Begrifflichkeit „Neurodiversität“ eine größere gesellschaftliche Akzeptanz erreichen, so sind ständige differenzierte Informationen erforderlich, die insbesondere die Wertschätzung für die betroffenen Personen erhöhen. Die Entwicklung des menschlichen Gehirns ist nicht einheitlich, sondern sehr variantenreich. Das führt zur Entwicklung ganz unterschiedlicher Persönlichkeiten. Insofern besteht mit der neuen Begrifflichkeit das Ziel, unterschiedliche neurologische Merkmale als Teil einer Persönlichkeitseigenschaft, als Besonderheit und als wertvoll, heraus zu stellen. Das kann sehr hilfreich sein, insbesondere in Hinblick auf differenzierte und strukturierte Förderung sowie Inklusion. Welche Persönlichkeitseigenschaften das sein können, möchte ich beispielhaft an den Persönlichkeitsmerkmalen „Autismus-Spektrum-Störung“ und „Hypersensibilität/Hochsensibilität“ darstellen.

Autismus-Spektrum-Störung

Dieser Begriff hat sich in den letzten Jahren etabliert, weil es sehr viele unterschiedliche Formen gibt, die sich auch in ihrer Intensität unterscheiden. Früher kannte man das „Kanner-Syndrom“ (frühkindlicher Autismus) und das „Asperger-Syndrom“(jugendlicher Autismus). Der frühkindliche Autismus gilt als schwerwiegende Erkrankung, die nur begrenzt therapierbar ist. Merkmale des Asperger-Syndroms können sich dagegen im Laufe des Lebens stark abschwächen. Gemeinsame Merkmale bei allen Autismus-Formen sind Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion, Kommunikation sowie wiederkehrende Verhaltensweisen und Sonderinteressen. Eine Autismus-Spektrum-Störung ist in der Kindheit sehr schwer zu diagnostizieren, weil sehr viele gemeinsame Merkmale mit der „umschriebenen Entwicklungsstörung im Kindesalter“ bestehen. Bei all diesen medizinischen Sachverhalten muss aber beachtet werden, dass Personen mit dieser Beeinträchtigung häufig individuelle Stärken oder sogar eine Inselbegabung aufweisen. Das muss heraus gestellt werden, denn es können besondere berufliche Einsatzfelder bestehen, die den Wert des Betroffenen zusätzlich erhöhen und eine gesellschaftliche Anerkennung ohne Vorurteile verdienen.

Hypersensibilität/Hochsensibilität

Die Betroffenen zeichnen sich durch besondere Merkmale aus, die gesellschaftlich erwünscht sind. Sie sind empathisch, emotional, nachdenklich, tiefgründig, achtsam und sensibel. Sie sind gewissenhaft und anpassungsfähig. Diese Darstellung ist nur beispielhaft, könnte aber noch um einige Eigenschaften ergänzt werden. Ein Großteil dieser Eigenschaften hat heute bei beruflichen Qualifikationen im Rahmen der sogenannten „Social Facts“ einen großen Stellenwert. Allerdings besitzen diese Personen weniger Wahrnehmungsfilter als der „neurotypische“ Mensch. Durch dauernde ungefilterte Wahrnehmung umfangreicher Reize besteht eine größere Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung psychischer Störungen, wie z.B. eine Depression.

Abgrenzung vermeintliche „Neurodiversität“ und Diagnostik 

Es ist Vorsicht geboten, bei der Wahrnehmung der beschriebenen Neurodiversitäts-Kriterien vorschnell in die „Diagnostik-Kiste“ zu greifen. So ist beim Feststellen von Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben überhaupt nicht sicher, ob hier eine Legasthenie/Dyslexie vorliegt. Der Bildungsbericht der Bundesrepublik Deutschland, weist hinlänglich aus, wie schlecht es um diese Fertigkeiten bei 4.-Klässlern bestellt ist. Da lässt sich möglicherweise auch ableiten, dass eine entsprechende Förderung/Unterstützung im Elternhaus fehlte.

Bei Abgrenzungsfragen sollte ebenso bedacht werden, dass eine Autismus-Spektrum-Störung viele gemeinsame Merkmale mit ADHS/ADS aufweist.

Fazit

Das Wissen um diese Dinge ist sehr hilfreich, denn bei einer differenzierten Wahrnehmung der Gesellschaft kann es den Betroffenen umarmen. Individuelle Förderung, Unterstützung, Stärkung des Selbstbewusstseins sowie eine zielführende Inklusion können so eher möglich werden. 

Dieser Artikel ist authentisch und nicht KI-unterstützt

Autor: Rainer Wieckhorst, Heilpraktiker für Psychotherapie
Thema: Neurodiversität
Webseite: http://www.balance-concept.de

Autorenprofil Rainer Wieckhorst, Heilpraktiker für Psychotherapie:

rainer wieckhorst

Rainer Wieckhorst
Heilpraktiker für Psychotherapie mit Praxis in Reinbek
Therapiepraxis Balance-Concept
Kommunikationsexperte, Publizist

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