Auf diese Frage gibt es keine einfache Antwort bzw. es gibt mehrere Antworten. Wir verstecken sie in einem Schrank, einem Apothekenschrank. Kennen Sie den? Einer mit mehreren Schuladen, die man weit ausziehen kann? Genau in so einem Schrank sind die Antworten eingeordnet, je nach dem, über welchen Fall wir reden. Was ist passiert? Ist überhaupt etwas passiert? Großer Muskel oder ein kleiner? Verletzt? Immobilisiert? Jung/alt? Mann? Frau?
Noch ganz kurz zu den Begriffen: Wir werden über „Skeletmuskulatur“ reden, die so genannte quergestreifte Muskulatur. Es gibt noch glatte Muskeln und Herzmuskel. Alle drei haben unterschiedliche Eigenschaften. Wir bleiben aber bei dem Bild, das jeder schon in einer orthopädischen Praxis gesehen hat: ein Gesamtkörper oder ein Teil davon ohne Haut abgebildet.
„Regeneration“ als Begriff: Wiederherstellung der Eigenschaften, in unserem Fall – Muskelkraft, Ausdauer, Dehnbarkeit. Es geht nicht um die Verbesserung der Qualität, sondern um Wiederherstellung von dem, was man schon hatte.
Selbst wenn nichts passiert ist, geht es dem Muskel nicht gut, wenn der Muskel seine Haupteigenschaft – Bewegung – nicht ausüben kann. Wenn durch Knochenbruch und einen Gips, eine plötzliche Immobilisation ein Muskel oder der gesamte Körper sich nicht mehr wie gewohnt bewegen kann, verliert der Muskel innerhalb von nur drei Wochen bis zu 40% an Masse und Volumen! Besonders dann, wenn nicht beide, sondern ein Bein oder Arm betroffen sind, sieht man den Rückgang durch einen direkten Vergleich mit einer anderen, gesunden Extremität sehr stark. Man erschreckt sich förmlich. Es ist aber in den meisten Fällen nicht schlimm. Der Rückgang an Volumen und Kraft ist dadurch passiert, dass jede Muskelzelle durch Nichtstun „abgenommen“ hat. Wird die Belastung, Bewegung wiederaufgenommen, kommt auch der Muskel zurück zu seiner Form und Kraft.
Also, keine Angst, geben Sie sich und Ihrem Muskel Zeit und alles wird gut. Es sei denn ... jetzt ziehen wir die Schublade etwas weiter aus… es sei denn wir haben einen älteren Menschen, der möglicherweise durch einen Beinbruch in einem Rollstuhl sitzen muss. Dann haben wir den Nachteil, dass die Regenerationszeit für den Knochen zu lang ist. Und dadurch wird nicht nur eine Extremität in ihrer Bewegung eingeschränkt, sondern der gesamte Körper. Wird der gesamte Körper immobilisiert, führt das zu geringeren Belastung des Hirns. Und viel zu oft bekommen solche Menschen ihre Kräfte nicht mehr zurück, weder körperliche, noch geistige.
Nächste Schublade: Muskelkater. Um welche Muskelgruppe handelt es sich? Wie groß sind die betroffenen Muskeln? Als wir noch die Weihnachtskarten per Hand geschrieben haben, nach der wievielten Karte konnten Sie nicht mehr schreiben? Am nächsten Tag hatte man auch das Gefühl, dass die Hand einen Schlag mit dem Hammer in die Handfläche bekommen hatte. Heutzutage schreibt kaum noch jemand Karten, und der Effekt wäre noch deutlicher. Nach drei-vier Karten würde die Hand nicht mehr richtig schreiben wollen. Also, es geht auch hier um vorheriges Training, akute Anforderung und die Beschaffenheit der Muskulatur. Kleine schwache Muskeln lassen sich schnell trainieren, sind aber die ersten, die „sauer“ werden und „zu machen“. Große, zur Belastung gewohnte Muskulatur kriegt man so schnell nicht zum Leiden. Dafür dauert es umso länger, wenn die Belastung ein gewisses Maß übersteigt.
Über die Pathophysiologie des Muskelkaters ist man sich immer noch nicht einig. Das sind zum einen Mikrotraumen innerhalb den einzelnen Muskelzellen und Muskelfasern. Zum anderen ist das ein „überforderter“ Stoffwechsel in der Zelle und im Gewebe. Das kann man mit einem überfüllten Laden vergleichen: viel zu viel Ware, viel zu viel Kundschaft. Wenn es zu viele Kunden gibt, stockt alles. Man muss warten, bis welche wieder draußen sind. Und diese Wartezeit baucht ein Muskel je nach „Ladengröße“ und Ausmaß der Überlastung.
Wenn Sie nie trainiert haben und plötzlich mehrere Kilometer laufen müssten, würden Sie so einen Marsch möglicherweise noch einen Monat später spüren. Wenn man Belastungen gewohnt ist, geht alles viel schneller. Das heißt – das Training vorher spielt eine große Rolle für die schnellere Regeneration der Muskulatur.
Ziehen wir die Schublade weiter auf: andere Körpersysteme, die für die Regeneration eine Rolle spielen: Herz-Kreislauf-System und Atmungssystem. Diese Organsysteme werden mit jedem Muskeltraining zwangsläufig mittrainiert. Je besser ihre Kondition ist, desto schneller kommt es zur Regeneration der Muskeln. Kann man die zwei Systeme ohne Muskeltraining trainieren? Ja. Eine Sauna als Trainingsort für Herz-Kreislauf-System haben wenige als solcher in Betracht gezogen. Tut aber dem Gesamtkörper gut… auch dem Atmungssystem. Vorausgesetzt, man hat keine gesundheitlichen Probleme weder mit dem Herzen, noch mit der Lunge.
Nächte Schublade in unserem Apothekenschrank – das Alter. Die Schublade ist so lang, wie man leben kann. Kinder und junge Erwachsene haben einen nah zu perfekten Stoffwechsel. Deswegen sind sie schneller nach einer Verletzung oder Überlastung wieder einsatzfähig. Je älter wir werden, desto langsamer arbeitet jede einzelne unserer Zellen. Und das spiegelt sich in der Regenerationsfähigkeit des Gesamtkörpers wider. Und auch hier kann man durchs Training viel erreichen. Dann kann als Mann mit Mitte 70 noch immer Marathon laufen und dabei deutlich jüngere blass aussehen lassen.
Den Unterschied bei den Geschlechtern will man aktuell nicht immer akzeptieren. Jedoch lässt sich die Natur nicht überlisten. Wir reden hier von einem Durchschnitt. Natürlich haben wir Schwergewichtheberinnen oder Extremsportlerinnen, deren Errungenschaften für viele Männer unerreichbar sind. Aber im Durchschnitt hat eine Frau weniger Muskelmasse, weniger Muskelkraft und einen anderen Stoffwechsel. Und selbst nach einem nicht zu sehr aufwendigen Training wird eine Frau länger unter Muskelkater leiden, als ein Mann.
Geschlechtliche Unterschiede gibt es auch bei Verletzungen wie Hämatome. Man sieht zwar einen blauen Fleck auf der Haut, die Hauptverletzung liegt aber viel tiefer, in der Muskulatur. Je größer der Muskel, je stärker der Schlag, desto länger dauert es, bis der Muskel sich wieder erholt hat. Und auch hier gilt wieder: bei Jüngeren schneller als bei Älteren, bei Trainierten schneller als bei Untrainierten, bei Männern schneller als bei Frauen.
Weitere Schubladen wären Verletzungen wie Schnittverletzungen. Je nach Tiefe und Größe, kann es sein, dass der Muskel sich nicht mehr erholt. Selbst eine Operation in einer sterilen Umgebung ergibt eine Narbe, die manchmal lebenslang stört. Noch eine Schublade – Muskelatrophien. Das ist aber gar kein Muskelproblem. Das ist das Problem mit der Versorgung des Muskels mit Nahstoffen, Sauerstoff und Innervation – der Kontrolle über die Muskulatur durch unser Nervensystem. Diese Schubladen sind sehr lang und benötigen andere Schlüsseln.
Trainieren Sie. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass ein Training von 1,5 Stunden Gehen zweimal wöchentlich uns fitter hält, als intensives Training dreimal die Woche für die „Sommerfigur“.
Wenn Sie laufen würden, verkürzt sich die Trainingszeit auf die Hälfte. Bitte, finden Sie Zeit für Ihren Körper. Und er wird Ihnen dafür danken.
Autor: Ekaterina Rusanova
Thema: Wie lange braucht ein Muskel zum regenerieren?
Webseite: http://www.arthrotraining.de