Zu unterschiedlich in der Beziehung?

Wir schauen immer auf die Passung in der Beziehung. In früheren Zeiten haben die Eltern für diese Passung gesorgt, indem der entsprechende Partner (immer m/w/d) schon in jungen Jahren vorherbestimmt wurde.

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Da wurde also der Franz mit der Elisabeth verbandelt. Und das ganz oft sogar innerhalb der Familie: also der Cousin mit der Cousine. Dabei ging es um Passung der Stände und dem Erhalt bzw. Vermehrung des Eigentums. Und dennoch waren diese Teenager aufgeregt und in freudiger Erwartung. Es war also klar, dass ein Bauer keine Adelige heiratet oder ein Handwerker die Tochter eines reichen Händlers. Früher wäre vermutlich auch niemand auf die Idee gekommen, den Partner passend zu den Hobbys zu wählen. Denn wer braucht bei 6-10 Kindern und einem Beruf (Knochenjob) noch viele Hobbys? Ohne Auto, Flugzeug und all die anderen Annehmlichkeiten unseres Industriezeitalters, hatten auch alle so viel Bewegung, dass niemand auf die Idee gekommen wäre, früh morgens zu joggen oder den 10.000-Schrittezähler zu betätigen. Wer für 12 Personen Wäsche im Sieder und 5 kg Teig für Brot mit der Hand geknetet hatte, der hat sich Abends sicher nur noch nach seinem Lager gesehnt und wäre nicht mehr die ganze Nacht am PC bei online-Spielen hängen geblieben – was übrigens in heutigen Partnerschaften zu vielen Konflikten führt: der übermäßige Konsum von online Medien.

Selbst vor 70 Jahren haben Frauen nicht viel auf Romantik schauen können. Da ging es darum, eine gute Partie zu machen. Ansonsten waren die Rollen vorbestimmt. Sie macht Haushalt, Kinder und Angehörige – und ist dabei hoffentlich die Frau vom Oberpostinspektor, Apotheker oder Bürgermeister, hat finanziell ausgesorgt, aber war abhängig ohne Job und Führerschein. Kam er auf die Idee, sich außerhalb der Ehe zu vergnügen, musste sie das hinnehmen. Der Bereich der Sexualität fand in den weiteren Jahren u.a. durch Oswald Kolle eine Öffentlichkeit. Zuvor war Aufklärung eher tabu. Und machte man ‚es‘ (Sex) war klar, dass man schwanger werden kann. Die Kirche bestand auf die Jungfräulichkeit vor der Ehe. Was dazu führte, dass im Falle einer ungewollten vorehelichen Schwangerschaft ganz schnell geheiratet werde musste (es prägte sich der Begriff der 7-Monatskinder), oder es wurde eine ‚Engelmacherin‘ aufgesucht. Meist Hebammen (hoffentlich), die unter unsäglichen Umständen diese Schwangerschaft beendeten. Nicht selten verbluteten die Frauen.

Schließlich kam vor über 50 Jahren eine einigermaßen zuverlässige Anti-Baby-Pille auf den Markt. Nun wurde Sexualität und Lust, Begehren und begehrt werden von der Abhängigkeit einer sicheren Beziehung getrennt, die für eine eventuelle Schwangerschaft notwendig war. Endlich konnten die Frauen sich sexuell unabhängig machen und es den Männern gleichtun.

Interessanterweise stellte sich bald heraus, dass, wenn beide das Gleiche tun, es doch nicht immer nicht dasselbe ist. Gesellschaftlich war ein Mann durchaus akzeptiert, wenn er sich „die Hörner“ abstieß. Bei Frauen hingegen wertete man häufige sexuelle Erfahrungen mit dem Begriff des „Flittchens“. Was ihr ganz sicher keine besseren Bewertungen für den Heiratsmarkt gab. Durch die Zunahme der Industrialisierung regelten sich die Arbeitszeiten, Menschen bekamen bezahlten Urlaub und der Wohlstand schritt voran und zeitgleich die zunehmende chancengleiche Ausbildung und Berufstätigkeit der Frauen.

Endlich geschafft! Freiheit! Wir dürfen endlich lieben oder nur Sex haben, wir können ohne Ehe zusammenleben und Kinder bekommen, oder heiraten, wenn wir wollen und wie oft wir wollen. Ich kann auch 3-mal im weißen Kleid (Zeichen der sexuellen Unschuld) Treue schwören, selbst Kinder halten nicht von wiederholten Trennungen ab, weil die finanzielle Versorgung meist geregelt ist. Nun sind wir also im Markt der Möglichkeiten angekommen und stellen fest, dass derzeit jede 3. Ehe geschieden wird. Wie viele Beziehungen in die Brüche gehen, lässt dann nur vermuten.

scheidung schere zerschneiden

Wir kommen also aus der Zeit, dass zunächst die Eltern den Partner wählten. Naja, da konnte schon mal was schief gehen und dafür konnte man selbst ja nichts. Dann ging es darum, dass die Weibchen ein cleveres Männchen erobern. Da war Pragmatismus angesagt und es wurde auf Statussymbole wie Auto, Haus mit Garten und Italienurlaub geachtet.

Sex gehörte dazu – Augen zu und durch. Wenn der Sonntagsbraten auf dem Tisch stand und die Hemden gestärkt und gebügelt waren, fragte niemand nach intensiven Gesprächen über Gefühle und Zukunftsträume. Die Frage nach Glücksgefühlen stellte sich für die meisten nicht. Die Generation danach wollte Freiheit in allen Bereichen. Aber ist sie nun glücklicher?

Wir überlassen nun die Partnerwahl einem Algorithmus. Seitenlange Tests in Partnerschaftsbörsen sollen uns das passende Match servieren. Wer bei dem Spiel schon mitgemacht hat, kennt vermutlich auch die Ergebnisse von Selbst- und Fremdwahrnehmung. Das heißt: Ein Algorithmus ist nur so gut wie seine wahrheitsgemäßen Eingaben. Aber ok, um einen alten Gaul an den Mann oder die Frau zu bringen hat man früher schon auf dem Pferdemarkt gelogen, dass sich die Balken bogen.

Natürlich können wir auch wesentlich unkomplizierter vorgehen: einloggen, aussuchen, Match oder wischen, daten, Probesex und danach evtl. ghosten (verschwinden) – weil zu unterschiedlich? Liegt es an der Qual der Wahl? Denn schließlich könnte ja am anderen Ende Welt der perfekte Partner auf mich warten.

Was früher ein verstecktes Pornoheftchen unter der Matratze war, ist heute ein riesiger, flimmernder Markt geworden. Man schätzt ca. eine halbe Million pornosüchtiger Menschen in Deutschland (die Dunkelziffer nicht inbegriffen). Aus der Praxis kennen wir Menschen, die durch die Reizüberflutung der Filme zu keiner normalen Sexualität mehr in der Lage sind. Junge Mädchen wollen lernen, genau diesen Darstellungen der Pornoindustrie zu genügen, weil sie gefallen wollen. Mir sind Probleme in Kinderheimen bekannt, weil sich Kinder und Heranwachsende diese Filme auf dem Handy anschauen und dann aneinander bzw. miteinander ausprobieren wollen. In diesen Fällen sind Erzieher mit einer neuen Herausforderung konfrontiert, die weit weg von üblicher Wertebildung ist. Die Kombination von Liebe und Sexualität gehört offensichtlich schon lange in die Mottenkiste.

Und dennoch scheint etwas geblieben zu sein: die Sehnsucht nach dem perfekten Match, diesem Seelenverwandten, dem Menschen, der mich aushält, mit dem ich Leben und Geheimnisse teilen kann, auf Augenhöhe, in guten wie in schlechten Zeiten. Das heißt: Wir suchen alle ein nach-Hause-kommen bei dem anderen.

Aber was muss dieser Mensch dann haben? Sollte ich mir selbst dann nicht erst einmal bewusstwerden, wer ich bin und welches Zuhause an meiner Seite ich dem anderen bieten kann? Welche Werte sind mir wichtig oder unwichtig? Welche Ziele – außer Glück – verfolge ich? Wie gehe ich mit meinem eigenen Frust, meiner Wut um? Was macht mir Angst und von welchen Sehnsüchten werde ich beflügelt? Denn wenn ich davon schon mal eine Ahnung habe, bin ich ja erst in der Lage, den passenden Partner zu suchen und zu finden.

paar gluecklich umarmen meer blau

Gehen wir dabei mal von einem ganz individuellen Prozess aus, der mich zu einer eigenen Marke macht. Dazu gesellt sich das unterschiedliche Erscheinungsbild. Nicht jeder möchte die Sport-Barbi, die sich 5-mal in der Woche im Fitnessstudio stählt, und nicht jede Frau will den intellektuellen Computerfreak, der keinen Nagel in die Wand bekommt. Ja, ich plädiere für Unterschiedlichkeit in allen Bereichen, weil es für sprichwörtlich „jeden Topf einen Deckel“ gibt. Daher macht es auch wenig Sinn für mich, wenn sich alle die gleiche Nase operieren lassen, beim Tattoo Wettbewerb gewinnen wollen oder sich an Plastikimplantaten bedienen, um einem vorübergehenden Schönheitsideal zu entsprechen. Genau hier wird die Individualität zur Karikatur und der Inhalt durch Deko ersetzt.

Aber nun gehen wir einfach mal vom besten Fall aus: Sowohl Ken als auch Barbi haben sich Gedanken über sich selbst gemacht und beide haben – getrennt voneinander – eine Vorstellung von sich und ihrem Leben. So, und jetzt lassen wir es ruhig mal ein Match sein, das durch einen Testbogen einer Partnerschaftsbörse getroffen wurde. Beide gaben sich als emotional, Familienmensch, tolerant, fleißig und ordentlich an, mit gutem Geschmack, evtl. noch mit religiösen Werten und politisch interessiert. Natürlich auch humorvoll und sportlich. Vermutlich lesen sie auch ab und an ein Buch.

Perfekt? Naja, wie schon erwähnt, wenn zwei das Gleiche tun ist es immer noch nicht dasselbe. Fängt damit an: Treffen Mann und Frau aufeinander, dann begegnen sich hier zwei komplett unterschiedliche Spezies. Alle angeführten Aussagen (und das ist ja nur eine kleine Auswahl) werden von Männern und Frauen sehr unterschiedlich gefüllt. Das heißt, es reicht schon das unterschiedliche Geschlecht, um komplett unterschiedlich zu sein – trotz der gleichen Neigungen.

Nun lassen wir das Date, das erste Beschnuppern, aber dennoch gelingen. Denn es kommt tatsächlich auf den Geruch an. Hier entscheidet unsere Nase, die Pheromone, ob das Gegenüber zur Paarung tauglich ist. Da übernimmt die Natur die Regie, denn es geht um das passende Erbgut. Und da sucht sich die Natur das größtmögliche Gegenteil, um die bestmögliche Widerstandskraft der Nachkommenschaft zu ermöglichen. Klingt seltsam, ist aber so.

Wenn diese Hürde genommen wurde, verwirren die aufkommenden Endorphine das jeweilige Gehirn dann so dermaßen, dass man in den folgenden Monaten alles zu erkennen glaubt, was man sich immer erhofft hat – bis die Hormone nachlassen. In früheren Zeiten hätte das aber durchaus genügt, um ein Kind zu zeugen, auf die Welt zu bringen und für den Mann evtl. zur nächsten Barbi weiter zu ziehen. Well done.

Aber wir sind ja nun schon weiterentwickelt. Das heißt: Jetzt sollte es nach dem Hormonrückgang erst richtig los gehen! Doch ohne die Endorphine wird der reale Blick auf meine Errungenschaft komplizierter. Wo ist nur der Flow geblieben? Viele denken dann, dass sie sich vermutlich doch in dem anderen getäuscht hätten und das Spiel von ‚wisch und weg‘ beginnt von vorne. Doch dabei würde genau jetzt die Beziehung entstehen können, nämlich das Aushandeln der Unterschiedlichkeiten und das Ertragen lernen von Eigenarten, die sich vermutlich nicht so schnell oder nie ändern werden. Und im besten Fall entsteht eine Akzeptanz und der angemessene Umgang mit der Unterschiedlichkeit des anderen. Der muss ds ja auch mit mir tun. Und hier kommt etwas ins Spiel, das wir nicht unterschätzen sollten. Durch gemeinsame Sexualität und eine tiefe Freundschaft entstehen Bindungshormone, die uns dazu befähigen, auch in schwierigen Zeiten aneinander fest zu halten. Ist also eine Partnerschaft schon zu einer Wohngemeinschaft mutiert, bestehen große Chancen, dass sich die Beziehung auflöst und nur noch zu einem Kampffeld von Streit, Machtrangeleien und Eifersucht schrumpft.

Fazit:

Den richtigen Partner erkennen wir, wenn wir uns erst einmal selbst (zumindest ansatzweise) erkannt haben. Die Natur gibt uns den richtigen Riecher, und das ist mit Sicherheit nicht unbedingt das, was wir geglaubt, gefunden zu haben, aber was wir ganz oft zur weiteren Reifung brauchen. Wenn der Rausch verflogen ist, sind wir dann hoffentlich schon so gute Freunde geworden, dass wir für die weitere Phase der Verhandlungen gefestigt sind.

Da wir uns alle im Laufe unserer persönlichen Entwicklung diverse Male verändern und auch die Herausforderungen wie Studium, Job, Kinder, Krankheiten, Älterwerden, Sexualität, Finanzprobleme usw. uns alles abverlangen, ist es oft gerade die Unterschiedlichkeit des Partners (der natürlich den gleichen Schlamassel zu unterschiedlichen Zeiten erleiden muss), die uns über diese Hürden springen lassen. Sei es die größere Gelassenheit oder die bessere Lösungsstrategie (im besten Fall).

Das Geheimnis? Bleiben Sie im Gespräch. Hören Sie den anderen an, weniger die Argumente, und versuchen Sie immer wieder, die Unterschiedlichkeit als Chance zu sehen. Gestatten Sie sich Zeit zur eigenen Entwicklung und die ihres Partners. Und dazu braucht es auch immer wieder ein klares JA zu dem Partner und dem gemeinsamen Leben. Und passen Sie aufeinander auf.

Das ist natürlich auch alles Charaktersache. Das heißt: nicht ein Abschaffen von allen Dingen und Problemen, die uns Mühe oder Stress bereiten, sondern den Ehrgeiz aufbringen, Lösungen zu schaffen. Die Herausforderungen unseres Planeten, unserer Partnerschaften und Sexualität sind zu komplex geworden und benötigen daher mehr – und nicht weniger! –  an innerer Stärke, Überzeugungen, den Willen es anzupacken und Durchhaltevermögen. Eigentlich gibt es keine Alternative.

Autor: Gisela Ruffer
Thema: Zu unterschiedlich in der Beziehung?
Webseite: https://www.praxis-ruffer.de

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