Ein halb erleuchteter Reisebericht aus dem Nirgendwo des Verstehens

Ich war neugierig und fest entschlossen, alles zu verstehen. Ich glaubte wirklich, dass es da draußen so etwas gibt wie eine letzte Erkenntnis – das große Ganze, das finale Aha.
Die eine Wahrheit, auf die alle Fäden des Denkens hinauslaufen. Und ich war bereit, mich durch Bücher, Vorträge, Theorien und Träume zu graben, um dorthin zu kommen.
Was ich fand, war... alles. Und gleichzeitig nichts.
Ich las Philosophie – von der Antike bis zur Postmoderne. Ich durchwanderte die Landschaften der Psychologie, von Freud bis zur Positiven Psychologie und wieder zurück. Ich schraubte mich in die Wissenschaft hinein, durch Quantenphysik, Kosmologie, Neurowissenschaften. Ich flirtete mit der Esoterik, meditierte, führte Traumtagebuch, versuchte luzides Träumen (es funktionierte für ein paar Sekunden, dann war ich vor Aufregung wach).
Natürlich dachte ich kurz an Geheimbünde. Freimaurer, Illuminaten, die geheime Gesellschaft der Leute, die immer wissen, wie man Excel-Tabellen formatiert. Vielleicht wussten die ja etwas, das ich nicht wusste.
Aber Hand aufs Herz:
Was soll ein Freimaurer 31. Grades über die Welt wissen, das nicht längst in einem verschwurbelten Reddit-Thread steht?
Ich habe versucht, die Welt zu entwirren, und dabei gelernt, wie man sie maximal verknotet. Ich suchte das große, übergeordnete Wissen. Sozusagen das Metawissen über alles.
Und was soll ich sagen? Alles, was ich fand, war: Wiederholung.
Jede Erkenntnis war wie eine weitere Version eines Witzes, den ich längst kannte – nur mit anderem Aufbau. In schöneren Worten. Mit mehr Fußnoten. Aber am Ende war da oft: das Gleiche. Es ist fast so, als würde die Menschheit seit Jahrtausenden mit leicht anderen Begriffen um dieselben Lagerfeuer tanzen.
Es gibt scheinbar eine Handvoll großer Einsichten, die wir immer wieder entdecken, vergessen, dann neu formulieren. Alles ist eins. Zeit ist relativ. Bewusstsein ist ein Rätsel. Realität ist ein Konstrukt. Sinn ergibt sich nur durch Perspektive. So in etwa. Manchmal wissenschaftlich. Manchmal spirituell. Manchmal pseudomystisch in einem TikTok-Video.
Die großen Erkenntnisse der Menschheit – gekürzt und ungefragt zusammengefasst:
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Alles ist eins.
Außer du. Du bist natürlich besonders. -
Zeit existiert nicht.
Es sei denn, du hast einen Zahnarzttermin. -
Bewusstsein ist ein Rätsel.
Oder ein Produkt von Neuronen. Oder beides. Oder keines. Je nachdem, wen du fragst – und wie spät es ist. -
Wirklichkeit ist subjektiv.
Das heißt, du kannst nie sicher sein, ob die Welt echt ist – aber du darfst trotzdem Miete zahlen. -
Mathematik ist die Sprache des Universums.
Nur leider schreibt das Universum in einer sehr unleserlichen Handschrift. -
Luzides Träumen ist wie Gott-Modus – für Anfänger.
Wenn du’s zu sehr genießt, wachst du auf. Willkommen im echten Leben. -
Der Sinn des Lebens?
Wird meist mit „42“ beantwortet, weil niemand zugeben will, dass keiner eine bessere Idee hatte. -
Der Mensch will Ordnung in ein Chaos bringen, das er nicht versteht, mit Methoden, die ihn überfordern.
Und nennt das dann „Systemtheorie“. -
Jede Antwort bringt nur neue Fragen.
Und jede Frage bringt dich näher an die Erkenntnis, dass Google keine Ahnung hat. -
Erleuchtung ist das Wissen, dass es nichts mehr zu wissen gibt – und du trotzdem nicht zufrieden bist.
Doch irgendwann dämmerte mir: Ich will das große Ganze gar nicht verstehen.
Ich habe nie nach Sinn gesucht. Ich habe nach etwas Neuem gesucht. Etwas, das mich überrascht. Etwas, das sich nicht anfühlt wie Kapitel 17 aus einem spirituellen Ratgeber oder wie die dritte Wiederholung eines YouTube-Essays über die Simulationstheorie. Ich wollte nicht Erleuchtung, ich wollte Staunen.
Ein echtes Staunen. So wie beim ersten Mal, als ich im Traum merkte: Moment, das ist ein Traum! Und plötzlich konnte ich fliegen, durch Wände gehen und war Gott für ein paar Sekunden – bis mein Hirn überfordert aufwachte.
Ich vermisste dieses Gefühl. Das Gefühl, dass da noch etwas ist, das sich nicht in Sprache, Theorie oder Struktur pressen lässt. Etwas, das sich nicht in einem Podcast erklären lässt. Ich hatte so vieles gelesen – und doch nichts erlebt, das wirklich neu war.
Das Internet ist ein Ozean voller Informationen. Aber auch ein Friedhof der Überraschungen. Denn wenn alles da ist, ist nichts mehr aufregend.
Vielleicht ist das das eigentliche Problem. Nicht, dass wir zu wenig wissen. Sondern, dass wir zu viel Gewusstes wiederholen. In Dauerschleife. Mit neuen Covern.
Ich glaube, viele Menschen jagen der großen Antwort hinterher, weil sie hoffen, dass diese sie am Ende glücklich macht. Ich hingegen jage dem Moment hinterher, der mich aus dem Sessel haut. Der Moment, der mich wieder für einen Augenblick vergessen lässt, dass ich schon so vieles kenne.
Und so sitze ich manchmal da, mit einem Tee in der Hand, starre aus dem Fenster in die graue, freundliche Welt, und denke mir: Vielleicht brauche ich kein neues Buch. Vielleicht brauche ich einen neuen Blick. Oder eine neue Frage. Oder einen kosmischen Zufall, der mir eines Nachts beim Zähneputzen ins Gesicht springt und flüstert:
„Du hast gedacht, du kennst schon alles? Na, warte.“
Denn Wissen endet nicht. Es wird nur irgendwann leise. Und dann liegt es an dir, das Flüstern wieder zu hören.
Ich weiß jetzt: Ich bin nicht am Ende des Wissens angekommen. Ich bin nur an einem Ort angekommen, an dem das Bekannte aufhört, mich zu überraschen. Und genau dort beginnt die echte Suche – nicht nach Wahrheit, sondern nach dem nächsten echten Staunen. Also flüsterte ich ins Universum – ganz leise, fast schüchtern, aber mit einem kleinen Grinsen:
„Komm schon. Noch einen.“
Thema: Das habe ich erkannt, als ich am Ende des Wissens angekommen bin
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