Regeln für ein gutes Zusammenleben

Ein gutes Zusammenleben, wie kann das aussehen, was braucht es, damit das gemeinsame Leben genussvoll, bereichernd und erfüllend erlebt wird?

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Mein Artikel bezieht sich auf die alltäglichen Anforderungen im Zusammenleben von sozialen Gemeinschaften, bzw. Paarbeziehungen.

In meiner Praxis erlebe ich immer wieder, wie Paare, Wohngemeinschaften und auch Familien am konkreten Zusammenleben leiden und wenig Ideen haben, wie ein „gutes Zusammenleben“ aussehen kann. Man macht sich gegenseitig das Leben zur Hölle und reproduziert die eigenen dysfunktionalen Muster vergangener Generationen. Und, obwohl ich im Grunde Verallgemeinerungen im Umgang miteinander nicht hilfreich empfinde, habe ich die Überzeugung, dass bestimmte Formen des Umgangs miteinander konstruktiver sind als andere.

Unter Paar verstehe ich in diesem Artikel zwei Menschen (es kann aber auch für mehr Beteiligte gelten), die in einem stabilen gemeinsamen Haushaltssystem zusammenleben, jenseits geschlechtlicher Orientierungen.

Ein gelungenes Zusammenleben stärkt das Gefühl der Zugehörigkeit, der Solidarität, das generelle Wohlbefinden und wir machen Erfahrungen von Gemeinsamkeit, Geborgenheit und Verlässlichkeit. Wir fühlen uns als Menschen eingebunden in die Gemeinschaft und können das Leben genießen.

Ein ungutes Zusammenleben sollte nicht als Scheitern gesehen werden, oder mit weiteren Schuldzuweisungen einhergehen.

Dysfunktionale Muster deuten erstmal nur an, dass die alten Formen des Zusammenlebens überdacht und verändert werden sollten, sonst nichts. Es kann sein, dass der Alltag nur Zank und Streit hervorruft, dass die Kommunikation von Vorwürfen beherrscht wird oder auch nur, dass ein kaltes Schweigen zwischen den beteiligten Personen steht.

Diese Muster bedeuten jedoch nicht, dass man gescheitert ist im alltäglichen Leben, sondern nur, dass man sich mit den problematischen Gegebenheiten und eigenen Bedürfnissen, wie auch dem anderen in der Gänze zuwenden sollte. Zuwenden und nicht abwenden ist das Schlüsselwort. Neue, der jetzigen Situation angepasste Lösungen sollten gesucht   und als Zeit des gemeinsamen Wachstums erkannt werden. Ziel ist, wieder neu in Kontakt zu kommen und gemeinsam zu forschen, welche Bedingungen nötig sind, um zufriedenstellende Lösungen für ein gelingendes Zusammenleben zu entwickeln. Gelingt es einem Paar oder einer Familie diese gemeinsamen Lösungen zu finden, steigert dieses den Grad an erlebter Intimität und Gemeinschaftsgefühls. Ein gemeinsamer Wachstumsprozess ist in Gang gesetzt.

Wie kann man zunächst ein konstruktives Zusammenleben erkennen?

Hier möchte ich in jedem Fall differenzieren, hinsichtlich eines Zusammenlebens nur erwachsener, gleichberechtigter Personen und eines familiären Zusammenlebens mit Kindern, dass in jedem Fall noch mehr als nur die hier dargestellten Bedingungen für ein gesundes Aufwachsen benötigen. 

Eine gute Form des Zusammenlebens zeichnet sich durch ein Klima von gelebter Intimität aus.

Dass sich Intimität entwickeln kann, setzt voraus, dass es ein Gleichgewicht der erlebten Macht gibt, die es beiden Partnern möglich macht, sich zu öffnen und vertrauen zu sich selbst und dem anderen zu entwickeln. Dazu ist Zeit nötig, gemeinsam erlebte Momente der Nähe und Geborgenheit, der Verbundenheit. Die erlebte Intimität wächst mit der Vielfalt des gemeinsamen Erlebens, auch mit der Vielfalt der gemeinsam bewältigten Konflikte und Probleme. Konflikte an sich sind ein Zeichen von dem Wunsch nach Wachstum und Veränderung, jeder bewältigte Konflikt kann die Intimität vertiefen, natürlich auch Unterschiede hinsichtlich gemeinsamer Vorstellungen deutlich machen.

Eine gute Form des Zusammenlebens zeichnet sich durch gewaltfreie Interaktionen aus.

Gewaltfrei heißt, ich setze den anderen nicht unter emotionalen oder physischen Druck, es geht nicht um Gewinnen oder Verlieren oder um Macht und Kontrolle. Ich akzeptiere mein Gegenüber so, wie es ist. Die Unterschiede in der Persönlichkeit und den Fähigkeiten werden als Bereicherung wahrgenommen, und nicht als ein Grund den anderen zu entwerten.

Hierzu ist es wichtig, dass sich der Einzelne achtsam mit den eigenen Wünschen und Bedürfnissen auseinandersetzt und sich bemüht, diese angemessen zu kommunizieren. Das Gegenüber kann meine Bedürfnisse nicht von sich aus wissen. Dazu bedarf es Zeit und Gelassenheit sich mit seinem Partner auseinanderzusetzen. Hilfreich haben sich aus meiner Sicht festgelegte Zeiten der Kommunikation über Dinge, die in der Beziehung gut laufen und die schlecht laufen, erwiesen. Die Zeiten der gemeinsamen Reflektion sollten regelmäßig eingerichtet werden.

Die Gesprächspartner sollten sich offen begegnen, Kränkungen zu vermeiden suchen und wertschätzend mit dem Gegenüber umgehen. Zurückweisungen und Kritik sollten offen reflektiert werden können. Ein achtsamer Umgang auch in stressigen Situationen schafft Vertrauen und Sicherheit. Beschämungen, Bloßstellungen, Ausbeutungen des anderen sollten keinen Platz in der gemeinsamen Interaktion haben.  Dem oder den  anderen Vorwürfe zu machen führt immer nur zu erneuten Konflikten, das Thema wird nur weiter angeheizt. Wichtig ist es, den Inhaltsaspekt der Kommunikation von ihrem Beziehungsaspekt zu trennen und beides ins Gespräch zu bringen.

Hilfreich ist es hier, eine Atmosphäre zu schaffen, in der eine Kommunikation über die gemeinsame Kommunikation möglich ist. Dies ermöglicht es, Fallstricke zu identifizieren und zu verbessern.

Eine gute Form des Zusammenlebens zeichnet sich durch gegenseitiges Vertrauen aus.

Vertrauen zum anderen entwickeln zu können, setzt Zeit, Kommunikation und Einsatz für die Beziehung voraus. Es braucht keine Perfektion, ich muss da und offen sein, den anderen in seinem Anderssein wahrnehmen zu wollen. Ein Klima des Vertrauens kann wachsen, wenn sich die Beteiligten auch selbstverwirklichen können, vom anderen gehört werden und eine eigene Stimme haben.

Vertrauen zu entwickeln geht nur, wenn sich im Binnenraum der Beziehung ein Sicherheitsgefühl entwickeln kann, auch wenn der andere nicht ständig verfügbar ist.

Eine gute Form des Zusammenlebens zeichnet sich durch klare Grenzen und Achtung der Grenzen des anderen aus.

Gemeinsame Absprachen von  Zielen und Plänen , von Erwartungen und Wünschen  sind das Zentrum eines konstruktiven Zusammenlebens.  Transparenz und Offenheit bei diesen Absprachen machen die Grenzen des Einzelnen erkennbar und das, was gemeinsam möglich ist. Erwartungen sollten kommuniziert werden und realistisch mit den Möglichkeiten abgeglichen werden.

Einschränkungen, auch durch die andere Person, können dann als nicht nur als Grenzen aufgefasst werden, die unveränderlich sind, sondern die auch eventuell gemeinsam überschritten werden können.

Daraus kann dann Kraft und Zuversicht entstehen, gemeinsam Veränderungen einzuleiten und eventuell über die eigenen Grenzen hinauszuwachsen.

Eine gute Form des Zusammenlebens zeichnet sich durch gegenseitige Achtung aus.

Gegenseitige Achtung, Wertschätzung der unterschiedlichen Meinungen und Haltungen machen ein weiteres Kernstück des guten Zusammenlebens aus. Ich öffne mich für die Sichtweise des anderen und lasse mich ein auf dessen Sichtweise. Dies bereichert mein Leben,  da es mir alternative Lösungsansätze  und neue Möglichkeiten für mein eigenes Leben bietet.

Ich achte die (Innen)-Welt des anderen und gehe achtsam mit ihr um. Genauso, wie ich dies mit meiner eigenen (Innen)-Welt tue.

Eine gute Form des Zusammenlebens zeichnet sich durch einen gesunden Kreislauf der Verbundenheit/Trennung und des Wiederzusammenkommens aus.

Gelebte Verbundenheit zehrt davon, dass es auch immer wieder Möglichkeiten des Rückzuges aus der Beziehung geben kann. Nur im Rückzug und im Verarbeiten der erlebten Gemeinsamkeit kann ich die Erfahrungen angemessen integrieren. Dadurch entwickelt sich in der Beziehung Stabilität und Halt.

Die Erfahrungen außerhalb des Beziehungsraumes geben auch immer wieder neues Input von außen und beleben die Beziehung dadurch und gibt die Möglichkeit im Hier und Jetzt immer wieder neu zusammenzukommen.

Eine gute Form des Zusammenlebens zeichnet sich dadurch aus, dass die Partner sowohl für sich selbst als auch die Beziehung Verantwortung übernehmen.

Nur wenn ich für mich selbst und  meine Bedürfnisse Verantwortung übernehme und sich nicht dem Partner überlasse, kann gutes Zusammenleben funktionieren. Das heißt, ich muss mich auf meine eigenen Bedürfnisse einlassen und diese wahrnehmen und im besten Falle kommunizieren. Das heißt auch, dass ich offen bin für meine eigenen Schwächen aber auch meine eigenen Stärken, und natürlich auch für die Stärken und Schwächen des Partners. Auf der anderen Seite übernehme ich Verantwortung für die Beziehung und deren Wachstum, ich pflege sie, in dem ich Richtung und eigene Wertmaßstäbe einbringe, kommuniziere und lebe.

Hier ist es hilfreich, alte, negative Erfahrungen zu identifizieren, eventuell loszulassen und damit Verantwortung für die Möglichkeit eines neuen konstruktiven Prozesses aufzumachen. Sehen und Gesehenwerden, Berühren und Berührt werden, Reden und Zuhören, Sehen und Gesehen werden  macht mich als Mensch unter Menschen sichtbar und verleiht meiner Existenz Sinn.

Wir Menschen brauchen einander, wir brauchen Freunde, Partner um unser Leben zu bereichern und uns mit der Welt verbunden zu fühlen. In diesem Sinne hat Katherine Hepburn  ein wunderbares Zitat in die Welt gebracht, dass nicht nur für Paarbeziehungen, sondern auch aus meiner Sicht auch für alle anderen  Lebensformen gilt: Liebe ist nicht das, was man erwartet zu bekommen, sondern das, was man bereit ist zu geben.

Autor: Sigrid Budszuhn
Thema: Regeln für ein gutes Zusammenleben
Webseite: https://www.praxis-budszuhn.de

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