Ich habe das Bedürfnis jetzt eine Tafel Schokolade zu essen.
Eine Tafel Schokolade deckt 26% meines täglichen Bedarfs an Kohlehydraten – wobei man nicht vergessen darf, dass sich die kurzstreckigen (süßen) Kohlenhydrate gern auf den Hüften niederlassen.
Die Begriffe „Bedarf“ und „Bedürfnis“ sind in unserem Alltag allgegenwärtig, aber haben Sie sich jemals gefragt, was genau der Unterschied zwischen ihnen ist? Diese beiden Begriffe sind eng miteinander verknüpft, unterscheiden sich jedoch in ihrer Bedeutung und Anwendung, die unser tägliches Leben beeinflussen.
Was ist ein Bedürfnis?
Ein Bedürfnis ist ein Wunsch, ein grundlegendes Verlangen oder eine innere Anforderung. Jeder Mensch hat Bedürfnisse und braucht diese auch, um zu wachsen und ein erfülltes Leben zu führen. Menschen müssen ihre Bedürfnisse befriedigen, um ein Gefühl des Wohlbefindens und der Erfüllung zu erleben.
Bedürfnisse sind universell und in ihrer Ausprägung abhängig von Kultur, Erfahrungen und individuellen Vorlieben bzw. Leidenschaften.
Die grundlegenden Bedürfnisse wurden von Abraham Maslow in der von ihm entwickelten Bedürfnispyramide hierarchisch dargestellt. Dabei unterscheidet er fünf verschiedene Ebenen, die von grundlegenden physiologischen Bedürfnissen bis hin zu höheren sozialen und psychologischen Bedürfnissen reichen.
Der amerikanische Psychologe Abraham Maslow (1908-1970) war einer der Begründer der humanistischen Psychologie, sein Modell galt also zunächst für die seelische Gesundheit des einzelnen Menschen. Später fand das Modell auch Eingang in die Sozialwissenschaften und sogar in die Wirtschaftswissenschaften und beleuchtete vor allem die Schnittstellen zwischen Wirtschaft und Psychologie.
Neben der Einteilung in die Maslow Ebenen, lassen sich Bedürfnisse grob in zwei weitere Kategorien, nämlich in Wachstumsbedürfnisse und Defizitbedürfnisse unterscheiden. Ein grundsätzliches Defizitbedürfnis ist beispielsweise der Hunger. Daraus entsteht dann der Bedarf an Schokolade, Pasta oder wonach immer der Sinn steht.
Die Ebenen der Maslow Pyramide
Die unterste Ebene der physiologischen Bedürfnisse umfasst die Bedürfnisse wie Nahrung, Wasser, Schlaf und das körperliche Wohlbefinden.
Die zweite Ebene ist die der Sicherheitsbedürfnisse. Dazu zählen die materielle Absicherung, die Sicherheit der Wohnung und die Sicherheit des Arbeitsplatzes. Die Bedürfnisse dieser Stufe gelten als erfüllt, wenn der Mensch das Gefühl hat, dass seine bisherigen Lebensumstände und die gewohnten Strukturen weitgehend erhalten bleiben.
Allerdings werden diese Bedürfnisse sehr unterschiedlich empfunden und sind dabei stark von sozialen und gesellschaftlichen Strukturen beeinflusst.
Die dritte Stufe die die sozialen Bedürfnisse, betrifft die Bedürfnisse nach Anerkennung, Freundschaften und sozialen Beziehungen. Kommunikation, Gruppenzugehörigkeit und die eigene gesellschaftliche Stellung spielen hier eine Rolle.
Gerade im Arbeitsleben sind Mobbing und Ausgrenzung ein wichtiges Thema, das von Vorgesetzten häufig nicht ausreichend erkannt wird. Dies führt dann zu Einbußen der Arbeitsleistung, zu inneren oder tatsächlichen Kündigungen sowie natürlich zu Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit des Betroffenen.
Die Stufe der individuellen Bedürfnisse – oder auch ICH-Bedürfnisse - prägt die Individualität des Menschen. Wir unterscheiden hier Bedürfnisse, an denen der Mensch selbst arbeiten kann, wie zum Beispiel Erfolg, eigene Interessen und Hobbys, sowie solchen, zu deren Erreichen andere Menschen beitragen. Zum Beispiel Wertschätzung, Status, Einfluss. Am Status können wir selbst arbeiten, für die Wertschätzung benötigen wir Andere. Auf der satirischen Seite wird der Status ja häufig mit dem Musterbild dargestellt: wer hat den größeren BMW vor der Tür. Oder auch, bekannt aus der Werbung: mein Haus – mein Auto – mein Boot.
Die oberste Ebene, die der Selbstverwirklichung, sieht bei jedem Menschen anders aus. Sie ist abhängig von den eigenen Anlagen und bedeutet, die eigenen Potenziale voll auszuschöpfen. Alle Motivationstrainer setzen diese Stufe als Ziel aller Bemühungen.
Das Maslow’sche Modell, das zur Motivationstheorie gehört, geht davon aus, dass zunächst die Bedürfnisse der einen Stufe weitgehend befriedigt sein müssen, bevor die der nächsten Stufe an Bedeutung gewinnen, daher die hierarchische Struktur.
Allerdings hängt die Erfüllung der einzelnen Ebenen nicht nur vom einzelnen Menschen ab. In unserer weitgehend sicheren Welt spielen die beiden unteren Ebenen eine deutlich geringere Rolle als zum Beispiel in der Ukraine oder in Nahost. Auch wird in Kulturen, bei denen die Gemeinschaft im Vordergrund steht, die Individualität und Selbstverwirklichung eher unwichtig.
Was ist ein Bedarf?
Ein Bedarf ist deutlich komplexer als ein Bedürfnis.
Bedarf ist der Wunsch des Menschen nach einem bestimmten Produkt oder einer spezifischen Dienstleistung und bildet damit die Nachfrage zu Produkten oder Dienstleistungen. Der Bedarf bezieht sich auf äußere Ressourcen, die notwendig sind, ein Bedürfnis zu befriedigen. Bedürfnisse sind individuell, subjektiv und werden von den Erfahrungen des Menschen geprägt, während Bedarf eher objektiv und gewissermaßen universell ist.
Ein Beispiel: es besteht ein hoher Bedarf an Rohstoffen wie Lithium und Kobalt um das Bedürfnis der Menschen nach Elektroautos zu erfüllen.
Die Rolle von Bedarf und Bedürfnis in der Wirtschaft
In der Wirtschaft sind die Unterschiede von großer Bedeutung. Sowohl Hersteller als auch Unternehmer versuchen die Bedürfnisse der Verbraucher zu erkennen – nicht selten auch zu steuern - und zu befriedigen, indem sie Produkte anbieten, die diese Bedürfnisse zu erfüllen.
Hier spielt Marktforschung und Marketing eine wichtige Rolle. Unternehmen versuchen herauszufinden, welchen Bedarf ihre Zielgruppe hat und nicht selten wird das Bedürfnis nach einem bestimmten Produkt durch das Marketing ordentlich vorangetrieben. Denken Sie an die langen Schlangen vor den Geschäften, wenn ein neues I-Phone oder ein neuer Harry-Potter Band erscheint.
Das Verständnis für Bedarf und Bedürfnisse der Verbraucher ist entscheidend für ein Unternehmen. Wie man am Beispiel I-Phone sieht, verändern sich die Bedürfnisse durch Technologien und wirtschaftliche Entwicklungen. Allerdings auch durch sich ändernde Lebensumstände. Vor drei Jahren war der Bedarf der Unternehmen in der Ukraine und das Bedürfnis der Verbraucher am neuesten I-Phone sicher höher als im Augenblick.
Der Unterschied zwischen Bedarf und Bedürfnis ist wichtig, weil er die Wechselwirkung zwischen psychologischen, individuellen Prozessen und den äußeren Umständen erklärt. Menschen müssen ihre Bedürfnisse befriedigen, um sich wohlzufühlen und haben dadurch Bedarf an Instrumenten und Ressourcen.
Im politischen Kontext gesehen soll die gewählte Regierung bzw. deren Maßnahmen, die Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen, also physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse und Wohlbefinden sichern.
Dazu besteht Bedarf an gesetzlichen Regelungen, ausreichend Arbeitsplätzen, Zugang zu Bildung etc., der zu berücksichtigen ist.
Psychologische Betrachtungen
Die Psychologie beschäftigt sich damit, wie Menschen ihre individuellen Bedürfnisse befriedigen und welche inneren und äußeren Ressourcen sie dazu benötigen. Je nachdem wie die Menschen ihre persönlichen Bedürfnisse interpretieren und wahrnehmen, führt dies zu verschiedenen funktionalen oder auch dysfunktionalen Verhaltensweisen. In der klinischen Psychologie kann die Unterscheidung evtl. die Identifizierung psychischer Störungen erleichtern.
Ein Beispiel: Ein depressiver Mensch kann das Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit und Kontakten haben, ist aber durch die Isolation aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage, dieses Bedürfnis zu erfüllen. Er kann natürlich auch durch Isolation depressiv werden.
Therapeuten können hier zusammen mit dem Patienten Strategien entwickeln und Ressourcen fördern, die dem Patienten einen Weg zur Befriedigung seines Bedürfnisses zu ermöglichen.
In der Sozialpsychologie kann die Unterscheidung dazu beitragen, um das Verhalten in Gruppen zu verstehen. Beispielsweise wenn Menschen um begrenzte Ressourcen konkurrieren, um ihr Bedürfnis zu befriedigen. Wenn nicht genügend Ressourcen vorhanden sind, um den Bedarf aller zu befriedigen, beispielsweise Kitaplätze. Dabei kann es durchaus zu sozialen Konflikten kommen.
Die feinen Unterschiede
Um die Unterschiede zwischen Bedarf und Bedürfnis noch einmal zusammenzufassen:
- Ein Bedürfnis ist ein grundlegendes, individuelles Verlangen oder eine innere Anforderung für das menschliche Wohlbefinden
- Ein Bedarf ist die spezifische Art und Weise, wie ein Bedürfnis erfüllt wird
- Bedarf ist eher abstrakt und allgemein, während Bedürfnisse konkret und spezifisch sind
- In Wirtschaft und Politik ist die Unterscheidung von Bedarf und Bedürfnissen von großer Bedeutung für die Feststellung des Bedarfs und die Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung
Die Unterschiede von Bedarf und Bedürfnis sind subtil und trotzdem von entscheidender Bedeutung.
In der Psychologie sind beide Begriffe eng miteinander verknüpft, unterscheiden sich aber in ihrem Ursprung.
Bedürfnisse sind Wünsche und innere Anforderungen, die die Motivation und das Wohlbefinden steuern. Für den Bedarf sind äußere Ressourcen notwendig um das Bedürfnis zu befriedigen.
Die psychologische Perspektive kann dazu beitragen, eine Vielzahl menschlicher Verhaltensweisen zu erforschen und ebenso zu erklären. Und zwar auf sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf persönlicher Ebene.
Autor: Sabine Kaltwasser
Thema: Was ist der Unterschied zwischen Bedarf und Bedürfnis?
Webseite: https://www.sk-mental.de
