Als Erwachsener Probleme mit den Eltern

Es gibt niemanden in unserem Leben, den wir so lange kennen, wie unsere Eltern. Und es gibt keine andere tiefgreifende Bindung, die unlösbar ist, als die zwischen Eltern und Kindern.

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Diese Beziehung ist so facettenreich und einem lebenslangen Wandel unterworfen. Kein Wunder, dass sie ebenso intensiv wie explosiv sein kann.

Endlich 18, endlich Erwachsen! Wissen meine Eltern das auch?

Die ersten beiden Jahrzehnte unseres Lebens sind geprägt durch die Beziehung zu unseren Eltern. Als Kinder sind wir abhängig davon, ob wir gut umsorgt werden oder nicht. In dieser Zeit werden wir auch stark geprägt von der Lebenseinstellung unserer Eltern. Werte werden vermittelt, Anforderungen an die Kinder herangetragen, Glaubenssätze verinnerlicht.

Mit zunehmendem Alter wächst unser Bestreben, uns zu lösen und abzugrenzen. Hier zeigt sich dann, wie groß der Spielraum ist, den wir für unsere ganz individuelle Entwicklung in Anspruch nehmen können. Viele Eltern wollen in bester Absicht das Beste für ihre Kinder. Aber ist es auch das, was die Kinder wollen? Oder nur ein Versuch, weiterhin Einfluss zu nehmen auf das Leben ihres Nachwuchses? Oder sollen sie vielleicht die nicht erfüllten Lebensträume der Eltern leben? 

Viele Eltern geben ihren Kindern Leitsätze mit auf den Lebensweg, die sie entweder erfüllen, oder aber genau das Gegenteil tun. Leider sind diese „Programmierungen“ den meisten jungen Erwachsenen nicht bewusst.

Wie finde ich heraus, was mein ganz persönlicher Lebensweg ist?

Wenn die Schulzeit vorbei ist und der junge Erwachsene „flügge“ wird, geht es sehr stark um Abgrenzung. Der Vater wäre sicher glücklich, wenn der Sohn das Familienunternehmen übernehmen würde, die Mutter sähe als Partner/in des Kindes gerne jemanden aus dem gleichen sozialen Kontext. Das klingt nach uraltem Klischee!

Aber ist es wirklich nur ein Klischee?

In meiner Praxis erlebe ich viele junge Menschen, die große Probleme damit haben, ihre Eltern zu enttäuschen. Sie vollführen einen innerlichen Spagat. Es zerreißt sie buchstäblich, wenn sie merken, dass der Weg, den sie ganz selbstverständlich eingeschlagen haben, sie nicht glücklich macht. Oft wird ein Studium begonnen und nach kurzer Zeit stellt der junge Mensch fest: Das interessiert mich gar nicht! Eine Beziehung, die schon in der Schule geschlossen wurde, wird in Frage gestellt. Der vorgezeichnete Weg ins Familienglück ist vielleicht doch nicht das Richtige?

Ein oft sehr langer Prozess beginnt: Hier ist es wichtig, Bewusstsein dafür zu entwickeln, was ich unreflektiert übernommen habe und was ich wirklich will. Um diesen Prozess zu durchlaufen kann es sehr hilfreich sein, sich zum Beispiel mit seinen Geschwistern auszutauschen. Da sie die gleichen Wurzeln haben, können durch deren Erzählungen oft  eigene „blinde Flecken“ entdeckt werden. Aus therapeutischer Sicht bieten sich hier verschiedene Hilfen an: eine systemische Familientherapie, Familienaufstellungen oder eine Einzelberatung, in der der junge Erwachsene seine ganz persönlichen Erfahrungen mit den Eltern aufarbeiten kann.

Wenn aus Kindern Eltern werden

Egal ob 30 oder 50 Jahre alt, erwachsene Kinder bleiben ihr Leben lang die Kinder ihrer Eltern. Wenn sie nun selber Eltern werden, birgt dieser neue Lebensabschnitt Veränderungen in verschiedene Richtungen:

  • Eltern und die erwachsenen Kinder rücken wieder näher zusammen, weil die Kinder durch die neuen Erfahrungen selbst Eltern zu sein, mehr Verständnis für ihre eigenen Eltern aufbringen. Sie erleben jetzt selbst, wie sehr Kinder die jungen Eltern an den Rand ihrer nervlichen Belastung und Leistungsfähigkeit bringen können. Hier ist eine zurückhaltende, liebevolle Unterstützung der eigenen Eltern sehr wertvoll.
  • Die Eltern trumpfen eher mit gut gemeinten Ratschlägen auf, denn sie haben ja schließlich schon ein paar Kinder großgezogen. Die jungen Eltern, die sich ihre Selbstständigkeit und Unabhängigkeit längst erarbeitet haben, fallen zurück in Kinderrollen: Mutter meint es doch nur gut mit dir! In diesem Fall erarbeite ich mit meinen Klienten, wie sie klare Grenzen setzen. Ein Gespräch mit den Eltern über den Unterschied zwischen Unterstützung und Einmischung ist hier unvermeidlich. Wenn diese allerdings uneinsichtig sind, ist zu überlegen, in wie weit der Kontakt zu den Eltern eingeschränkt werden kann.
  • Die jungen Eltern stellen entsetzt fest, dass sie sich genauso verhalten, wie einst ihre eigenen Eltern. Dabei wollten sie doch alles besser machen!

Dazu kommt, dass beide jungen Elternteile von unterschiedlichen Erziehungsstilen geprägt sind und jetzt verschiedene Maßstäbe anlegen. In diesem Fall ist es sehr wichtig, sich als Paar darüber zu verständigen: Was wollen wir für unsere Kinder? Was ist uns wichtig?

Mit den Eltern auf Augenhöhe?

maedchen schaut in die ferne

Das vierte Lebensjahrzehnt ist erreicht: der Beruf ist ergriffen, an der Karriere wird fleißig gebastelt, die Lebensform: allein, als Paar oder als Familie ist gewählt und der Lebensstil etabliert.

In dieser Lebensphase verändert sich die Beziehung zu den Eltern wiederum: Jetzt sind es die erwachsenen Kinder die mitten im Leben stehen, die Eltern ziehen sich langsam zurück. Während früher die Kinder um Rat gefragt haben, beginnen nun die Eltern, Rat bei ihren Kindern einzuholen.

Es ist an der Zeit, sich aus verbliebenen familiären Verstrickungen zu lösen. Unsere Eltern sind unsere Wurzeln. Deshalb ist es so schwierig, eine filiale Reife zu erlangen. Wir versuchen oft auch als Erwachsene noch, von unseren Eltern das zu bekommen, was uns vielleicht in der Kindheit gefehlt hat. Wir müssen uns darüber klar werden, dass nicht nur die äußere Unabhängigkeit von den Eltern uns auf Augenhöhe bringt, sondern insbesondere die emotionale Unabhängigkeit. Dazu bedarf es oft vieler innerfamiliärer Auseinandersetzungen.

Viele Erwachsene können sie real in Gesprächen mit ihren Eltern führen. Sind die allerdings dazu nicht bereit oder bereits verstorben, kann man die Auseinandersetzungen auch mit psychotherapeutischer Unterstützung ohne die Eltern führen. In meiner Praxis erlebe ich oft, dass noch viele Vorwürfe und Verletzungen nachwirken, Schuldzuweisungen erfolgen. Auf dieser Basis sind lebenslange Probleme mit den Eltern vorprogrammiert.

Wie überwinden wir diese Konflikte mit den Eltern als erwachsene Kinder?

Wir verdanken unseren Eltern unser Leben. Wir verdanken ihnen ihre Unterstützung, die uns geholfen hat, im Leben Fuß zu fassen. Wir müssen uns darüber klar werden, dass sie nicht perfekt sind. Aber: Sie haben ihr Bestes gegeben!

Vielleicht war das nicht genug. Vielleicht gab es auch Zeiten, Situationen, Ereignisse, die uns eher geschadet haben. Trotzdem muss ich als Erwachsener die Verantwortung für mein Leben übernehmen. Ich kann mich nicht darauf zurückziehen, alle Misserfolge, psychische oder körperliche Beeinträchtigungen, misslungene Beziehungen etc. damit zu begründen oder zu entschuldigen, weil meine Mutter/meine Eltern damals….

Das zu begreifen, ist der erste Schritt auf eine Versöhnung zu, den ich versuche in der Therapie zu transportieren.

Dankbarkeit und Respekt den Eltern gegenüber helfen uns, innerlich wirklich unabhängig zu werden. Solange ich Vorwürfe mit mir herumtrage, bleibe ich in der negativen Bindung.

Oftmals ist es auch hilfreich, die eigene Geschichte der Eltern in den Fokus zu nehmen. Wie sind denn meine Eltern aufgewachsen? In welcher Zeit? Mit welchen Erziehungsmaximen? Welchen Werten? „Lassen Sie Ihre Eltern mal erzählen aus ihrer Kindheit, von ihren Eltern. Welche Träume/Ziele hatten Ihre Eltern als sie jung waren? Was davon konnten sie umsetzen?“ rate ich meinen Klienten. Oft entwickelt sich daraus ein Verständnis für die Eltern, dass es vielleicht einmal möglich macht, den Eltern zu verzeihen.

So erhalten wir uns die Freiheit, sie weiterhin lieben zu dürfen. Und wir dürfen sie auf Distanz halten, wenn das für uns stimmig ist. Eine längere Funkstille kann heilsam sein, wenn der Weg zu einem Aussöhnungsprozess noch in weiter Ferne liegt. Wir können den für uns richtigen Umgang mit ihnen finden.

Wenn die Eltern alt werden

mutter tochter haengematte spielplatz

Dieser Abschnitt der Eltern-Kind-Beziehung ist wieder ein ganz Besonderer. Kinder begleitet man auf ihrem Weg ins Leben, Eltern auf ihrem Weg durch das Alter zum Tod.

Er ist gekennzeichnet durch:

  • Verhaltensweisen der Eltern, die uns schon als Kinder genervt haben, verstärken sich.
  • Es setzt nach und nach eine Rollenumkehr ein: der Erwachsene erklärt den Eltern die Welt.
  • Der Erwachsene übernimmt in bestimmten Bereichen die Verantwortung für die Eltern, jetzt werden sie abhängig.
  • Dem Erwachsenen wird sein eigenes Altern gespiegelt.

Wie geht man jetzt mit dieser Situation um? Viele emotional schwierige Fragen und ambivalente Gefühle tauchen nun auf. Pflichtgefühle, Konkurrenz zu den eigenen Kindern, den eigenen Wünschen nach Unabhängigkeit. Die Liebe zu den Eltern und die Liebe zur eigenen unabhängigen Lebensführung muss in eine Waage gebracht werden.

Die Fragen: „Was kann ich und was will ich geben?“ und „Wo sind meine Grenzen?“, sind die häufigsten, mit denen ich in meiner Praxis zu tun habe. Diese zu beantworten setzt absolute Ehrlichkeit sich selbst gegenüber voraus und den Mut, sie den Eltern gegenüber zu vertreten.

Schuldgefühle und Ansprüche von Seiten der Familie und der Umgebung sind da ein schlechter Ratgeber!

Wenn die vorherigen Reifungsprozesse gut gelaufen sind, kann auch dieser Abschnitt gemeistert werden.

Autor: Donate Stahn, Diplom-Psychologin
Thema: Als Erwachsener Probleme mit den Eltern
Webseite: https://www.psychotherapie-hennen.de

#Erziehung, #Familie, #Krisen, #Probleme

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