Erschöpfungssyndrom - Psychische Erschöpfung

Wie erschöpft sind Sie, Ihre Familie, Freunde, Kollegen zurzeit? Können Sie sagen, woran Sie die Erschöpfung festmachen?

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Wenn es uns auffällt, dass wir uns erschöpft fühlen ist „das Kind“ meist schon „in den Brunnen gefallen“. Unstrittig haben uns die letzten zwei Jahre in der Pandemie auf die eine oder andere Weise viel abverlangt. Mit einer bisher völlig unbekannten Situation konfrontiert führte die anfängliche Unwissenheit bei vielen Menschen zu einem Gefühl von Unsicherheit bis hin zu großer Angst. Und dies unweigerlich zu mehr oder weniger bewusst erlebtem Stress und erhöhter Anspannung. Obwohl wir im Laufe der Zeit durch Erfahrungen und Fortschritten in Forschung und Vorsorge einen besseren Umgang damit entwickelt haben müssen wir lernen, dass wir uns immer wieder neu anpassen müssen, eine Rest-Ungewissheit bleiben wird, was zu einer latenten Daueranspannung führen kann. Und schließlich zu Erschöpfung.

Dabei ist die Pandemie selbstredend nicht die einzige Belastung, die wir bewältigen müssen. Sowohl vor dem Hintergrund der derzeit besonders krisenbeladenen Welt als auch im eigenen individuellen Leben. Jeder Mensch ist mehr oder weniger ständig äußeren und inneren Anforderungen und Belastungen ausgesetzt, die wir mal leichter oder unbewusst bewältigen oder die uns auch mehr Kraft abverlangen können. Seien es etwa aktuell steigende Lebenshaltungskosten, die zu finanziellen Sorgen führen, dauerhafte Unzufriedenheit mit den Bedingungen im Job, Isolation im Home-Office, Doppelbelastungen mit Arbeit und Familie, zermürbende ungelöste Konflikte mit wichtigen Personen, Trennungen oder andere entscheidende ungewollte Lebensveränderungen.

Psychische Erschöpfung entsteht, wenn – stark vereinfacht - die Summe der Energie, die wir verbrauchen größer ist als die Summe der Energie, die wir wieder aufnehmen bzw. selbst „herstellen“ können. Wir verbrauchen zu viel, wenn wir dauerhaften Stress erleben, den wir nicht mehr genügend ausgleichen können und Psyche und Körper in ihrer immer grundlegenderen Substanz angegriffen werden.

Im besten Fall achten wir darauf, diesen Belastungen etwas entgegenzusetzen, spüren intuitiv eine Dysbalance und suchen nach Wegen, einen Ausgleich herzustellen und wieder Energie zuzuführen. Wenn der Job z.B. zu sehr belastet, finden wir in einem anderen Lebensbereich einen Ausgleich, vielleicht in Form von extra liebevollen Stunden mit dem Partner oder dem Zusammensein mit Freunden. Oder wir versuchen, das Problem zu lösen und Veränderungen herbeizuführen. Oder wir suchen uns ein neues Hobby, was uns erfreut und interessiert, oder einen Ausgleich, der Sinn stiftet.

Wenn wir sehr achtsam sind, können wir die ersten Anzeichen von Erschöpfung wahrnehmen und frühzeitig dafür sorgen, die Energiespeicher wieder aufzuladen, auch indem wir mehr Pausen machen und unserem Organismus wieder Zeit für Erholung geben.

Es kann daraus aber auch schleichend ein Erschöpfungssyndrom entstehen, welches Krankheitswert hat und die unterschiedlichsten Erscheinungsformen aufweisen kann. Da Erschöpfung auch Teil anderer organischer Erkrankungen sein kann, ist eine ärztliche Abklärung im ersten Schritt unerlässlich. Sind solche Ursachen ausgeschlossen und es handelt sich um eine Form der psychischen Belastung ist ein Erschöpfungssyndrom an unterschiedlichen Merkmalen zu erkennen. Sei es eine erhöhte geistige Ermüdbarkeit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit und schnell abnehmende Leistungsfähigkeit oder ein Gefühl der körperlichen Schwäche, Müdigkeit nach geringsten Anstrengungen, oft bei gleichzeitiger Unfähigkeit, sich zu entspannen. Häufig treten zunehmende Reizbarkeit, Ängstlichkeit, innere Unruhe und ein gestörter Schlaf hinzu. Oder eine bedrückte Stimmung, eine Anhedonie, ein Verlust des Selbstvertrauens. In manchen Fällen kann von einem Burnout-Syndrom gesprochen werden, was einen Endpunkt und auch einen tiefgreifenden Prozess beschreibt, eines Selbst-Verlusts mit einer totalen seelischen und körperlichen Erschöpfung. In vielen Fällen erreicht die Symptomatik einen Schweregrad, dass wir von behandlungsbedürftigen Störungen wie etwa Depressionen oder Angststörungen sprechen müssen. Häufig auch begleitet von somatischen Beschwerden, z.B. im Magen-Darm-Bereich, Tinnitus, Rücken- oder Kopfschmerzen, für die es keine organische Ursache gibt. Oder eine erhöhte Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten, da durch den Dauerstress das Immunsystem geschwächt wird. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Hierbei ist eine passende Behandlung mit Psychotherapie erforderlich und es sind deutlich längere Zeiträume der Rekonvaleszenz zu erwarten. Oft sind die Übergänge fließend und wir erkennen den Handlungsbedarf erst, wenn unsere Psyche oder unser Körper heftige Signale senden.

Erschöpfung, Stress und Angst hängen unmittelbar zusammen. Oder auch mit anderen belastenden Emotionen wie Trauer und Traurigkeit, Frustration, Ohnmacht, Resignation, Schuldgefühlen, Wut. Erleben wir etwas subjektiv als bedrohlich wird auf biologisch vorprogrammierte Weise eine Stressreaktion ausgelöst, die uns mittels Flucht oder Kampf vor dieser Gefahr schützen und unser Überleben sichern soll. Das kann also sehr sinnvoll sein. Ein potenziell gefährliches Virus oder einen Krieg wird vermutlich wohl jeder als bedrohlich empfinden, allerdings variiert die subjektive Einschätzung dieser Gefahren. Entscheidend ist somit immer die individuelle Bewertung einer Sache. Bei Gewöhnung nimmt die subjektive Wahrnehmung von Bedrohlichkeit auch wieder ab, z.B. wenn ich mich nach zwei Jahren Pandemie nicht infiziert habe oder eine Infektion gut überstanden habe.

In anderen Fällen kann es aber passieren, dass wir subjektiv Gefahren wahrnehmen, die vor allem mit den eigenen hohen Ansprüchen einhergehen und die von Dritten nicht selten als übertrieben angesehen werden. Wir können hohen eigenen oder äußeren Erwartungen hinterherjagen, die nur mit großer Anstrengung oder vielleicht gar nicht erfüllbar sind. Kennen Sie das auch, das Gefühl, dass es nie genug ist? Bestimmte anhaltende Erlebens- und Verhaltensmuster bzw. Persönlichkeitszüge machen anfälliger dafür – etwa ein stark kontrollierender Stil, Perfektionismus, extremer Ehrgeiz, sich beweisen-Müssen, ein sich aufopfernder Stil, ein „Helfer-Syndrom“, ein dramatisierender Stil („Drama-Queen“).

Neben körperlicher Aktivität haben also auch eine hohe geistige Aktivität, verbunden mit emotionalen Belastungen einen hohen Stellenwert, Energie übermäßig zu verbrauchen und Erschöpfung zu begünstigen. So binden ständiges Grübeln und sich sorgen viel Energie, die zu einem hohen Energieverbrauch beitragen. Bis zu einem gewissen Grad ist es natürlich sinnvoll und nützlich, sich Gedanken zu machen, etwa um Probleme zu lösen oder Erlebtes zu verarbeiten. Grübeln kann aber auch zur unangenehmen Gewohnheit werden und als Risikofaktor verstanden werden, irgendwann einmal eine psychische Störung zu entwickeln.

Welche Wege führen aus der Erschöpfung und dem Stress? Wie kann ich prophylaktisch vorbeugen und für eine gesunde Energiebilanz sorgen? Und was kann ich bei einem Erschöpfungssyndrom tun? Im letzteren Fall sollte professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden - mit Hilfe ärztlicher Abklärung sowie Psychotherapie. Ärzte und Therapeuten werden Sie beraten, welche Form die passende für Sie ist.

Zur Bewältigung und Prophylaxe von Stress und Erschöpfung sind Stressbewältigungsstrategien in jedem Fall individuell zu entwickeln, so individuell unsere Lebenssituationen sind und auch, da Stress immer subjektiv erlebt wird. Auch hierbei kann psychologische Beratung hilfreich sein.

Grundlegend gilt es jedoch, die Energiespeicher wieder aufzufüllen, um Ressourcen aufzubauen und Belastbarkeit wieder herzustellen. Das bedeutet, den (körperlichen und mentalen) Aktivitätsmodus herunterzufahren und den Organismus in einen wirklichen Ruhezustand zu bringen. Ein guter und erholsamer Schlaf ist dafür wichtig sowie mehrere regelmäßige Pausen im Laufe eines Tages. Es reicht also nicht, unter Dauerstress monatelang auf einen Urlaub hinzuarbeiten (der nicht selten auch nicht als so erholsam gestaltet wird), sondern jeden Tag mehrfach für regelmäßige Auszeiten und Erholung zu sorgen.

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An Methoden der Entspannung führt daher in der Regel kein Weg vorbei. Denn Entspannung ist das Gegenteil von Anspannung, Stress und somit von einem zu hohen Energieverbrauch. Wir können Entspannung auf unterschiedlichen Wegen erreichen, sowohl über die körperliche Ebene als auch über die geistige. Egal, wo wir ansetzen, führt Entspannung immer zu einer ganzheitlichen Reaktion auf allen Ebenen: des Körpers, der Emotionen, der Gedanken und des Verhaltens/der Psychomotorik sowie der Sinneswahrnehmung. Im Angebot gibt es unterschiedliche körperliche Methoden, allen voran die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson (PMR) oder Autogenes Training. Wenn wir auf geistiger Ebene ansetzen möchten, haben sich Methoden wie Meditation bewährt, ebenso wie Mischformen wie Yoga, Achtsamkeitsübungen o.ä. Neben gezielter Entspannung ist ebenso Bewegung zum Spannungsabbau zu empfehlen, insbesondere Ausdauer-Sport oder auch Spazierengehen. Die bei Stress (für Kampf oder Flucht) bereit gestellte Energie wird dann auch genutzt, abgebaut und sorgt nach der Anstrengung für die Entspannungsreaktion. Bei einem hohen Maß an Erschöpfung sollten zusätzliche Energieräuber wie exzessiver Sport jedoch vermieden werden. Ein kurzer Spaziergang von mind. 10 Minuten kann bereits helfen, um in einen entspannteren Zustand zu kommen.

Bei hartnäckigen ungünstigen Verhaltensmustern, die immer wieder zu einer Selbstüberforderung und damit starker Erschöpfung führen, kann es hilfreich sein, im Rahmen einer psychologischen Beratung oder einer Psychotherapie den unbewussten (biografischen) guten Gründen für dieses Erleben und Verhalten auf den Grund zu gehen und sie auf bewusste Weise in einem neuen Licht zu betrachten. Damit verbunden ist das Ziel, sich davon besser lösen zu können und somit förderliche gesündere neue Verhaltensweisen leichter erlernen und im Alltag wirklich integrieren zu können.

Autor: Melanie Lüdtke, Heilpraktikerin für Psychotherapie
Thema: Erschöpfungssyndrom
Webseite: https://www.melanieluedtke.de

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