„Ich glaube, ein Mann will von einer Frau das gleiche wie eine Frau von einem Mann: Respekt."
-Clint Eastwood-
„Liebe", „Nähe", – so weit, so gut, das sind für sehr viele Menschen die Grundlagen einer Beziehung. Doch was ist mit „Respekt"? Fragen wir danach, ist die einhellige Antwort: der muss natürlich vorhanden sein. Was genau beinhaltet es eigentlich, seinen Partner oder seine Partnerin mit Respekt zu behandeln? Hier herrscht häufig Schulterzucken, viele Menschen haben keine konkrete Vorstellung davon, was es bedeutet, respektvoll zu sein. Wie schaffen wir es, diesen Begriff mit Leben zu füllen?
Hören wir wirklich zu? Und was ist mit den Antworten?
„Mh, ja. Echt?" Irritiert gucken wir unseren Partner an – und schweigen. Nach ein paar Sekunden blickt er vom Handydisplay hoch, fragend – warum wir nicht weiterreden? Weil er nicht bei der Sache ist, zumindest nicht bei der einen - nämlich beim Zuhören.
Dem anderen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken, sagt: „Du bist meine volle Aufmerksamkeit wert, es ist von Belang, was Du sagst, es interessiert mich, was Du mir mitteilen möchtest". Nur mit halbem Ohr hinzuhören, zu lesen, zu schreiben oder im Netz zu surfen, während der andere redet – das verursacht das Gefühl, nicht wichtig zu sein, sondern eine dieser langweiligen Talkshows, bei der man nebenbei noch ein Buch lesen muss.
Und dann gibt es noch die Variante, dass wir definitiv zuhören – wir gucken, nicken, schweigen. Thema durch. Wir machen quasi den Deckel vom Eimer hoch, lassen den anderen abladen und klappen den Deckel wieder zu. Mit respektvoller Kommunikation, einem Austausch, einem teilhaben am Innenleben des Partners hat auch das wenig zu tun.
Also – Handys weg, Fernseher aus und nicht nur hinhören - sondern zuhören und darüber nachdenken, was der andere uns gerade erzählt – und damit einen echten Austausch pflegen.
Welche Spiele spielen wir noch?
Wer kennt sie nicht - diese Fragen vom Anfang, dieses „Wer meldet sich zuerst – und nach wieviel Tagen?" Den anderen zappeln lassen, sich interessant machen, nur nicht zuviel von sich zeigen, dabei die Tür zum Herzen geschlossen und die Hintertür immer eine Handbreit offen halten. „Ich liebe Dich"? Puh. Das wäre schon ein großer Schritt, den soll der andere mal ruhig zuerst gehen, außerdem sind wir uns ja auch noch gar nicht sicher, ob der große Begriff „Liebe" so passt. Wenn wir so in eine Beziehung gehen, kommen wir nicht weit, vor allem kommen wir dem anderen nicht wirklich nahe. Nähe-Distanz-Spielchen zu spielen, um die eigenen Gefühle zu schützen, sind durchaus nachvollziehbar, besonders wenn wir schlechte Erfahrungen gemacht haben, doch welche ist die Richtung, in die wir grundsätzlich in unserem Leben gehen möchten? Wollen wir den Zynismus siegen und die Vorsicht walten lassen? Und was ist mit den Gefühlen unseres Partners? Wer uns seine Gefühle offenbart, hat unseren Respekt verdient – und wenn es nicht die Angst ist, sondern wir einfach (noch) nicht empfinden können, was der andere uns entgegenbringt, dann sollten wir soviel Respekt haben, es ihm ehrlich zu sagen - anstatt Spiele zu spielen. Doch mit der Ehrlichkeit ist es ja mitunter so eine Sache …
Hand aufs Herz - sind wir wirklich ehrlich?
Wissenschaftler schätzen, dass wir bis zu 200 Mal am Tag lügen. Per Definition ist eine Lüge eine Lüge, wenn wir jemandem bewusst etwas sagen, von dem wir wissen, dass es nicht der Wahrheit entspricht – und gesellschaftlich hat es die Lüge wirklich nicht leicht – gilt sie doch als moralisch verwerflich. Doch wie kommt es dann zu dieser Zahl, 200 Mal pro Tag? Sind wir alle charakterlich indiskutabel, haben wir kein Rückgrat - würde ein mobiler Lügendetektor den ganzen Tag Alarmstufe Rot anzeigen? Und wo verlaufen die Grenzen zwischen lügen, notlügen, schwindeln, verschweigen? Soviel ist klar: Eindeutige Grenzen gibt es nicht. Trägt der Partner die Haare neuerdings etwas lichter als noch vor zehn Jahren, ist niemandem geholfen, wenn wir auf die Frage ob uns diese Frisur genauso gut gefällt wie die mit vollem Haar absolut ehrlich antworten: „Nein. Ich mochte Deine vollen Haare schon sehr." Es ist schließlich keine Jacke, die der andere einfach ausziehen kann.
Ein liebevoller Respekt vor dem Gefühlsleben des anderen kann hier der richtige Wegweiser sein, doch die Geister scheiden sich auch bei emotional pikanteren Themen: Von „Den einen Kuss, das solltest Du nicht erzählen, das macht mehr kaputt als dass es irgendjemandem etwas bringt" bis zu einem verschwiegenen Doppelleben reicht der Umgang mit der Wahrheit und der Lüge. Wieviel Wahrheit die Partnerschaft verträgt und tragen kann, ist individuell, doch eins ist sicher: Je weniger von der emotional relevanten Ehrlichkeit in einer Beziehung vorhanden ist, desto weniger Nähe kann sich einstellen. Eine echte Verbindung kann nicht entstehen, wenn wir dem anderen nur einen anteiligen Einblick in unser Innenleben gewähren. Falls wir der Ansicht seien sollten, Vieles nicht erzählen zu können, weil wir sonst unsere Beziehung gefährden würden - dann sollten wir zumindest ehrlich zu uns selbst sein - und uns fragen, ob dies hier wirklich die Beziehung ist, die wir führen möchten.
Der Stärkere gewinnt. Ist das so?
Machtkämpfe können dauern. Und an den Nerven zerren und von den Kräften zehren. Mitunter kämpfen Partner bis einer von beiden keine Lust mehr hat und klein beigibt während der andere ein Gefühl von Sieg verspürt. Doch hat dieser Sieg häufig einen schalen Beigeschmack, denn wenn wir mal ehrlich sind – so richtig gut fühlt sich diese Art des Gewinnens gar nicht an, oder?
Woher kommen diese Machtkämpfe, was steckt dahinter?
Kontrolle ist bei vielen von uns ein relevantes Thema – wer in seinem Leben schon einmal verletzt wurde, einen Verlust erlitten hat oder auf einem anderen Weg das Gefühl hatte, einer Situation ohnmächtig ausgeliefert zu sein, dem ist es umso wichtiger, eine Beziehung im Griff zu haben und das Steuer unter gar keinen Umständen aus der Hand zu geben. Damit geht auch einher, dass der Partner meint, es sei ein Zeichen von Schwäche, sich und dem anderen einzugestehen, dass man Unrecht hatte, sich gar für etwas zu entschuldigen. Hinter diesem Wunsch nach Kontrolle steht oft das Bedürfnis, sich nicht klein zu machen, nicht angreifbar zu sein, das Zepter in der Hand zu behalten – denn alles andere könnte ein Risiko bedeuten. Das Risiko, angreifbar zu sein und verletzt zu werden, wenn wir uns zu sehr öffnen. In einer respektvollen Partnerschaft aber kommt es auf genau dieses Gleichgewicht an, nicht darauf, wer den höchsten Punktescore hat. Und so können wir uns regelmäßig selbst fragen: Wann haben wir das letzte Mal nachgegeben, uns hinterfragt, uns entschuldigt – die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass wir falsch lagen - und dass unser Partner Recht hatte?
Wir sollten bei diesen Fragen immer berücksichtigen, dass wir als Paar nur gemeinsam gewinnen können – oder gemeinsam verlieren.
Wer ist hier so richtig wichtig?
Wissen Sie, was Ihr Partner aktuell für Themen mit sich herum trägt, wie er oder sie sich fühlt, mit welchen Kollegen Stress im Büro ist, woran er arbeitet, was sie für Karrierewünsche hat, welche Sorgen er sich macht oder wie sie sich ihre gemeinsame Zukunft vorstellt? Nein?
Wenn wir das Gefühl haben, zwar stets im Austausch miteinander zu sein, von der Innenwelt unseres Partners aber eigentlich keine richtige Idee haben, dann läuft etwas schief. Den anderen zu respektieren, bedeutet nicht nur, sie oder ihn an den eigenen Gedanken teilhaben zu lassen, es bedeutet ebenso, sich für die Innenwelt des anderen wirklich zu interessieren, den Partner als Mensch erfassen zu können und durch den Alltag, die Tage oder Jahre aufmerksam an seiner Seite zu sein. Den anderen genauso wichtig zu nehmen wie sich selbst – ist nicht nur ein besonders inniges Gefühl, es zeigt auch den wichtigen liebevollen Respekt, den der Mensch an unserer Seite verdient.
Können wir zwei Welten in einer ertragen?
Geht man eine Beziehung mit einem anderen Menschen ein, so entsteht automatisch etwas übergeordnetes Neues, ähnlich der Entstehung eines Kindes aus zwei Keimzellen.
Doch anders als beim Wachsen eines Kindes verschmelzen Eigenarten und Vorlieben nicht komplett. Es entsteht automatisch ein Spannungsfeld zwischen Nähe und Distanz. In stressfreien Phasen ist es kaum spürbar, doch wie können die Partner dafür sorgen, dass es auch in stressigen Momenten nur so wenig Reibung wie nötig gibt?
Dass wir uns mitteilen, ist wichtig. Welche Bedürfnisse haben wir? Welche Bedürfnisse hat der Partner? Welche Möglichkeiten gibt es, dass beide befriedigt werden können?
Auf einem Social-Media-Kanal stand mal folgendes: „Immer wenn meine Freundin Kartoffelbrei macht, lässt sie ihn etwas gröber, weil ich es so lieber mag. Und wenn ich Kartoffelbrei mache, mache ich ihn immer ganz fein, weil es ihr so besser schmeckt.“
So einfach es auch klingt, wir kommen immer wieder an den Punkt, dass das Geheimnis einer harmonischen und respektvollen Partnerschaft im Geben und nicht im Nehmen beziehungsweise im Einfordern besteht.
Aber - auch das gehört zu einer respektvollen Partnerschaft - man sollte sich weder komplett aufgeben noch sollten wir dem Partner alles ermöglichen, in der Hoffnung, wir würden etwas zurück erhalten.
Das von uns beschriebene Modell funktioniert nur dann, wenn beide Partner sich vom jeweils anderen gesehenen und beachtet fühlen.
„Bitte entschuldige" – heute schon über die Lippen gebracht?
Wir haben vor vielen Jahren bei einem älteren Paar ein gesticktes Bild gesehen, auf dem ein Haus abgebildet war, unter dem stand: „Eine gute Ehe ist wie ein Haus mit zwei Blitzableitern.“
Ein einfacher Satz, der jedoch viel Wahrheit in sich birgt. Jeder Mensch in einer Partnerschaft ist dann und wann einmal der Blitzableiter für den anderen. Das bringt die emotionale Nähe mit sich.
Doch was, wenn man dem Partner Dinge zuschiebt, die nicht der Wahrheit entsprechen? Sind wir in der Lage, eigenes Fehlverhalten nachträglich zu identifizieren und dafür um Entschuldigung zu bitten? Oder ziehen wir uns rechthaberisch in den Schmollwinkel zurück?
Um Entschuldigung bitten zu können ist eine wichtige Form von Respekt. Es beinhaltet ein Zurücktreten von der eigenen Position und ein Reichen der Hände in Richtung des Partners. Dadurch sind wir in der Lage, die Beziehung wieder ganz klar und eindeutig vor allen anderen Themen zu sehen.
Sollten wir doch einmal beim besten Willen kein Fehlverhalten bei uns finden können, so haben wir die Möglichkeit, zumindest unser Bedauern auszudrücken: „Es tut mir leid, dass Du Dich verletzt gefühlt hast.“
Doch Vorsicht: Ein „Entschuldigung“, das nur so dahin gesagt ist, ist das Gegenteil eines respektvollen Umgangs. Es bedeutet: „Ich möchte nur meine Ruhe und was Du sagst ist mir eigentlich egal.“
Welcher Ton macht unsere Beziehungsmusik?
Bei Paaren, die schon länger zusammen sind, lässt sich manchmal eine „Verrohung der Sitten“ erkennen. Dort ist der Respekt schon lange gewichen und es wird sich angekeift, beleidigt und runtergeputzt. Und zwar alltäglich. Da es so scheint, als wäre es dem Paar gleichgültig, ob es jemand mitbekommt - so dass sich auch im Supermarkt angeranzt wird - liegt die Vermutung nahe, dass es sich um den normalen Umgangston handelt. Würde man so ein Paar auf Video aufnehmen und ihm die Sequenz mit etwas zeitlichen Abstand vorspielen, wäre es vermutlich entsetzt, betroffen oder auch traurig. Denn der Ton macht nicht nur die Musik, er ist die Grundlage unserer Welt als Paar, in der wir uns bewegen – und es liegt an uns, ob in dieser Welt ein rauer Umgang herrscht oder ein liebevoller.
Eins sollte uns immer bewusst sein: Wie wir mit unserem Partner sprechen – das macht etwas mit ihm als Mensch, unser Umgang mit ihm vermittelt ihm das Gefühl, wertvoll zu sein – oder es wert zu sein, dass er verbal mit Füßen getreten oder vorgeführt wird. Sind wir als Paar an diesem Punkt angelangt, dann steht wieder einmal die Frage nach der Liebe im Raum – lieben wir den anderen wirklich? Ja? Sollten wir dann nicht den Wunsch haben, dass es ihm gut geht? Sollte eine Beziehung nicht dafür da sein, dass wir für das Leben des anderen eine Bereicherung sind – und er nicht als Kommunikationsboxsack für unsere Alltagsstimmungen herhalten muss? Worte sind schnell gesagt und bleiben oft lang im Herzen, und ein Ton kann nicht nur Glas zum Zerspringen bringen. Wir sollten achtsam mit beidem umgehen.
Da passt kein Blatt dazwischen?
„Ach, da hätte ich ja auch Lust zu. Aber mir fehlt abends einfach die Zeit!" „Kein Wunder, sie verbringt ja auch drei von fünf Abenden mit superschlauen Hausfrauenserien!" Der Mann lacht schallend, ein paar der Partygäste lachen ein bisschen mit, sie guckt gequält und verlegen und der Rest der Gäste ist peinlich berührt. Bei nächster Gelegenheit tätschelt sie ihm über den Bauch und lässt bei der Sportdiskussion Kommentare fallen wie „Könnte Dir auch mal wieder gut tun, ein bisschen Joggen!" Wer kennt sie nicht? Paare, die kaum eine Gelegenheit auslassen, sich vorzuführen und Witze auf Kosten des Partners zu machen. Zu Beginn des Abends wird der Respekt an der Garderobe abgegeben, die Geschütze werden aufgefahren – Frust und Unzufriedenheit bahnen sich ihren Weg in Form von Herabsetzungen des Partners vor anderen.
Und auch wenn die Situationen nicht bei allen so extrem sind, lohnt sich in regelmäßigen Abständen der Blick auf die Frage: Wie eng sind wir als Paar beieinander? Passt kein Blatt dazwischen oder klafft eine Lücke, in die die Brockhaus Enzyklopädie passt?
Zu einem Paar, zwischen das kein Blatt passt, gehört der Respekt vor dem Partner – nicht nur unter vier Augen, sondern auch in Gegenwart von anderen. Dazu zählt, keine intimen Anekdoten zum Partygespräch zu machen, nicht über Schwächen des Partners Witze zu reißen und vor allem in Diskussionen mit anderen zum seinem Partner zu stehen. Wenn man etwas nicht gut findet, was der andere sagt oder tut, dann gehört diese Diskussion nicht auf eine Partybühne, sondern in die heimischen vier Wände. Nach außen sollte man als Paar eine Einheit darstellen.
Autor: Julia Schröder-Göritz, Jan Göritz
Thema: Respekt in der Beziehung
Webseite: https://www.jangoeritz.de, https://www.praxis-schroeder-goeritz.de