Was versteht man unter dem Begriff „Liebe“

Stellt man diese Frage im Freundeskreis und sucht im Internet danach, so wird sie als ein „starkes Gefühl des Hingezogenseins und der Zuneigung zu einem Menschen mit starker körperlicher, geistiger, seelischer Anziehung verbunden mit dem Wunsch nach Zusammensein und Hingabe“ beschrieben.

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Hierbei gibt es unterschiedliche Arten der Liebe die vom Verhältnis der Personen zueinander, wie bspw. Eltern, Kindern, Freizeitpartner, definiert werden. In der systemischen (Paar-)Beratung wird eine Veränderung bei Menschen beobachtet, die sich verlieben, nämlich durch Bildung von Unterschieden zu einer bisherigen Situation. Dies könnte auch so beschrieben werden, dass nun neue Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen in das Leben einer oder mehrerer Personen auftreten, die bisher in dieser speziellen Art und Weise noch nicht vorhanden waren und somit eine Unterscheidung zur bisherigen Lebenssituation darstellen. Jede Person verarbeitet diese neuen Reize bzw. Vorgänge auf ihre spezielle Art und Weise, was auch als strukturdeterminierte Selbstorganisation bezeichnet wird. Weiterhin finden Wechselwirkungen mit anderen Personen statt. Verlieben sich zwei Personen, so tauschen diese sich über bestimmte Kommunikationsstrukturen aus und beeinflussen sich so gegenseitig. Hierbei findet eine Fokussierung auf bestimmte Reize statt, einige werden somit verstärkt aufgenommen (z. B. das Lächeln des Partners/der Partnerin) und andere eher ausgeblendet (die neue Bluse der Kollegin oder ein Treffen mit Freunden). „Liebe“ kann somit auch ein als Phänomen der Aufmerksamkeitsfokussierung beschrieben werden, der die anfängliche „rosarote“ Wolke zwischen den Partnern verstärken und eine gewisse Weise erhalten kann. Körperliche Reaktionen wie die Ausschüttung bestimmter Hormone, ein gewisses Wohlbefinden und vermehrtes Lächeln verstärken in der Folge diese ersten Kreisläufe. Sie sichern oftmals in der Folge auch das Überleben einer Spezies, indem sie den Paarungserfolg erhöht und zu Nachwuchs führt. Leider hat sie auch die Kraft moralische Hemmschwellen zu missachten und kann zu Eifersucht, Depressionen und Beziehungstaten führen. Eine dynamische Mischung also.

„Liebe“, als sich stetig verändernder Prozess, wird in unserer Gesellschaft in gewisse Phasen eingeteilt, die jedoch auch früher enden oder länger anhalten können. Manchmal endet die Beziehung auch in einer der vorgestellten Phasen.

1. Die Verliebtheitsphase

Die erste Phase jeder Liebe ist die Verliebtheitsphase. Der Herzschlag erhöht sich, die Haut ist feuchter und die Wangen sind stärker durchblutet. Der präfrontale Cortex reduziert seine Aktivität, wodurch das rationale Denken in den Hintergrund tritt und das limbische System prägt stärker diese Phase durch emotionale Entscheidungen und das Glückshormon Dopamin wird stark ausgeschüttet. In dieser Phase trägt man die sogenannte rosarote Brille, hat Schmetterlinge im Bauch und schwebt auf Wolke sieben. Unsere Partnerin bzw. unser Partner erscheint uns in dieser Phase fast vollkommen und wir erkennen keine Schattenseiten an ihr bzw. ihm. Wir sind wie „blind vor Liebe“. Wir können das nächste Treffen kaum erwarten, überraschen unseren Partner immer wieder mit kleinen Geschenken und Aufmerksamkeiten und erleben meistens eine bewegende Sexualität.

Diese Phase ist sehr endscheidend für eine mögliche spätere Stabilität der Partnerschaft, denn hier wächst das Paar zusammen, erste Abläufe (Muster) werden geprägt, die sich später oft nicht mehr einfach verändern lassen (wer räumt die Socken vom Boden weg, wer dreht die Zahnpastatube zu und wer nicht). Die Verliebtheitsphase ist nach ca. 3 bis 18 Monaten vorbei – die Schmetterlinge im Bauch verschwinden und manchmal auch die Partnerschaft. Hier zeigt sich, ob die Partner an einer Beziehung „arbeiten“ möchten, welchen Einsatz sie zu geben bereit sind und welche Vereinbarungen hilfreich getroffen wurden und werden, um den Alltag gemeinsam gestalten zu können. Eine tiefgreifende Liebesbeziehung kann dadurch entstehen, die auch schlechte Zeiten überleben kann.

2. Das Verliebtheitsgefühl verändert sich

In der zweiten Beziehungsphase nehmen die Partner die rosarote Brille ab, die Rauschzustände verändern sich und wir sehen plötzlich Eigenschaften und Verhaltensmuster, die wir zuvor an unserer Partnerin bzw. unserem Partner nicht wahrgenommen haben, eine neue Unterscheidung wird somit gebildet. Der Partner wird anders wahrgenommen, Eigenschaften, die vielleicht nicht so gefallen, werden auch fokussiert und es gibt vermutlich auch kritische Gespräche. Wir fragen uns, wie wir uns so haben täuschen können. In diesem Moment sehen wir zwar noch das Verbindende, aber auch das Trennende. Kritik zu üben fällt in dieser Phase leichter und wird manchmal auch großzügig und gerne ausgeübt, was zu ersten Verletzungen führen kann.

In dieser Phase trennen sich viele Paare. Oftmals scheinen die Gegensätze zu groß, die anfängliche Leichtigkeit wird herbeigesehnt und manche schauen sich nach dem nächsten Partner um. Sind die Partner jedoch bereit, an der Beziehung zu arbeiten, Vereinbarung zu treffen, die beide möchten, so kann sich eine tiefere, stabile Liebe entwickeln. In dieser Phase wird der Fokus stärker auf alltägliche Abläufe gelegt und es wird geprüft, ob ein gemeinsames „Liebesleben“ im Alltag funktioniert, ohne zu große Opfer bringen zu müssen (lange Zugfahrten, kompartible Arbeits- und Freizeiten).

3. Gegensätze werden bekämpft

In der dritten Beziehungsphase verstärken und festigen sich gewohnte Abläufe (Muster), was einerseits Sicherheit bieten kann, wenn diese Wärme und Geborgenheit vermitteln und andererseits können sich zermürbende Konfliktschleifen vertiefen. An diesem Punkt überlegen manchmal Beide, ob eine Trennung nicht vielleicht das Beste wäre. Das Verstricken in Macht-, Revier- und Konkurrenzkämpfe nimmt mehr Raum im Alltag ein, der Fokus wird auch auf solche Reize gelenkt, die ein mögliches Anzeichen für einen nächsten Streit darstellen. Keiner von beiden will klein beigeben und jeder will in dieser Phase das letzte Wort haben. Waren wir anfangs sicher den richtigen Partner für das Leben gefunden zu haben, so sind wir uns jetzt sicher, diesmal den falschen Partner erwischt zu haben.

Andere Paare erleben diese Phase hingegen als Vertiefung ihrer Liebe, da sie sich aufeinander verlassen können, schöne Momente die Beziehung prägen und eine gewisse „Nestwärme“ entsteht, in der Ruhe und Erholung gemeinsam möglich sind. Das Hormon Oxytocin spielt eine größere Rolle. Es reduziert Stress und erhöht die Vertrautheit. Am Ende dieser Beziehungsphase wartet auf beide etwas ganz Wunderbares und elementar Wichtiges für die zukünftige Beziehung: Beide können den Partner (vermehrt) so akzeptieren, wie er ist. Nicht nur mit seinen Stärken – auch mit seinen Schwächen, wodurch sich die Komplexität in der Beziehung reduziert, da Routinen den Alltag immer mehr prägen.

4. Das Ich, Du und auch das Wir

In dieser Phase prägen feste Routinen die Beziehung. Die Machtkämpfe sind vorbei oder wiederholen sich meist ergebnislos, und man setzt nun die Energie verstärkt für die eigene Persönlichkeitsentwicklung ein.

In dieser Beziehungsphase sieht man sich zwar als Paar, man versucht aber auch genug Raum für sich selbst zu kreieren, ohne dabei den Zusammenhalt aus dem Auge zu verlieren. Dabei die richtige Balance zu finden ist nicht immer leicht, Fragen wie „ob ich genug Raum und Zeit für mich und meine Wünsche habe“ entstehen. Man versucht jetzt ein Gleichgewicht zwischen dem „Ich“, „Du“ und „Wir“ zu finden und dabei den bisher gemeinsam eingeschlagenen Weg weiterzugehen. Durch Abwechslung im Beziehungsalltag kann das Hormon Adrenalin ausgeschüttet werden, indem Neues und Abenteuer immer mal wieder in den Wochenrhythmus eingebaut werden. Dadurch steigt auch die Attraktivität zwischen den Partnern und dies wirkt einer Langeweile entgegen.

5. Zuhause angekommen

Diese Phase, die fünfte und letzte Phase der Liebe, ist die schönste, tiefste und vertrauteste Beziehungsphase. Wer hier angekommen ist, kann ohne Masken, Projektionen und Täuschungen von wahrer Liebe sprechen. Leider wird diese wunderschöne Phase heute immer seltener erreicht. Immer häufiger trennen sich Paare in den ersten vier Beziehungsphasen, weil es ihnen an Verständnis, Akzeptanz und der Bereitschaft zur gemeinsamen Beziehungsarbeit fehlt. Verschiedene Probleme und Krisen belasten meist immer wieder die Paarbeziehungen. Hier zeigt sich dann, welcher Umgang damit meist in der Herkunftsfamilie gelernt wurde und wie diese „Erfahrungsschätze“ gemeinsam genutzt werden können.

Folgende Fragen können sich Paare stellen:

  • Was ist mein Traum- wie möchte ich eine Beziehung leben?
  • Wer bin ich – wer bist du?
  • Wie zeige ich meine Liebe?
  • Was wünsche ich mir von einer Beziehung?
  • Wie gehe ich mit Enttäuschungen um?
  • Wie nehme ich mich wahr- wie nimmt mein Partner/Partnerin mich wahr?
  • Wie verhalten wir uns im Alltag?
  • Was wollen wir im Alltag teilen und was evtl. auch nicht?

Es kann auch sehr hilfreich sein sich zu überlegen, welche Bindungsstile die jeweiligen Partner in ihren Herkunftsfamilien gelernt haben, wie nahe sich ihre eigenen Eltern waren, wer Verantwortung übernommen hat, wer Nähe gesucht hat und ob Augenkontakt gestattet wurde. In manchen Ehen wurde „Liebe“ durch relativ viel Distanz zueinander definiert, in anderen wollten die Partner durch körperliche Nähe ihre Liebe leben. Beide Beziehungsstile können lange halten, wenn die Partner damit glücklich sind. Dann können auch kleinere und größere Krisen durchlebt werden, die die Beziehung individuell prägen und Lösungskompetenzen entstehen lassen bei stabilen Paarbeziehungen. Man hat die Stärken und Schwächen des Partners und die Wechselwirkungen in der Beziehung kennengelernt, unrealistische Erwartungen verblassen und einige innige Verbundenheit prägt oftmals den Alltag, woran jedoch immer wieder „gearbeitet“ werden muss, was bspw. auch in einer Paarberatung erfolgen kann. Neue Hobbys, ein Umzug, Digitalisierung, veränderte Arbeitsbedingungen etc. erschweren heutzutage das Zusammenleben vermehrt und bringen immer wieder neue Reize in den Alltag ein, die als Herausforderungen gemeinsam gemeistert werden müssen. Liebe bedeutet heutzutage oftmals, sich immer wieder auf neue Situationen gemeinsam einzulassen, was die Verbundenheit stärkt.

Autor: Katja Baumer
Thema: Was versteht man unter dem Begriff „Liebe“
Webseite: https://baumer-paarberatung.de

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