Frei, leicht und unkompliziert?
Tanja Gatzke, Alpha – Coach für starke Persönlichkeiten
Das erste, was mir bei dieser Frage in den Sinn kommt, ist mein jüngeres Ich.
Kennst Du das auch? Unbeschwert und für alles ist gesorgt? Die ca. 14 jährige kleine Tanja war ein sorgloses junges Mädchen. Ich kam nach der Schule nach Hause und hatte nach den Hausaufgaben Zeit. Viel Zeit. Ein himmlischer Zustand.
Die Erwachsenen waren rund um die Uhr mit irgendetwas beschäftigt, das noch erledigt werden musste und selbst meine Freunde waren in Vereinen oder bei sonstigen wiederkehrenden Veranstaltungen. Ich dagegen war mal ein Semester in einem Judoverein oder im Gitarrenunterricht aber lange hielt das nie an.
Ich weiß noch genau, dass ich mit 14 Jahren einen Kalender bekam, dessen Felder mich weiß anstrahlten. Ich hatte keine regelmäßigen Termine und auch sonst keine Verpflichtungen außer die, meinen Hamster zu versorgen. Ich habe dann tatsächlich angefangen, mir kleinere Termine dort einzutragen. Dinge, die ich locker so hätte behalten können aber diese Leere im Kalender hat mir nicht gefallen. Nachdem der eine oder andere Termin dort stand, fühlte ich mich wichtig. Ich gehörte dazu. Erklären konnte ich mir das nicht. Um ehrlich zu sein, habe ich mir damals über das „Warum“ auch keine Gedanken gemacht.
Diese kleine Geschichte ist mir bei der Vorbereitung des Themas „Verantwortung“ wieder eingefallen. Heute ist mein Terminkalender randvoll und komplette freie Tage fast ein Luxus. Vielleicht ist das bei Dir auch so.
Ich beschloss für diesen Artikel ein Experiment zu machen. Ein Gedankenexperiment. Unser Gehirn kann nicht zwischen einer Vorstellung und der Realität unterscheiden und diese Tatsache machte ich mir zu nutze. Ich nahm mir die Zeit und setzte mich gemütlich auf meine Couch. Ich schloss die Augen und stellte mir vor, dass ich bis auf 6 Stunden Unterricht morgens keinerlei Termine hatte. Ich war wieder 14 Jahre.
Indem ich mir also vorstellte absolut terminfrei zu sein, schickte mein Gehirn, die dazu gehörigen Gefühle und Gedanken auf die Reise. Wenn Du magst, versuche diese Technik auch mal. Wenn Du es konsequent machst, wirst Du begeistert sein. Wichtig ist, dass Du all Deine Sinne mit einbeziehst.
Ich erkläre meinen Klienten immer mein inziniertes „Zitronenbeispiel“.
Vorstellung 1: Stell Dir ein großes Werbeplakat mit einer großen Zitrone an einem Obststand vor. Achtlos und in Hetze gehst Du daran vorbei. Dein Gehirn registriert das Plakat. Dein Körper und Dein Geist sind gerade mit etwas anderem beschäftigt und es bleibt bei einer Momentaufnahme. Selbst dann, wenn Du gedankenverloren ein paar Minuten davor stehen bleiben würdest und in die Betrachtung der Zitrone versinkst. Du könntest sie hinterher nachmalen oder zumindest 1a beschreiben, dennoch bleibst Du innerlich unberührt.
Vorstellung 2: Jetzt stelle Dir vor, Du würdest Dich mit allen Sinnen mit der Zitrone beschäftigen und nicht nur mit Deinen Gedanken. Da kommt Bewegung ins Spiel, nicht wahr? Nutzt Du Deinen Geschmackssinn, dann fließt Speichel und evtl. verzieht sich Dein Gesicht angesichts der nachempfundenen Säure. Nutzt Du Deinen Duftsinn, kommt Dir vielleicht ein Besuch eines spanischen Restaurants und der dazugehörige frisch zubereitete Sangria ins Gedächtnis. Dazu vielleicht noch das Lachen mit Deinen Freunden. Und was ihr im Anschluss unternommen habt.
Dein Tastsinn fühlt die Zitrone und vielleicht siehst Du Dich beim Einkaufen im Supermarkt, wo Du prüfend eine in die Hand nimmst. Oder Du erinnerst Dich an einen Urlaub, bei dem Du selbst eine gepflückt hast. Ein wahres Feuerwerk an Erinnerungen und Emotionen kommt in Dir hoch.
Vielleicht fallen Dir noch mehr Beispiele dazu ein. Es ist ein Riesenunterschied, ob Du nur mit Gedanken eine Situation ergründest und zu erfassen versuchst oder ob Du den Körper mit einbeziehst. Probiere es aus!
Ich setzte mich also auf meine Couch und erinnerte mich an mein 14 jähriges Ich. Dazu nahm ich alle meine Sinne mit. Ich erinnerte mich an den Duft meines Zimmers, wie sich mein Bett anfühlte, wie ich morgens in die Schule ging und mittags heimkehrte.
Wie sich der anschließende leere Tag anfühlte. Ich wuchs relativ frei auf und hatte viele Möglichkeiten. Ich konnte mich mit Freunden verabreden. Oder reiten gehen. Eventuell den Tag lesend auf dem Bett vertrödeln.
Meine ersten Gedanken waren so ähnlich wie:
Mein Gott wie toll. Ich kann immer impulsiv sein und machen worauf ich gerade Lust habe. Great!
Während ich mich in mein altes Ich hineinversetzte, kamen jedoch auch noch andere Gefühle hoch. Leere, Langeweile, Sinnlosigkeit und ein Gefühl von Haltlosigkeit. Gerade letzteres verwunderte mich.
Ich hatte Eltern, mich liebende Omas und Opas und darüber hinaus gute Freunde. Wir wohnten in unserem eigenen Haus und ich hatte ein schönes Zimmer. Wo also bitte, kam die Haltlosigkeit her?
Prüfend versetzte ich mich kurz wieder in meinen jetzigen Zustand. Von Haltlosigkeit oder gar Sinnlosigkeit keine Spur. Wo liegt der Unterschied? Ich gehe mein jetziges Leben durch.
Ich bin Mutter und habe Verpflichtungen meiner Tochter gegenüber. Sie liebt mich aber sie hat auch ihre Bedürfnisse. Sie möchte zum Beispiel mittags warm essen, ein geheiztes Haus und regelmäßige Zeit mit mir.
Ich bin Therapeutin und Coach und fühle mich auch hier verantwortlich für das Vorankommen meiner Klienten durch mein Fachwissen. Dadurch bin ich im Zugzwang, was mein Lernen und meine Weiterbildung anbelangt. Ich möchte ja Qualität liefern.
Ich bin Nachbarin, Kollegin und Freundin. Auch in diesen Bereichen übernehme ich Verpflichtungen.
Mir dämmert, dass Verpflichtungen und Verantwortung auch Sinn und Halt in der Welt mit sich bringen. Als 14 jährige war ich eingebunden in meiner Familie aber ohne Verantwortung. Ich hatte keinen Sinn. Ich lebte von einem Tag auf den anderen. Ich hatte keine Anforderungen an mich, keine Ziele.
Meine Famile hatte auch wenig Anforderungen an mich außer, dass ich nicht unangenehm auffalle und meine Schulsachen auf die Reihe bekam.
Ich googelte daraufhin und fand eine interessante forsa-Studie aus dem Jahr 2016. Eine Erkenntnis daraus ist, dass Verantwortung für 89% der Deutschen positiv besetzt ist und nur für 7% negativ.
Weitere Ergebnisse waren:
Aktiv Verantwortung für die eigene Gesundheit zu tragen ist zu 84% positiv besetzt, für die Familie zu sorgen 83%, für ihre finanzielle Vorsorge verantwortlich zu sein 75%, sich mit um Umweltschutz zu kümmern 73% und für sozial Bedürftige da sein zu können ist mit 42% positiv besetzt.
Wem es finanziell gut geht, der gibt also auch ganz gern ab.
Ein weiteres Ergebnis dieser Befragung ergab, dass die Deutschen dieses nicht nur aus Pflichtgefühl machen, sondern das vier von fünf Menschen mit dieser Verantwortung einen Lebenssinn verbinden.
Demnach habe ich mir selber instinktiv als 14 jährige einen Lebenssinn gegeben. Ich wurde zum Beispiel in Folge Gruppenleiterin einer Kindergruppe bei dem Deutschen Roten Kreuz.
Ein gewisses Maß an Verantwortung ist also gesund. Es gibt Halt und Sinn. Es füllt innere Leere. Wir haben einen Platz in der Welt. Wir sind wichtig für das Gesamtgefüge. Es macht uns stolz, wenn Projekte gelingen, wir jemand sind und ernst genommen werden. Jeder mag Lob und ein „Auf die Schulter klopfen“. Wenn unsere Kinder zu gerechten und guten Menschen werden, fühlt sich das gut an.
Auch sie sind dann bereit, Verantwortung zu übernehmen und die damit verbundenen Pflichten zu erfüllen. Die damit verbundene Anstrengung wertet das Ergebnis sogar noch auf.
Vielleicht fallen Dir noch weitere Beispiele ein. Aber gibt nur die Verantwortung für andere Menschen oder der Beruf einen Lebenssinn? Was ist mit der Verpflichtung mir gegenüber? Jetzt wird’s kniffelig.
Ich müsste jetzt erst mal für mich klären, was mich mit Stolz erfüllen könnte. Woran habe ich Freude? Wofür würde ich mich loben? Ist das überhaupt so wichtig? Gibt das meinen Leben einen Sinn? Oder Halt? - JA!
Nach meiner Erfahrung ist das die Königsdisziplin. Am Schwierigsten zu erreichen und dafür mit der größten Belohnung überhaupt. Nichts im Außen kann Dir so viel Halt geben, wie Du Dir selber. Wenn Du Dich traust, Dich zu leben.
Keine Projekte von Außen können Dir mehr Sinn geben, als diejenigen, deren großen Sinn Du in Deinem Inneren fühlen kannst. Niemand kann Dich so loben, wie Du Dich selber. Weil nur Du weißt, wie viel Kraft und Tränen es Dich gekostet hat, um Dein Ziel zu erreichen!
Es ist jedoch nicht so leicht, sich den eigenen Halt und Sinn zu geben. Es ist mehr eine stille Arbeit und der gesellschaftliche Zwang fällt weg. Du selber musst Dir den Rahmen geben, Du selber musst Dich für Dich verpflichten und Dir den Wert geben. Du selber musst Dir Deine Anerkennung verdienen. Du selber musst den Sinn darin erkennen, dass es wertvoll ist DICH glücklich zu machen. Es wert zu sein. Daran scheitern viele. Und zwar unabhängig, ob die Hausfrau oder der Vorstandsvorsitzende.
Manchmal bekommst Du durch die Erfüllung Deiner eigenen Ziele keine Anerkennung von anderen. Je nach dem, bekommst Du sogar Kritik für das was Du machst. In diesem Fall ist es doppelt wichtig, dass Du Dein Warum kennst!
Dass Du also weißt, wo für Dich der Sinn liegt. Und zwar nur für Dich. Es kann sein, dass Deine Umwelt diesen Sinn anzweifelt, ja sogar dagegen hält. Da brauchst Du innere Stärke, das Wissen um Deinen Selbstwert und eine große Portion Selbstliebe, um nicht wie ein Lemming der Herde zu folgen. Sondern Deinen eigenen Weg zu gehen. Auch wenn der anderen Menschen nicht gefällt, weil diese sich dann auch eventuell umstrukturieren müssen.
Wem gibst Du Die Macht über Dein Leben?
Wir werden erzogen, dass wir es wertschätzen, wenn die Umwelt uns lobt. Eigenlob hingegen „stinkt“ und Bescheidenheit ist eine Zier. Ich hoffe, Du erkennst den Fehler!
Die Freiheit bei der Gestaltung Deiner Eigenverantwortung bringt also viele Anforderungen und Hindernisse mit sich. Der Grund, warum viele sich von Außen steuern lassen.
Nimm doch mal einen Wunsch, den Du gerne leben würdest. Wenn Du keinen hast, überlege Dir einen. Am Anfang musst Du festlegen was das ist und warum Du diesen Wunsch hast. Wenn Du Dir diese Fragen beantwortet kannst, dann kläre Dein Wie.
- Wie kommst Du zu Deinem Wunsch hin? Kurzfristig und Langfristig.
Du musst prüfen, welche Bedingungen Du noch erfüllen musst, um Dir Deinen Wunsch zu erfüllen. Das ist manchmal mit Anstrengung verbunden aber wie Du weißt, lohnt es sich. Manchmal geht es auch nicht nur darum etwas zu bekommen, sondern vielleicht etwas loszulassen. Dann ist die Frage:
- Was brauchst Du, um zu gehen? Warum ist das wichtig für Dich? Und wie kannst Du Dir das erfüllen? Bist Du bereit dazu?
Eine dritte Frage, die ich in meinen Coachings oft stelle ist:
- Was brauchst Du, um Dich der Welt zu zeigen? So wie Du bist?
Ich verrate Dir jetzt schon die Antwort. Du musst es Dir selbst wert sein. Du musst den Schmerz einer eventuellen Ablehnung oder das Unverständnis Deiner Umgebung aushalten.
Ein weiterer Grund warum viele Menschen scheinbar keine oder wenige Bedürfnisse haben, ist der, dass sie sich nicht erlauben, diese zu sehen. Es tut weh, die nichterfüllten Träume zu sehen. Deswegen täuschen sie Bescheidenheit vor.
Auf meiner Homepage kannst Du Dir einen kleinen aber feinen Prozess dazu herunterladen, wenn Du Dich traust Deine Tarnkappe mal abzulegen.
Viele Menschen haben eine Maske auf und sind so, wie sie glauben, dass die Welt sie haben möchte. Das mag eine Weile funktionieren. Dennoch ist, in Dir, ein eigener Kern, der gelebt werden will. Du kannst ihn eine Weile übergehen und unterdrücken. Solltest Du dieses jedoch regelmäßig machen und sogar über Jahre hinweg, dann schickt Dir Dein Körper Warnsignale.
Wenn Du Dein eigenes Ruhebedürfnis nicht ernst nimmst, Dein Recht auf Deine eigene Art der Freitzeitgestaltung, Dein Recht zu lachen, über das was Du witzig findest und Dein Recht Dich mit den Dingen und Personen zu umgeben, die Dich erfüllen, dann hat das körperliche Konsequenzen.
Du bist müde und ausgelaugt. Du hast Bluthochdruck oder Schwindel. Es gibt unzählige Symptome, die folgen, wenn du Deinen Emotionen nicht nachgibst, sondern versuchst in eine Schablone zu passen. Von daher – verpflichte Dich auch, Dich um Deine Bedürfnisse zu kümmern.
Wenn wir über Verantwortung nachdenken, denken wir oft an Verpflichtungen für andere. Daran, dass sich jemand an uns anlehnt. Und das gibt unserem Leben einen Sinn und Halt, wie etliche Studien beweisen.
Es erfüllt uns mit Stolz und Freude, wenn wir Lob von anderen bekommen und diese zufrieden mit uns sind. Es ist wunderbar, wenn Menschen ihren Halt bei uns finden. Dennoch sollten wir unsere Eigenverantwortung nicht vergessen.
- Wie willst Du andere lieben, wenn Du Dich selbst nicht liebst?
- Wie kannst Du anderen etwas Gutes gönnen, wenn in Dir ein Mangel herrscht?
- Und nicht zuletzt, wo ist Dein Halt, wenn Dir die Umwelt mal nicht gibt, was Du brauchst?
Von daher, übernehme die Verantwortung für andere und für Deinen Beruf, die Du tragen kannst. Es gibt Deinem Leben definitiv einen Sinn und das Gefühl gebraucht zu sein. Wir Menschen sind soziale Wesen und Forschungen haben längst bewiesen, dass ein Wir-Gefühl sehr wichtig für uns ist.
Doch erkenne Dich zeitgleich als ein Individuum mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen. Sorge dafür, dass Du eine gute Balance für Dich und die Anderen findest. Lach über Witze, die manche nicht verstehen und mach Dinge, in denen andere keinen Sinn sehen. Du tankst Dich selber damit auf und kannst in Folge noch besser die Verantwortung tragen, die andere von Dir einfordern.
Meine eigene Erfahrung und die meiner Klienten zeigt mir durchweg:
Wenn Du Dich mit alltagstauglichen kleinen Schritten mit Deinem inneren Halt und Deiner inneren Stärke beschäftigst und Kleinigkeiten veränderst, dann wirst Du zufriedener und erfüllter als Du es Dir je vorstellen konntest.
Gerade wenn Du Dein Leben „im Außen“ gut im Griff hast, dann kannst Du die inneren gefundenen Schrauben nachdrehen. Du weißt schließlich schon, wie Verantwortung geht.
Autor: Tanja Gatzke
Thema: Was ist Verantwortung?
Webseite: https://www.tanja-gatzke.de
Autorenprofil Tanja Gatzke:
Tanja Gatzke sorgt seit 1991 als Polizeibeamtin mit ihren Kollegen tagtäglich für die innere Sicherheit im Land. Durch eigene schmerzliche Erfahrungen hat sie jedoch verstanden, dass Sicherheit immer erst im „Innen des Menschen“ beginnt, bevor sie sich im Außen in der Gesellschaft zeigen kann.
Die Ratgeber-Autorin ist somit heute als zusätzlich ausgebildete Heilpraktikerin für Psychotherapie eine gefragte Expertin für das gesellschaftsrelevante Thema der „Inneren Sicherheit im Menschen“.