Entrepreneure, You-Tuber, Digitale Nomaden, so nennen sich die Selbstständigen, Freiberufler und Unternehmer unserer Zeit. Die wenigsten machen sich dabei abhängig von Bankenkrediten, sondern probieren, was aus ihren Mitteln heraus möglich ist. Viele Mehrfahrgründer arbeiten so und werden von der Wissenschaft „Effektuierer“ genannt. Anders als die klassischen Unternehmer folgen sie nicht einem bestimmten Ziel, sondern entwickeln aus dem Ideenaustausch mit Anderen neue Geschäftsideen, die sich aus den gemeinsamen Mitteln realisieren lassen.
Viele Menschen haben den Wunsch, unabhängig zu sein und eigenverantwortlich zu arbeiten. Immer mehr Menschen entwickeln eigene Geschäftsideen oder Produkte. Sie sind kreativ und wagen den Sprung in die Selbstständigkeit oder ins Unternehmertum. Denn die Jobs im Angestelltendasein sind weder sicher, noch bringen die meisten viel ein. Es gibt den Spruch, dass die Armen ihre Zeit für Geld verkaufen und die Reichen sich mit Geld Zeit kaufen, in dem sie für Dienstleistungen bezahlen, die sie entweder nicht selbst machen wollen oder schneller oder besser machen lassen können.
Unternehmerisches Denken und Handeln geht jeden an
Andere für sich arbeiten zu lassen, ist Teil einer Unternehmermentalität, denn der Unternehmer selbst arbeitet nicht im, sondern am Unternehmen. Er oder sie entwickelt eine Vision, wo es mit dem Unternehmen hin gehen soll, welche Kunden gewonnen werden sollen und welchen Nutzen die Leistungen des Unternehmens bieten werden. Ein Unternehmer braucht ein Netzwerk aus Geschäftspartnern und Mitarbeiter, auf die er oder sie sich verlassen kann. Heutzutage wird auch von ihnen unternehmerisches Denken und Handeln gefordert. Deshalb werden Führungskräfte auch als Intrapreneure bezeichnet, denn sie müssen genau wie Entrepreneure selbstständig Entscheidungen treffen und die Konsequenzen verantworten. Sie initiieren Projekte und haben dabei die Aufgabe, Vorgesetzte, Kollegen und Mitarbeiter von ihren Ideen zu überzeugen.
Wir leben in einer sich schnell verändernden Zeit mit ungewisser Zukunft und komplexen Zusammenhängen, in der keine einfachen Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge mehr ausgemacht werden können. Ein Begriff wurde dafür auch schon gefunden: Wir leben in einer VUKA-Welt, sie ist volatil (also schnelllebig), ungewiss, komplex und mehrdeutig (Ambiguität). Die einen erkennen darin ihre Chancen, denn wenn nichts vorhersagbar ist, kann das selbstbestimmte Leben genauso gut sehr erfolgreich sein. Doch andere träumen nur davon und wagen nicht den Absprung von einem vermeintlich sicheren Job. Manche wünschen sich sogar die alten Zustände und klare Strukturen zurück, auch wenn sie dafür Freiheit und Selbstbestimmung aufgeben.
Komplexität und Ungewissheit können Chancen bringen
Doch das Weltengeschehen lässt sich nicht zurückdrehen. Wir sind miteinander vernetzt und zum Glück erkennen viele Menschen ihre Chance, denn bei einem unvorherseh¬baren Ausgang kann man genauso gut das tun, was einem Spaß macht. Denn das ist meistens genau das, was man am besten kann. Und für das, wofür man brennt, kann man auch langfristig kämpfen. Der Markt im Internet fördert die schnelle Verbreitung von guten Produktideen und ermöglicht sogar das Auffinden von Geldgebern durch Crowdfunding, wenn sich nicht sofort ein Investor finden lässt oder das eigene Geld nicht ausreicht.
Diese Trends kommen aus Amerika, zumeist aus dem Silicon Valley in Kalifornien südlich von San Francisco. Und deshalb bezeichnen sich diese neuen Einzelunternehmer nach dem englischen Begriff als Entrepreneure. Sie grenzen sich von den klassischen Unternehmertypen, die vorrangig am schnell Geld interessiert sind, stark ab, dabei haben sie mit manchen traditionellen Firmengründern, die unseren deutschen Mittelstand ausmachten, sehr viel gemeinsam. Genau wie diese wollen die Entrepreneure der Neuen Generation die Welt zum Guten verändern, das Leben der Menschen erleichtern und dabei selbst im Wohlstand leben. Dafür ist es jedoch wichtig, sich auf dem Markt zu positionieren.
Robert Dilts, ein bekannter Management-Berater und Mitentwickler der Kommunikationsmethode NLP (NeuroLinguistisches Programmieren) kommt aus dem Silicon Valley und sein Bruder, der Anwalt John Dilts, hat Investorengruppen dort beraten. Diese Investoren sagten: „Wir wollen unser Geld schon investieren, doch nicht nur in eine Idee. Wir investieren unser Geld in einen Menschen, der seine Idee leidenschaftlich vertritt. Doch die meisten Entrepreneure überzeugen uns nicht.“
Investoren investieren in Menschen, die ihre Ideen leideschaftlich vertreten
Daraufhin entwickelten die Dilts-Brüder die Idee, angehende Entrepreneure mit einem speziell entwickelten Programm zu coachen, um sie auf die wichtigen Investorengespräche und die Zukunft als Unternehmer vorzubereiten. Sie interviewten und recherchierten über viele einflussreiche Entrepreneure oder Geschäftsführer, die über Jahre erfolgreich waren und wesentlichen Einfluss auf unsere heutige Geschäftswelt hatten oder haben. Diese Arbeit nannten sie Success Factor Modeling, denn sie untersuchten die wesentlichen Erfolgsfaktoren der sogenannten Game-Changer. In einem sehr einfach nachvollziehbaren Modell, dem Success Factor Modeling (SFM) Erfolgszirkel™, bildeten sie die gemeinsamen Erfolgsfaktoren ab.
Abb: SFM Erfolgszirkel von Robert Dilts und Antonio Meza
Bei ihren Forschungen stellte sich heraus, dass jeder der befragten Unternehmer aus seiner Leidenschaft heraus handelte und eine Praxis hatte. Jeder hatte eine Idee oder eine Passion, für die er oder sie brannte und sich persönlich einbringen wollte, um sie zu verwirklichen. Ihnen fiel weiter auf, dass in den Aussagen ihrer Modelle zwei Aspekte gleichzeitig zum Tragen kamen. Zum einen betrachten sich diese Entrepreneure als Teil von einem größeren System, das über sie selbst hinausgeht, und für das sie durch ihre Produkte oder ihr Unternehmen eine Verbesserung bewirken wollen, bspw. investiert Elon Musk von Tesla sein Geld in Elektroautos, weil er erkannt hat, dass die Erde unter der hohen Last von zunehmenden Individualverkehr mit Verbrennungsmotoren einem Kollaps entgegengeht. Andererseits begreifen sich die Entrepreneure der neuen Generation als eigenständiges Individuum mit eigenen Wünschen und Vorstellungen, die sie sich mit ihrer Arbeit erfüllen wollen.
Leidenschaft als Triebkraft für Vision und Ambition erfolgreicher Entrepreneuere
In dem Modell SFM Erfolgszirkel™ finden sich diese beiden Aspekte als Vision und als Ambition wieder. Nur wenn es einen persönlichen Ehrgeiz gibt, kann die Vision langfristig mit Entschlossenheit verfolgt werden, auch wenn es mal schwierig wird und sich die Gelegenheiten nicht automatisch ergeben. Dann wirkt die Ambition wie ein Motor, der das Boot über die stürmische See bringt. Wenn die Vision Kunden begeistert, dann scheint alles leicht zu sein, es scheint so wie der Wind in den Segeln eines Segelbootes. Doch bis es so weit ist, muss investiert werden, und oft braucht es Investoren und Stakeholder, die von dem Erfolg der Idee überzeugt werden müssen. Genau dazu braucht es den Mut und die Entschlossenheit des Unternehmers. Die Investoren wollen die Energie und Tatkraft des Entrepreneurs spüren.
Um eine Vision zu verwirklichen, folgen Entrepreneure ihrer selbstgestellten Aufgabe. Für diese spezielle Aufgabe suchen sie ihr Team aus und schwören es darauf ein. Im Englischen spricht man von Mission, während man im Deutschen eher von Leitbild spricht. Andererseits müssen auch Partnerschaften eingegangen werden, da nicht alle Kompetenzen selbst übernommen werden können. So gibt es Geschäftspartner, die Zulieferer, Dienstleister, Berater oder freie Mitarbeiter sind. Die eigene Rolle bei diesen Partnerschaften wird durch die eigene Kernkompetenz oder den Bereich bestimmt, in dem es leicht fällt, eine Spitzenleistung abzuliefern. Die Kombination unterschiedlicher Partner mit ihren Möglichkeiten, Ressourcen und Verbindungen trägt maßgeblich zum Erfolg bei, denn Innovationen entstehen aus dem Gedanken- und Ideenaustausch vielleicht sogar von potenziellen Wettbewerbern. Deshalb spricht man heute von Kollaboration. Gemeint ist dabei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, die über eine bloße Kooperation in Form von Aufgabenteilung hinausgeht.
Persönlich wachsen und wirtschaftliches Wachstum erzeugen passt zusammen
Im SFM Erfolgszirkel werden genau diese fünf Bereiche abgebildet, über die sich jeder, der sich selbstständig machen oder ein Unternehmen gründen möchte, im Klaren sein sollte. Sie sind die Schlüsselfaktoren für eine nachhaltig erfolgreiche Unternehmensgründung oder einen erfolgreichen Projektverlauf: Die eigene Leidenschaft (Passion) kennen, spüren und ihr folgen; daraus ergibt sich die Vision für eine bessere Welt oder für Verbesserungen, von denen die Menschen wirklich profitieren; seine Aufgabe (Mission), die den eigenen Beitrag für diese Vision umfasst, als eine Art Leitbild oder Leitgedanken ausdrücken; den persönlichen Ehrgeiz (Ambition) haben, der einen antreibt, jeden Morgen früher aufzustehen, und später zu Bett zu gehen, um mit Entschlossenheit sein Produkt zu entwickeln; und das Bewusstsein für seine Kernkompetenz und seine Rolle entwickeln, die man innerhalb von Partnerschaften übernehmen will.
Ein eindrucksvolles Beispiel für einen erfüllten SFM Erfolgszirkel ist die Geschichte von Barnie Pell, der eine große Leidenschaft für Lernen und künstliche Intelligenz hatte (PASSION). Deshalb wollte Barnie Pell einen Algorithmus entwickeln, damit Menschen unter Verwendung natürlicher Sprache mit ihrem Computer kommunizieren können (VISION). Da er erkannte, dass die Rechnerkapazität in den 80er und 90er Jahren noch nicht groß genug war, arbeitete er zunächst bei der NASA an der Erschaffung künstlicher Intelligenz und übernahm später verschiedene Rollen als Geschäftsführer oder Mitgründer, um mehr über die Businesswelt zu lernen. Als er bereit war, sein eigenes Unternehmen zu gründen, um seiner MISSION zu folgen, eine Suchmaschine zu entwickeln, die sich der Sprache einer Person auf individueller Ebene anpasste, konnte er ein Team von Softwareentwicklern begeistern, eine Lizenz für einen Prototypen von Xerox PARC bekommen und damit Investoren überzeugen in sein Unternehmen zu investieren. Er erkannte, dass es wichtig war, eine große AMBITION zu haben, da Investoren eher in große Chancen investierten. Deshalb war es wichtig, ein großes Team von fähigen Köpfen aufzubauen und Xerox PARC zu überzeugen, dass nur er mit seiner Leidenschaft, seinen Kenntnissen und Erfahrungen den bestehenden Prototypen vervollständigen konnte.
Als die Investoren von ihm verlangten, mehr Investitionen aufzutreiben, durchlitt er eine tiefe Krise, da er sich weit weg von seinem Team und abseits von seinem Kompetenzfeld aufhielt. Er erkannte, dass ihn diese Zielorientierung nicht weiterbrachte. Stattdessen nahm er einen „Zen-Krieger“-Ansatz ein, was bedeutete, alles Anhaften an ein bestimmtes Ergebnis fallen zu lassen, im Moment zu leben und sein Bestes zu geben. Erst diese spirituelle Verbindung brachte ihm die persönliche Zufriedenheit zurück und er revidierte seine Mission von „der Herstellung der bestmöglichen Suchmaschine mit natürlicher Sprache“ zu „einer überlegenen Anwendererfahrung im Vergleich zu Google“, die damals nur Schlüsselworte für die Suche zuließen. Schon drei Jahre nach Unternehmensgründung gelang es ihm, seine Firma Powerset an Microsoft für 100 Millionen US Dollar zu verkaufen. Microsoft brachte auf dieser Grundlage die Suchmaschine „bing“ auf den Markt. Auch Apples Sprachsoftware „Siri“ profitierte von Powersets Technologie.
Für jeden Unternehmer, Selbstständigen, Freiberufler aber auch für jeden Projektleiter oder jede Führungskraft sind die fünf Bereiche des SFM Erfolgszirkels™ die fünf Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg und dauerhafter Leistungsfähigkeit. Nicht selten geschieht es, dass Menschen mittleren Alters ihr Hobby zum Beruf machen, weil sie erkennen, dass sie zwar im vorhergehenden Beruf Geld verdienen, aber auf Dauer keinen Spaß mehr daran haben. Oft sehen sie keinen Sinn mehr in ihrer Arbeit, da Unternehmensziele fast ausschließlich monetär ausgerichtet sind. Die Folgen sind im schlimmsten Fall Burn Out oder Depression, weil sie entgegen ihrer Leidenschaft arbeiten.
Eine Welt erschaffen, der Menschen zugehören wollen
Um eine Welt zu erschaffen, der Menschen zugehören wollen, ist es wichtig, sich mit seiner Leidenschaft zu verbinden, um stets persönlich und spirituell zu wachsen, und eine Vision zu entwickeln, wie die Welt der Kunden oder der Gesellschaft verbessert werden kann, um seiner Arbeit einen Sinn zu geben. Die wichtige Aufgabe (Mission) eine eines Entrepreneurs besteht zum einen darin, für das eigene physische und emotionale Wohlergehen und das seines Teams zu sorgen, und zum anderen, ein engagiertes, kompetentes Team auf die gemeinsame Mission auszurichten, an der es wachsen kann. Dies trägt der Einbindung in ein größeres System Rechnung.
Auf der anderen Seite muss der Entrepreneur oder Intrapreneur, Stakeholder von seiner individuellen Qualität oder der des Projektes überzeugen, um für neue Mittel zu werben und das Geschäft oder Projekt auszuweiten. Dafür sind gleichzeitig kollaborative Partnerschaften und Allianzen notwendig, in der jeder seine Rolle kennt und seine Kernkompetenz einbringt, um Innovationen voranzutreiben.
Tipps für Selbstständige und Führungskräfte
Wenn Sie ein Unternehmen gründen oder sich im Markt oder in der Firma positionieren wollen, ist es wichtig, dass Sie sich die folgenden Fragen zu den fünf Schlüsselbereichen stellen:
- Wofür setze ich mich leidenschaftlich gern ein?
- Was will ich in der Welt schaffen, das über mich selbst hinausgeht?
- Wovon möchte ich in der Welt mehr oder weniger sehen?
- Wie ist die Welt, zu der ich gehören will?
- Welchen einzigartigen Beitrag will ich dafür leisten?
- Welche Wünsche möchte ich mir erfüllen?
- Wofür möchte ich bekannt sein?
- Was sind meine Kernkompetenzen?
- Welche Person müsste ich sein, um das Leben zu gestalten, das ich mir wünsche?
- Welche Partner brauche ich, um meine Vision zu verwirklichen?
Denken Sie noch einmal über Ihre Antworten nach:
- Was fiel Ihnen leicht zu beantworten?
- Über welche Fragen müssen Sie noch etwas länger nachdenken?
- Wie gut sind Ihre Wünsche für sich selbst auf Ihre Vision für die Welt, in der Sie leben wollen, ausgerichtet?
Diese Tipps und Fragen sind dem Buch „Next Generation Entrepreneurs“ von Robert Dilts (dt. Übersetzung erschienen bei CastleMount Media, 2016) entnommen. Es ist der erste Band der Success Factor Modeling Trilogie, neben vielen Fallbeispielen von erfolgreichen Next Generation Entrepreneuren enthält das Buch zahlreiche Übungen und viele Fragen, so dass es gleichzeitig ein Arbeitsbuch ist. Es trägt zur Entwicklung der Unternehmerpersönlichkeit bei und ist für diejenigen geschrieben, die sich klar mit ihrem Elevator Pitch positionieren wollen.
Autor: Dr. Gudrun Reinschmidt
Thema: Erfolgsschlüssel für Entrepreneure und Intrapreneure
Webseite: http://www.successfactormodeling.de
Autorenprofil Dr. Gudrun Reinschmidt:
Dr. Gudrun Reinschmidt ist ausgebildete Biochemikerin und erfahrene Marketingmanagerin in der Medizintechnik. Sie arbeitet seit 15 Jahren freiberuflich als Start-Up-Beraterin und Business Coach. Seit 2015 ist sie Partnerin der Dilts Strategie Group und führt Seminare für Gründer, Selbstständige und Führungskräfte zum Success Factor Modeling durch.