Das vegetative Nervensystem und Auswirkungen eines Ungleichgewichtes auf die Gesundheit

Der Mensch verfügt über zwei Nervensysteme, die im Austausch miteinander stehen. Das zentrale Nervensystem (ZNS), das willentlich gesteuert wird, und das vegetative (autonome) Nervensystem (VNS), das nicht unserem Willen unterliegt.

blatt-nervensystem

Das VNS arbeitet autonom, wird also nicht bewusst gesteuert. Dies ist eine evolutionsgeschichtlich sehr alte und sinnvolle  „Einrichtung“. In Gefahrensituationen sichert es unser Überleben. Da wir nicht erst nachdenken müssen, können wir blitzschnell reagieren. Außerdem steuert es unsere inneren Organe bzw. ist es daran beteiligt.

Tief im Oberbauch, zwischen Magen und Wirbelsäule, befinden sich einige, ineinander übergehende Nervenknoten (Ganglia coeliaca). Sie bilden das größte Nervengeflecht des vegetativen Nervensystems, von dem kleine Nervenfasern ausgehen, die mit den Organen verbunden sind. Da es an eine Sonne erinnert, wird es auch Sonnengeflecht (Plexus solaris oder Solarplexus) genannt. In diesem Geflecht gibt es sympathische und parasympathische Nervenknoten (Ganglien), auch Sympathicus und Parasympathicus.

Droht Gefahr, wird das sympathische System aktiviert und versetzt uns in die Lage, die Flucht zu ergreifen oder uns verteidigen zu können. Dazu werden u. a. das Hormon Adrenalin, die Botenstoffe und Neurotransmitter Acethylcholin und Noradrenalin und danach das Stresshormon Cortisol vom Körper bereitgestellt. Durch die Flucht- oder Angriffsreaktion werden diese verbraucht bzw. wieder abgebaut, da wir in Aktion treten. Kurzfristiger Stress, der durch diese Körperfunktionen entsteht, ist also normal und wichtig für unser Überleben und auch für die Bewältigung unseres Alltags.

Der Gegenspieler des Sympathicus ist der Parasympaticus. Früher nahm man an, dass dieser ausschließlich die Funktion hat, uns wieder in die Entspannung zu bringen, wenn die Gefahr vorüber ist. Seit einigen Jahrzehnten wissen wir, dass es so einfach nicht ist. Der 10. Hirnnerv (Nervus vagus) ist der größte Nerv des Parasympathicus und verläuft vom Kopf in den Brustraum bis zu den Bauchorganen. Er besteht aus zwei Ästen, einem vorderen (dorsalen)  und einem rückwärtigen (ventralen) Ast. Diesem Nerv wurden früher ausschließlich Ruhe, Entspannung und Erholung zugeordnet.

Heute wird die Vagus- Funktion differenzierter gesehen. Im Körper kommt es zu unterschiedlichen Reaktionen, je nachdem welcher der beiden Äste aktiviert wird. Tatsächlich kann auch der Parasympathicus bei Gefahr aktiviert werden und zwar der hintere Zweig. Dieser ist evolutionsgeschichtlich wesentlich älter und schon bei Reptilien vorhanden. Er erzeugt bei Gefahr den sogenannten Totstellreflex, wenn Flucht nicht mehr möglich ist. Wir können also in eine Schockstarre fallen, wenn wir einem bedrohlichen Ereignis nicht ausweichen können. Der vordere Zweig des Vagus- Nervs tritt während der Evolution erst bei den Säugetieren auf. Er senkt über den Sinusknoten (Taktgeber für das Herz) die Herzfrequenz und erzeugt Entspannung.

Wenn dieses Zusammenspiel aus dem Gleichgewicht gerät, entsteht nicht selten dauerhafter Stress und es kann zu den unterschiedlichsten körperlichen und psychischen Symptomen kommen.

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Unsere heutige Lebensweise trägt entscheidend dazu bei, da wir im Alltag häufig nicht in der Lage sind, den entstandenen Stress abzubauen bzw. keine geeigneten Strategien gelernt haben, ihn gar nicht erst so oft entstehen zu lassen. Problematisch ist es, dass in unserer Gesellschaft die Überbetonung des sympathischen Systems positiv bewertet und auch belohnt wird, da wir zunächst so permanent in Aktion und sehr leistungsfähig sind.

Schauen wir uns nun die häufigsten Beschwerden an, die entstehen können. Viele von uns haben schon erlebt, dass sie unter Beschwerden leiden, aber der Arzt oder die Ärztin keine organischen Ursachen feststellen kann. Die Symptome bleiben aber. Häufig wird dann von nervösen Beschwerden gesprochen, die stressbedingt sind, was auch häufig der Fall ist. Ein beträchtlicher Teil der PatientInnen in Arztpraxen leidet an solchen somatoformen Störungen.

Sehr häufig betroffen sind die Verdauungsorgane. Dafür müssen wir kurz noch einmal zurück zur Anatomie des vegetativen Nervensystems. Den gesamten Verdauungstrakt durchzieht ein weiteres Nervengeflecht, das intramurale oder enterische System. Es sind Nerven an den Wänden der inneren Organe, die der Funktion von Sympathicus und Parasympathicus unterliegen. Ein Ungleichgewicht zwischen beiden bringt dieses sensible System schnell durcheinander. Die Folgen können u. a. Völlegefühl, Blähungen, Verstopfung oder Durchfälle sein.

mann bauchschmerzen klein

Wir wissen heute, dass Stress auch negativen Einfluss auf unser Darmbiom hat, das ein wichtiger Teil unseres Immunsystems ist. Heute sind sich viele Wissenschaftler sicher, dass Stress für eine Vielzahl von Erkrankungen mit verantwortlich ist. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf hartnäckiges Übergewicht und dabei besonders auf das gefährliche Bauchfett eingehen. Man wird mit Diäten keinen Erfolg haben, wenn nicht der Faktor Stress mit berücksichtigt wird. Hierbei spielt vor allem das Cortisol eine große Rolle, das in der Nebennierenrinde gebildet wird. Die Funktion der Nebennieren unterliegt dem vegetativen Nervensystem. Wenn bei anhaltendem Stress das Cortisol dauerhaft erhöht ist, steigt auch der Blutzuckerspiegel an. Die Folgen sind Gewichtszunahme oder sogar Diabetes mellitus.

Auch ist oft das Herz betroffen. Obwohl es über eigene Schrittmacher verfügt, unterliegt es doch dem Einfluss von Sympathicus und Parasympathicus. Sie sorgen dafür, dass die Herzfrequenz sich den jeweiligen Lebenssituationen anpasst. Wir sprechen hierbei von der Herzschlagvariabilität, die für unsere Gesundheit außerordentlich wichtig ist. In bestimmten Situationen brauchen wir mehr Sauerstoff, so dass durch die Aktivität des Sympathicus die Herzschlagrate erhöht wird. Zur Erholung ist es danach aber wichtig, den Herzschlag wieder nach unten zu regulieren. Dies übernimmt der Parasympathicus. Bleiben wir zu oft  im sympathischen Modus, wie es ja heute durch unsere Lebensgewohnheiten häufig der Fall ist, kommt es zu nervösen Herz- und Kreislaufbeschwerden. Diese können sich in Herzrasen, Schmerzen und Druck in der Brust oder auch Herzarrhythmien äußern. Die Abklärung der Beschwerden durch einen Facharzt oder- ärztin ist dringend erforderlich, um auszuschließen, dass lebensbedrohliche Erkrankungen dahinter stecken. Außerdem spielt dauerhafter Stress eine große Rolle bei der Entstehung von Herzerkrankungen. Die Blutgefäße bleiben verengt, wodurch Ablagerungen an den Gefäßwänden entstehen. Es kann zu Bluthochdruck, Herzinfarkten oder Schlaganfällen kommen.

Sehr häufig betroffen von einem Ungleichgewicht im vegetativen Nervensystem ist auch unser größtes Organ, die Haut. Auch sie ist über die Blutgefäße und zahlreiche  Nerven unmittelbar mit dem VNS verbunden. Es kann zu Rötungen, Juckreiz und Schuppungen kommen. Erkrankungen wie Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte) haben eine starke psychische Komponente und ihr Verlauf wird  maßgeblich vom autonomen Nervensystem beeinflusst. Die Rosacea, eine Gefäßentzündung der Haut, kann sich durch Stress verschlimmern. Besonders junge Menschen leiden oft sehr unter den verschiedenen Formen der Akne. Ein vegetatives Ungleichgewicht kann sich durch die enge Verbindung von Haut und Hormonsystem sehr ungünstig auf den Verlauf dieser Erkrankung auswirken. Auch umgekehrt können Hauterkrankungen, da sie das Organ betreffen, mit dem wir in Kontakt zu unseren Mitmenschen treten, starke vegetative Symptome auslösen.

Da wir einmal bei der Verbindung von Hormonen und vegetativem Nervensystem sind, ist es wichtig zu erwähnen, dass auch der Einfluss auf den Verlauf der Wechseljahre bei Frauen erheblich ist. In dieser Zeit kommt es bei vielen Frauen zu vegetativen Beschwerden wie Schweißausbrüchen, Herzrasen, Angstzuständen und depressiven Verstimmungen.

In den letzten Jahren häufen sich Krankmeldungen aufgrund des Burnout- Syndroms. Dieses äußert sich durch eine Vielzahl von körperlichen und psychischen Symptomen, die ihren Ursprung oft auch in einem Ungleichgewicht des autonomen Nervensystems haben.

Der Botenstoff und Neurotransmitter Acethylcholin, der, wie weiter oben schon beschrieben, zur Flucht- oder Angriffsreaktion vom sympathischen System ausgeschüttet wird, spielt eine große Rolle bei der Nikotinabhängigkeit.

Sind wir nicht in der Lage, einen Ausgleich zwischen Anspannung und Entspannung zu schaffen, kommt es auch sehr häufig zu Ängsten, Panikattacken, depressiven Verstimmungen und Depressionen. Oft sind diese Beschwerden Folgen erlittener Traumata. Chronische Muskelverspannungen, und Schmerzzustände, für die keine körperlichen Ursachen gefunden werden , sind in diesem Bereich sehr häufig zu finden.

Ein Symptom, das vielen Menschen starke Probleme bereitet, ist das Zähneknirschen und- beißen (Bruxismus) und die damit verbundenen Kiefer- und Zahnbeschwerden. Diese Kieferfehlbelastungen können für zahlreiche andere Störungen verantwortlich sein. Oft sind die genannten Beschwerden typische Folgen einer Erstarrungsreaktion (Totstellreflex) des muskulären Systems in einer Gefahrenlage. Wenn wir entspannt sind, gibt es einen autonomen Austausch zwischen den Nervensystemen. In einer Notsituation, einem Trauma, wird  dieser durch den Schock unterbrochen. Es gibt dann keine Entwarnung und Entspannung mehr, so dass die Amygdala (Teil des limbischen Systems im Gehirn) dauerhaft im Alarmmodus bleibt. In der Folge werden ständig Stresshormone ausgeschüttet, was zu den oben genannten zahlreichen Beschwerden führen kann.

Die Liste der hier beschriebenen Symptome, die durch ein Ungleichgewicht im VNS entstehen können, ist keinesfalls abschließend. Alle somatoformen Beschwerden und psychosomatischen Erkrankungen können nur effektiv behandelt werden, wenn das vegetative Nervensystem mit einbezogen wird. Die wichtigste Körperfunktion zur Harmonisierung des VNS ist die Atmung. Wenn wir gestresst sind, atmen wir zu flach. oder der Atem stockt.

Über die Atmung können wir auf die sonst autonom ablaufenden Prozesse doch Einfluss nehmen. Zur Vertiefung der Atmung , Verbesserung der Herzschlagvariabilität und damit zur Regulierung des gesamten Körpersystems haben sich z. B. die Bewegungsübungen der Traditionellen Chinesischen Medizin ,Qigong und Tai Chi, bewährt. Auch das autogene Training , die progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder Meditation sind sehr gut geeignet. Generell hilft regelmäßige moderate Bewegung dabei Stress abzubauen.

Sollte dies nicht die gewünschte Besserung bringen, kann zusätzlich eine körperorientierte Psychotherapie sehr hilfreich sein, bei der nach dem Aufdecken des zugrundeliegenden Konfliktes auch Strategien zum vegetativen Ausgleich vermittelt werden. Eine solche Therapie kann generell eine gute Ergänzung zur ärztlichen Behandlung bei den allermeisten Erkrankungen sein.

Autor: Manuela Gerlach, Heilpraktikerin (Psychotherapie)
Thema: Das vegetative Nervensystem und seine Auswirkungen auf die Gesundheit
Webseite: http://www.institut-gerlach.de

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