Hörminderung - Kann sich das Gehör wieder erholen?

Die schlechte Nachricht am Anfang: Ein geschädigtes, hörgemindertes Ohr kann sich nicht erholen. Warum das so ist? – Darauf werden wir in diesem Artikel eingehen.

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Was ist Hören?

WIR BRAUCHEN „KÖPFCHEN“, UM ZU HÖREN – OHREN UND GEHIRN.

Hören geht extrem schnell vonstatten, ist der schnellste Sinn und braucht nur minimalen Input[1], wie z.B. das Summen von Insekten, Plätschern eines Baches, Rauschen von Blättern im leichten Wind.

Vereinfacht gesagt besteht der Hörvorgang aus vier Schritten[2].

  • Geräusche, akustische Signale treffen auf unser Außenohr. Von der Ohrmuschel wird das Signal in den Gehörgang geleitet und trifft auf das Trommelfell (Mittelohr), wodurch es zum Schwingen gebracht wird.

  • Das setzt die Gehörknöchelchen (Mittelohr) in Bewegung, die die Schwingungen an die Hörschnecke (Innenohr) weiterleiten. Die Hörschnecke ist mit Flüssigkeit gefüllt; darin befindet sich eine Membran mit ca. 15.000 bis 20.000 Härchen: den Haarsinneszellen. Jedes Härchen steht für eine Frequenz – von 20 Hz bis 20.000 Hz (20 kHz)[3], von ganz tief bis ganz hoch.

  • An den Härchen ist der Hörnerv befestigt, an den das „bearbeitete“ akustische Signal weitergegeben wird. Das geschieht durch die Umwandlung mechanischer Vorgänge in neuronale Impulse. Die Neuronen verarbeitet tiefe und hohe Frequenzen, wodurch eine Differenzierung von Geräuschen, Sprache und Musik möglich wird[4].

  • Die neuronalen Impulse leitet der Hörnerv blitzschnell in das Gehirn weiter, und zwar in die Areale des Auditiven Cortex (Hörrinde, Hörzentrum) der linken und rechten Gehirnhälfte[5].

Quintessenz:

Hören besteht, vereinfacht gesagt, aus zwei Elementen: Wahrnehmung und Verstehen.

Mit dem (dreiteiligen) Sinnesorgan „Ohr“ (Außenohr, Mittelohr, Innenohr) nehmen wir Schall wahr.

Doch erst im Hörzentrum des Gehirns und mit dessen Hilfe verstehen wir auch, was wir wahrnehmen – hier findet die „sprachliche Übersetzung“ der akustischen Signale in Information statt.

Daher sind bei einem so komplexen wie filigranen Organ wie dem Ohr für Störungen, Beeinträchtigungen, Erkrankungen, Defizite, Verschleiß Tür und Tor geöffnet: Von der Schallerzeugung bis zum Verstehen.

Das hat zum Beispiel Folgen beim Tragen von Hörgeräten, denn jedes Hörsystem muss auf eine individuelle Hörbeeinträchtigung angepasst werden.

Da im Hörprozess Hirnareale aktiviert werden, werden dadurch beim Hören auch weitaus mehr Areale als nur das Hörzentrum angeregt, denn die Hirnareale sind untereinander vernetzt.

Das hat wiederum Folgen für die Gesundheit über die Hörminderung hinaus.

Was ist Hörminderung und welche Folgen kann Hörminderung haben?

Hörminderung ist eine „(…) Einschränkung des Hörvermögens. Sie reicht von einem geringgradigen Hörverlust bis zur Gehörlosigkeit und kann vorübergehen oder dauerhaft sein.“ Sie kann beispielsweise durch Lärm, Alter, Vererbung, Erkrankungen, Ohrenschmalz, Medikamente, Alkohol und Rauchen, Wasser verursacht werden.[6]

Dabei ist es meist so, dass die Haarsinneszellen in der Schnecke Schaden nehmen, beschädigt oder ganz zerstört werden. Ist ein Härchen geschädigt, ist das irreversibel! Kaputt ist kaputt – unwiederbringlich.

Hörsysteme oder, bei kompletten Hörverlust, Cochlea-Implantate können dies bei aller hervorragenden Qualität nur bedingt ausgleichen – obwohl die Entwicklung von Hörsystemen stetig voranschreitet. Das ist eine gute Nachricht für uns Hörgeminderte.

Wichtig ist, dass Hörgeminderte zu ihrer Behinderung stehen und Hörsysteme nutzen – so, wie wir Brillen, Gehhilfen, Zahnprothesen u.a. nutzen.

Warum? – Aus der Sicht des Autors: Ich genieße Teilhabe am Leben, nehme meine Umwelt und die Menschen akustisch wahr und ich kann meinen Beruf als Coach, Trainer und Dozent ausüben.

Hörsysteme bieten Lebensqualität im privaten wie beruflichen Bereich!

Und sie tun noch etwas darüber hinaus.

Ein unbehandelter Hörverlust kann verschiedene Folgen mit sich bringen, so zum Beispiel: Kommunikationsprobleme, soziale Vereinsamung, vorzeitiger Abbau geistiger, kognitiver Fähigkeiten, höheres Demenzrisiko, Depression[7]. Denn im Hörprozess aktivieren die Hörareale im Gehirn ja auch andere Hirnareale: Wenn jemand sagt „Denken Sie nicht an rosa Elefanten“, entwirft unser Gehirn das Bild eines rosa Elefanten.

Fehlen Übung, Training, Herausforderungen, Inanspruchnahme der Hirnareale, hat dies letztlich Auswirkungen auf den gesamten Apparat unserer Wahrnehmung, der „geistigen“ Verarbeitung und unserer mentalen Leitungsfähigkeit.

Darum kann ich als Betroffener jedem Menschen mit Hörminderung nur wiederholt zurufen: Stehen Sie zu Ihrer Hörminderung, lassen Sie diese behandeln, genießen Sie Ihr Leben und bleiben gesund und geistig, kognitiv aktiv.

Ein paar weitere Tipps und Hinweise für Betroffene

Hörsysteme sind für hörgeminderte Menschen eine große Hilfe. Aber sie können bei aller Güte und allem technischen Know-how das gesunde Hören nicht ersetzen oder wiederherstellen. Trotz der Systeme werden wir täglich mit akustischen Herausforderungen zu tun haben.

Was kann man tun? – Eine Auswahl an Möglichkeiten:

  • Seien Sie offensiv: Informieren Sie die Menschen, mit denen Sie agieren, gleich zu Beginn über Ihre Hörminderung – ganz wichtig auch bei Telefonaten. Fordern Sie ein: langsames und deutliches Sprechen – kein Schreien. Fordern Sie ein: Direkten Blickkontakt, Mund nicht verdecken.
  • Bitten Sie um Geduld.
  • Fragen Sie nach.
  • Achten Sie auf die Gesprächsumgebung: Raum, Licht, Sitzposition, Nebengeräusche …
  • Bitten Sie darum, z.B. im Restaurant die Musik herunterzudrehen oder auszuschalten.
  • Vereinbaren Sie bestimmte Zeichen und Regeln.
  • Wählen Sie das passende Programm in Ihren Hörsystemen.
  • Seien Sie mutig und selbstbewusst!

Zum Schluss …

… kann ich nur wiederholen und den Betroffenen ans Herz legen:

Stehen Sie zu Ihrer Hörminderung. Nutzen Sie die Versorgung mit Hörsystemen durch den Hörgeräteakustiker. Machen Sie spätestens ab dem 50sten Lebensjahr regelmäßige Hörscreenings. Nutzen Sie die Hörgeräteakustiker, um Ihr Hörsystem regelmäßig anzupassen. Tragen Sie Ihre Hörsysteme! Seien Sie nicht eitel!
Wenn die Lautstärke des Fernsehers die Nachbarschaft unterhält, Ihre Mitmenschen Sie immer lauter ansprechen müssen, Sie bestimmte akustische Dinge nicht mitbekommen, Unterhaltungen nicht mehr verfolgen können, immer mehr nachfragen müssen, es häufig zu Missverständnissen kommt und und und: Gehen Sie zum Hörgeräteakustiker Ihres Vertrauens.

Im Übrigen: Es gibt kleine, fast unsichtbare Im-Ohr-Hörgeräte; und bei der Auswahl und dem Design der Hinter-dem-Ohr-Geräte ist für alle etwas dabei.

Ich bin seit mindesten 2004 hörgemindert; seit 2004 trage ich Hörsysteme. Ich nehme aktiv am Leben teil und kann meinen Beruf als Coach, Trainer und Dozent ausüben.

Autor: Georg Kempkes, M.A. Coaching, Training, Workshops, Moderationen
Thema: Kann sich das Gehör wieder erholen?
Webseite: https://www.coaching-kempkes.com

Quellenangaben:

  • [1] https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/hoeren/hoeren-mehr-als-nur-schall-und-schwingung
  • [2] vgl: https://www.br.de/kinder/wunderwerk-ohr-hoeren-kleine-satellitenschuesseln-kinder-lexikon-102.html
  • [3] vgl. https://www.amplifon.com/de-ch/amplifon-blog/hoerbarer-frequenzbereich und https://www.audisana.ch/blog/haarzellen
  • [4] https://www.dasgehirn.info/wahrnehmen/hoeren/hoeren-mehr-als-nur-schall-und-schwingung
  • [5] https://medlexi.de/Auditiver_Cortex
  • [6] vgl. https://www.amplifon.com/de/ohrenkrankheiten/hypakusis
  • [7] vgl.: https://hearpeers.medel.com/de/erfahren/horverlust-bei-erwachsenen/horverlust-und-unsere-gesundheit

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