Seine Kinder heranwachsen zu sehen, ihre Entwicklungsschritte festzuhalten und seine Kinder im Alltag zu unterstützen ist sicherlich eine der schönsten und auch spannendsten Augenblicke im Elterndasein. Im Erziehungsalltag finden sich jedoch häufig Herausforderungen, welche durch alte Erziehungsvorstellungen und Erziehungsmethoden nicht besänftigt werden können.
Ferner machen sich schnell Zweifel und Ratlosigkeit auf. Völlig verständlich wenn man die gesellschaftlichen Vorstellungen von einer „idealen Mutter“ oder eines „idealen Vaters“ betrachtet. Doch sind solche „idealen Vorstellungen“ nicht mehr zeitgemäß. Nicht selten müssen auch Mütter bereits kurz nach der Geburt wieder arbeiten gehen, sodass der Hauptteil der Kindererziehung durch Kindertagesstätten, Großeltern oder Tagesmüttern übernommen werden muss.
In Trennungs- oder Scheidungsfamilien, werden Kinder oftmals alleinerziehend erzogen, müssen sich zweierlei orientieren oder leben in so genannten Patchwork-Familien. Allem voran, sind die Kinder in der heutigen Zeit einer Vielfalt an Medien wie beispielsweise Smartphones, Computern, Spielekonsolen und auch sozialen Netzwerken und dem Fernsehprogramm ausgesetzt, welche durchaus bereits auch in Schulen Anwendung finden. Reizüberflutung und auch kognitive Überforderung lassen sich aufgrund des stets wachsenden Leistungsdrucks, teilweise bereits im Kindergartenalter bemerkbar, feststellen. Eltern stehen sodann immer häufiger vor großen Herausforderungen in ihrem Erziehungsalltag, welche vermeintliche Bagatellen schnell zu einem Beziehungssprengstoff werden lassen.
Kindererziehung kann also heutzutage oftmals nicht mehr traditionell gelebt werden. Aufgrund der veränderten Bedingungen, in welchen die Kinder im Gegensatz zu früher aufwachsen, machen es notwendig neue Wege zu gehen und neue Perspektiven in der Kindererziehung zu entwickeln. Es reicht nicht mehr aus seine Kinder durch einen aufgeschlagenen Erziehungsratgeber oder mittels „Omas Erziehungsrezepte“ auf das Leben vorzubereiten. Kindererziehung ist heute individueller denn je zu gestalten und ist immer häufiger ein intuitives Handlungsschema.
Damit Kindererziehung nunmehr also individuell gestalten werden kann, ist es grundsätzlich wichtig die kognitive (geistige) Entwicklung des Menschen in seinen Grundsätzen zu verstehen.
Im Hinblick auf die frühkindlichen Entwicklungsphasen, entstehen schnell Fragen und Verunsicherung. Gängige Fragen von Eltern sind beispielsweise:
Warum wiederholt mein Kind gewisse Handlungen immer wieder?
Hat es etwas neues entdeckt, scheint es sich nur noch mit diesen neuen Reizen beschäftigen zu wollen, ist das normal?
Ja, in der Regel sind solche Verhaltensweisen in der frühkindlichen Entwicklung völlig normal. Es gibt sicherlich auch Anzeichen für eher unspezifisches wiederholendes Verhalten, doch um diese aufzugreifen, ist der Rahmen dieses Artikels zu gering. Daher ist es von essentieller Bedeutung die Aufmerksamkeit zunächst in das menschliche Denken und dessen Entstehung zu lenken und sich anhand verständlicher Beispiele an die Verhaltensweisen in der frühkindlichen Phase heranzuführen.
Im folgenden wird das Prinzip der Adaptation und das Prinzip der Äquilibration nach dem Konzept der kognitiven Entwicklung nach Jean Piaget vorgestellt:
Die Adaptation bedeutet nichts weiteres, als dass sich das Subjekt (im folgenden Mensch oder Kind genannt) an sein Objekt (im folgenden Umwelt genannt) anpasst.
In allen gedanklichen Vorgängen existieren spezielle Muster, welche kognitive (geistige) Schemata genannt werden. Kognitive Schemata geben dem Menschen die Möglichkeit gewisse Umweltbegebenheiten Hand zuhaben. Ein kognitives Schemata ist beispielsweise das des Greifens – etwas greifen. Sprich:
Ein Kind welches erkannt hat, wie es etwas mit seinen Händen fassen (greifen) kann, wird in der ersten Zeit nach allen möglichen Gegenständen oder anderen Dingen greifen. So beispielsweise nach dem Haar der Mutter, einem Spielzeug, einem auf dem Boden befindlichen Gegenstand und wird das kognitive Schema des Greifens, in sich immer wiederholenden Handlungen einüben. Das sich wiederholende einüben, dient zur Festigung und zum vollständigen begreifen des kognitiven Schemas.
Im weiteren Verlauf wird das Kind, das kognitiv eingeübte Schema des Greifens aus Neugierde mit anderen Handlungen zu verbinden bzw. zu kombinieren versuchen. So wird es beispielsweise einen gegriffenen Gegenstand zu werfen versuchen. Eine solche Handlung wird das Kind ebenfalls öfters wiederholen. Dies basiert darauf, da das Kind ein neues kognitives Schema (das Werfen) erkannt hat und zum anderen, beginnt das Kind eine kognitive Struktur zu entwickeln.
Kognitive Strukturen sind ebenfalls ein Teil unseres Denkens. Sie sind Verbindungen von kognitiven Schemata. Zum besseren Verständnis, nun ein kleines Beispiel:
Das Kind hat erkannt, dass es einen Gegenstand greifen muss um es in seinen Händen halten zu können und um es betrachten zu können. Nun beginnt es zu verstehen, dass es seinen Arm mit Schwung nach vorne bringen muss, das Greifen unterbrechen muss und der Gegenstand somit „das Fliegen lernt“. Entwicklung einer kognitiven Struktur = Verbindung mehrerer Handlungen.
Kognitive Strukturen sind für die Bewältigung unserer Handlungsabläufe und für die Entwicklung motorischer Fähigkeiten, sowie für unsere Handlungen notwendig. Gleichsam bilden sie die Grundlagen des Erkennens und des Wahrnehmens. Das Denken geschieht also nicht einfach zufällig, vielmehr ist es eine Organisation von kognitiven Schemata und kognitiven Strukturen. Die Adaptation beschreibt also den Gesamtprozess vom anpassen des Menschen an seine Umwelt. Damit dieser Gesamtprozess jedoch überhaupt erst gebildet werden kann, bedingt es der Assimilation und der Akkommodation.
Die Assimilation bedeutet: „ähnlich machen oder auch angleichen“.
So wird ein Kind, welches einen Baum gesehen hat und zuvor beispielsweise von der Mutter das gesehene, als Baum erklärt bekommen hat, alles was einem Baum ähnlich sehen könnte auch als Baum bezeichnen bzw. es als einen Baum ansehen. Das Kind gleicht somit beispielsweise einen hohen Strauch oder eine hohe und große Pflanze an einen Baum an.
Dieses Phänomen wird assimilieren genannt. Erst im späteren wird das Kind zwischen den einzelnen Objekten unterscheiden können. Die Assimilation wird zudem in fünf verschiedene Assimilationsbereiche unterteilt. So zum Beispiel in die reproduktive Assimilation, welche besagt, dass ein Kind welches beispielsweise einen Wortlaut erlernt hat, diesen stetig wiederholen wird. Dieses wird sozusagen zu seiner Lieblingsbeschäftigung.
Die Akkommodation bedeutet: „Anpassung oder Einigung“.
So muss ein Kind welches das kognitive Schema des Greifens einübt, beispielsweise bei einem Wasserstrahl zunächst bemerken, dass dieser weder von der Seite noch schnell oder langsam zu ergreifen ist. In einer solchen Situation muss das Kind also umorganisieren. Sprich:
es sollte selbst bemerken bzw. entdecken, dass es seine Hände dem Wasserstrahl nähern muss, es eine Mulde mit seinen Händen formen muss und sich das Wasser somit in dieser Mulde ansammelt und dadurch greifbar wird.
Durch das Zusammenspiel von Assimilation und Akkommodation werden nicht nur kognitive Strukturen weiterentwickelt, sondern erst durch das Zusammenspiel kann sich der Gesamtprozess des Anpassens des Menschen an seine Umwelt ausbilden.
Zusammengefasst kann gesagt werden:
Wenn das Kind das kognitive Schema am Objekt nicht anwenden kann, entsteht eine sogenannte Störung, welche zur Folge hat, dass das Kind dazu gezwungen ist, sich durch andere Handlungen an dem Objekt anzupassen. Sprich: Mittels des neugebildeten kognitiven Schemas wird die Störung ausgeglichen und die allgemeine Entwicklung vorangetrieben.
Kindererziehung beschreibt heutzutage somit weniger die der Volkstümlichen Vorstellung, sondern vielmehr die Begleitung seiner Kinder im Alltag.
Lesetipp für Kinder: Lilli - Eine Geschichte für Kinder und Kindgebliebene
Autor: Mark Krückels
Thema: Kindererziehung
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