Persönlichkeit

„Wer bin ich und wenn ja wie viele?“ So heißt ein Buchtitel von Richard David Precht.

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Unsere Frage hier soll lauten:

Wie viele gibt es – und wenn ja, welche bin ich?

Zuerst hatte ich mich sehr über die Anfrage zum Thema Persönlichkeit gefreut, doch je intensiver ich mich damit beschäftigte desto schwerer wurde die Schwerpunktsetzung.

In meiner täglichen Arbeit bin ich ständig mit dem Thema beschäftigt. Doch was ist das eigentlich?  Persönlichkeit!

Im Folgenden möchte ich den Versuch einer Beschreibung wagen und beginne mit einem kleinen historischen Abriss zum Thema.

Im Anschluss werde ich die „Big five“ der Persönlichkeit erläutern.

Was geschieht, wenn unsere Persönlichkeit uns oder anderen Probleme macht? Dies soll vor allem vor dem Hintergrund des Gefühls der Angst beleuchtet werden bevor am Ende „externe“ Blickwinkel zur Sprache kommen.

In einem Artikel aus 2014 schrieb „die Zeit“:

„Auffällig viele Psychopathen werden Chef“

Diese Behauptung hat mich als pflegerischen Leiter einer psychiatrischen Klinik auch nachdenklich gemacht.

Bei der Beschreibung dieses selbstverliebten Anteils hat man sich Narziss, den schönen Sohn des Flussgottes Kephissos aus der griechischen Mythologie ausgesucht, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte.

Wenn man Narzis´s Geschichte ganz verfolgt, erkennt man die komplette Tragik des Narzissmus.

Doch wie sollen wir Persönlichkeit nun beschreiben?

Theodore Dreiber weist uns hier eine demütige Haltung zu:

„Es gibt kein vergeblicheres Bemühen auf der Welt, als der Versuch einer genauen Charakterschilderung“

Wir wollen es trotzdem wagen:

„Persona“ – bedeutet die Maske – also was wir nach außen hin zeigen.

Man könnte unterscheiden zwischen der primären Persönlichkeit

  • Wie ticke ich grundsätzlich?

Dies bemerke ich, wenn ich unter Stress stehe. Hier fällt oft „die Maske“ und man reagiert mit seiner primären Persönlichkeit.

In diesem Zusammenhang könnte man sagen, wenn unsere primäre und unsere sekundäre Persönlichkeit übereinstimmen, wirken wir authentisch.

Die Geschichte der Temperamente spiegelt sich in zwei Tendenzen.

Es werden entweder die „angeborenen Eigenschaften“ betont, oder der Schwerpunkt liegt auf der Lebensgeschichte und den Umweltfaktoren.

Die alten Griechen und Römer sprachen von den vier Säften die Persönlichkeiten bestimmen:

Gelbe Galle – cholerisch

Schwarze Galle – melancholisch

Blut – sanguistisch

Schleim – phlegmatisch

Albrecht Dürer hat ein Bild der vier Apostel gemalt. Einige Interpretationen sehen darin eine Darstellung der vier Temperamente.

Markus – der Choleriker

Paulus - der Melancholiker

Johannes - der Sanguiniker

Petrus - der Phlegmatiker

Um nicht alle Typen genau definieren zu müssen, kann uns das „Gleichnis vom Stein“  helfen die Typen zu unterscheiden:

Nehmen Sie einmal an, ein Stein würde Ihnen den Weg versperren. Was würden Sie tun? Wie zeigt sich ihr Temperament?

Der Sanguiniker würde wohl heiter über den Stein hüpfen oder klettern.

Der Choleriker wird aufgrund des unerwarteten Ereignisses in Rage geraten und laut fluchend gegen den Stein treten und ihn im besten Fall mit einem Gewaltakt aus dem Weg schaffen.

Der Phlegmatiker würde dem Unangenehmen aus dem Weg gehen und mit großem Aufwand einen Umweg nehmen.

Der Melancholiker wird seine Reise in Frage stellen, auf den Stein sitzen und nachgrübeln.

Haben Sie hier auch Ihre eigene Tendenz im Umgang mit Widrigkeiten des Lebens entdeckt?

Gegenüber diesem Einteilungssystem stehen z.B. Systeme der östlichen Kultur, die eher alles „im Fluss“ sehen und Umweltfaktoren mehr Macht als den Anlagefaktoren (den oben beschriebenen Säften) zuschreiben.

Doch nun zum „state of the art“ – den  „Big Five“ der Persönlichkeit

Seit den 1980er Jahren besteht in der internationalen persönlichkeitspsychlogischen Forschung Konvergenz in der Auffassung, dass es fünf Grunddimensionen der Persönlichkeit gibt. Diese werden als „big five“ bezeichnet und beschreiben Unterschiede zwischen Menschen.

Kenne ich mich? Nach dem Steingleichnis kann ich auch hier überlegen, wo ich mich eher erkenne.

Negative Emotionalität

versus

Belastbarkeit

Extraversion

versus

Introversion

Offenheit gegenüber Erfahrungen, Kreativität, (geistige) Beweglichkeit, Neugier

versus

Konservatismus, Beharrlichkeit, Tradition, Unbeweglichkeit

Anpassung, Kooperation, Konformität, Verträglichkeit

versus

Konkurrenz, Reaktivität, Antagonismus

Gewissenhaftigkeit

versus

Nachlässigkeit

Wir alle bewegen uns zwischen diesen Polen, die an sich weder „gut“ noch „schlecht“ sind.

Doch was steckt hinter den einzelnen Worten?

Die Dimension „negative Emotionalität“

Emotionalität sagt etwas über die Häufigkeit und Stärke der Reize aus, die benötigt werden um von seinen Gefühlen beeindruckt zu werden. „Belastbare“ Menschen benötigen stärkere Reize, um aus dem Lot gebracht zu werden als „sensible Menschen“.

Emotional sensible Menschen findet man häufiger in sozialen Berufen, während emotional belastbarere Menschen vielleicht eher Fluglotsen oder Finanzmanager werden.

Die Dimension „Extraversion“

Extraversion bezeichnet die Stärke der Tendenz der Zuwendung nach außen. Ist Extraversion stark ausgeprägt fühlt der Mensch sich beispielsweise im Verkauf oder in der Politik wohl, während introvertierte Menschen beispielsweise in den Naturwissenschaften arbeiten.

Die Dimension „Offenheit für Erfahrungen“

Beim kreativen Erneuerer finden wir breite Interessen. Er liebt Reformen und Abwechslung. Der Konservative wird eher als traditionsbewusst und beharrlich wahrgenommen und wird somit zum idealen Bewahrer von Werten und Traditionen.

Die Dimension „Verträglichkeit“

„Kooperation“ und „Konkurrenz“ stehen sich hier gegenüber.

Wie stark kann ich anderen entgegenkommen und Konfrontationen vermeiden?

Die Dimension „Gewissenhaftigkeit“

Gewissenhaftigkeit bezieht sich darauf, wie eng sich jemand seinen Aufgaben und Zielen gegenüber verpflichtet fühlt.

Ein hohes Maß an Gewissenhaftigkeit kennzeichnet einen Menschen, der selbstdiszipliniert Ablenkungen ausblenden kann.

Flexiblere Persönlichkeiten sind weniger auf Ziele fixiert und gehen im Allgemeinen lockerer damit um.

In meiner täglichen Arbeit begegnen mir oft Menschen, deren bestimmte Persönlichkeitsausprägungen zu Problemen führen.

Wie kann ich mit den Mitmenschen umgehen, die mir das Leben schwer machen? Die also ganz anders „ticken“?

Jeder große Psychologe hatte auch eine eigene Persönlichkeitstheorie, deshalb kommen wir nicht umhin noch F. Riemann (Grundformen der Angst) zu Wort kommen zu lassen. Er hat die Angst hinter bestimmten „Typen“ herausgearbeitet. Vielleicht gelingt es uns im täglichen Umgang miteinander besser, wenn wir die Angst, hinter bestimmten, uns fremden Akzentuierungen sehen.

Dies kann im Blick auf das berufliche sowie auf das private Umfeld eine große Erleichterung darstellen.

Hier die Auslegungen von Fritz Riemann:

Angst gehört unvermeidlich zu unserem Leben. In immer neuen Abwandlungen begleitet sie uns von der Geburt bis zum Tode. […] Die Geschichte der Menschheit lässt immer neue Versuche erkennen, Angst zu bewältigen, zu vermindern, zu überwinden oder zu binden […] sie gehört zu unserer Existenz und ist eine Spiegelung unserer Abhängigkeiten und des Wissens um unsere Sterblichkeit. Wir können nur versuchen, Gegenkräfte gegen sie zu entwickeln: Mut, Vertrauen, Erkenntnis, Macht, Hoffnung, Demut, Glaube und Liebe. Diese können uns helfen, Angst anzunehmen, uns mit ihr auseinanderzusetzen, sie immer wieder neu zu besiegen. Methoden, welcher Art auch immer, die uns Angstfreiheit versprechen, sollten wir mit Skepsis betrachten; sie werden der Wirklichkeit menschlichen Seins nicht gerecht und erwecken illusorische Erwartungen.“

– Fritz Riemann (1975)

Schizoide Persönlichkeiten

Die Hauptangst eines Menschen mit einer schizoiden Persönlichkeitsstruktur sei, so Riemann, die Angst vor der Hingabe. Sie sei verknüpft mit dem Impuls zur „Selbstbewahrung und Ich-Abgrenzung“. Angst und Impuls würden „überwertig“, wenn das Schizoide sich in einer Weise entwickelt habe, dass es die Persönlichkeit beherrsche. Menschen mit einer solchen Struktur mieden Nähe und Bindung an andere Menschen, seien ichbezogen und strebten nach individuellem Sein und größtmöglicher Unabhängigkeit:

„Sein Streben wird vor allem dahin gehen, so unabhängig und autark wie möglich zu werden. Auf niemanden angewiesen zu sein, niemanden zu brauchen, niemandem verpflichtet zu sein, ist ihm entscheidend wichtig.“

Depressive Persönlichkeiten

Gegenspieler der schizoiden Struktur sind nach Riemann depressive Persönlichkeiten. Ihre Hauptangst ist, selbständig zu werden – Riemann nannte es unter anderem Ich-Werdung – und damit verbunden die Angst vor dem Verlust von Geborgenheit. Eigenständigkeit zu erwerben, setzt einen Entwicklungsschritt voraus, der mit Trennung verbunden ist, und diese Trennung vermeiden Menschen mit einer depressiven Persönlichkeitsstruktur. Der damit verknüpfte Impuls strebt danach, das eigene Ich aufzugeben und ganz im Anderen aufzugehen. Er wird gebraucht, um sich sicher fühlen zu können. Ein Mensch mit depressiver Struktur versucht, der Angst dadurch zu entkommen, dass er sich in Abhängigkeit begibt und auf Freiheit verzichtet, die er auch seinem Gegenüber nicht zugestehen kann.

„Bewusst ist ihm dabei höchstens die Verlustangst, die Angst vor der Individuation, die das eigentliche Problem ist, bleibt weitgehend unbewusst.“

Zwanghafte Persönlichkeiten

Die „Sehnsucht nach Dauer“ sei allen Menschen grundsätzlich eigen. Wenn auch nicht hinreichend, so wäre Verlässlichkeit doch notwendige Bedingung zur Entwicklung von Hoffnung und Vertrauen. Auf diesem Hintergrund beschrieb Riemann die dritte Grundform der Angst, die zwanghafte Persönlichkeiten insbesondere durch die Angst vor Vergänglichkeit und auf der „Impulsseite“ durch ein Streben nach Dauer und Sicherheit auszeichne – beides ggf. „überwertig“. Ein Mensch mit zwanghafter Struktur wolle unbedingt alles beim Alten belassen, vermeide jede Veränderung und bekämpfe sie, wenn möglich:

„Er wendet sich gegen Neuerungen, wo sie ihm begegnen, was aber immer mehr zu einer Sisyphusarbeit wird, denn das Leben ist immer im Fluss, alles ist in fortwährender Wandlung begriffen, «alles fließt» in immerwährendem Entstehen und Vergehen, das sich nicht aufhalten lässt.“

Hysterische Persönlichkeit

Gegenspieler der zwanghaften sind hysterische Persönlichkeiten. Sie erfreuen sich, wie Riemann es nannte, an dem „Zauber des Neuen“, suchen das Risiko, streben nach Freiheit und Veränderung und haben besondere Freude daran, Unbekanntes zu entdecken. Wird dieses Streben überwertig, stellen sich Angst vor Endgültigkeit und Unausweichlichkeit, vor Notwendigkeiten und Begrenztheit ein. Charakteristisch für diese Persönlichkeiten ist ein „kurzer Spannungsbogen“.

„Jeder Impuls, jeder Wunsch muss möglichst sofort befriedigt werden, weil Warten unerträglich ist. Darin liegt ihre große Verführbarkeit – sie können Versuchungen schwer widerstehen.“

Jetzt könnte man noch darauf eingehen wie ich meine Persönlichkeit weiterentwickeln bzw.  wie ich mich „optimieren“ kann um erfolgreich zu sein.

Ich würde gerne einen Gegenpol vertreten und dieser wäre:

Selbstakzeptanz statt Selbstoptimierung

Gerald Hüther, einer der bekanntesten Hirnforscher hat vor Kurzem neu die Würde als Mensch herausgearbeitet und betont.

Ich besitze eine hohe Würde und zwar so wie ich bin, nicht wie die auf Leistung ausgelegte Gesellschaft mich gerne hätte, sondern ich darf sein wie ich bin.

Eugen Drewermann, Theologe und Therapeut, sprich oft von der Angst nicht genug zu sein und antwortet mit dem schönen Gedanken, dass wir von einem „absoluten Hintergrund“ (Gott) bejaht sind.

Kann ich mich in meinem „Gewordensein“ annehmen und akzeptieren? Vielleicht ist dies Weiterentwicklung im besten Sinn.

Ähnlich wie beim Holz der Violine gilt es, den eigenwilligen Faserverlauf im eigenen Leben zu erspüren und seinen eigenen unverwechselbaren Klang zu finden.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihren unverwechselbaren Klang finden.

Autor: Andreas Vogt
Thema: Persönlichkeit
Webseite: https://www.impulseleben.de

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