Es ist ein schöner Gedanke: eine Welt voller Toleranz, Gleichheit, Hilfsbereitschaft.

Eine Welt, in der niemand ausgeschlossen wird, jeder willkommen ist, niemand lügt, niemand hasst. Viele jungen Menschen, vor allem jene, die aus stabilen, wohlhabenden Verhältnissen stammen, glauben fest daran, dass so eine Welt nicht nur wünschenswert, sondern auch erreichbar sei.
Sie treten auf mit moralischem Anspruch, mit Forderungen nach Offenheit, Verständnis, sozialer Gerechtigkeit, Antidiskriminierung. Vieles davon ist richtig. Und vieles davon ist gut gemeint. Aber gut gemeint ist nicht gut gemacht. Denn diese Vorstellungen entspringen oft einem naiven, kindlichen Weltbild. Sie ähneln dem Wunsch eines Kindes, dass immer Frühling sein möge, dass niemand traurig ist, dass es keine Gewalt mehr gibt. Doch die Welt ist kein Spielplatz. Sie ist ein komplexes Gebilde aus Interessen, Machtverhältnissen, Ressourcenknappheit und dunklen Seiten des Menschen, die sich nicht einfach wegmoralisieren lassen.
Wer nie echten Mangel, Existenzangst oder psychische wie physische Gewalt erlebt hat, wer die harten Regeln der Straße nicht kennt, kann leicht der Illusion verfallen, man müsse nur alle Menschen gut behandeln, und alles wird gut. Doch nicht jeder Mensch denkt wie du. Nicht jeder reagiert auf Freundlichkeit mit Dankbarkeit. In vielen Teilen der Welt und auch in bestimmten Milieus westlicher Gesellschaften, gilt Toleranz nicht als Tugend, sondern als Schwäche, die ausgenutzt werden kann.
Gerade die Forderungen der sogenannten „Woke“-Bewegung oder einer unkritisch offenen Asylpolitik zeigen diese Tragik: Der Wunsch, niemanden auszugrenzen, führt mitunter dazu, dass genau jene Macht gewinnen, die eben nicht tolerant, nicht friedlich, nicht dialogbereit sind. Wer das nicht sieht, verwechselt den Menschen mit einer idealisierten Fantasieversion des Menschen.
Dazu kommt: Viele dieser Idealisten sind noch jung. Ihre Weltanschauung richtet sich oft nach dem, was Menschen zeigen, nicht nach dem, was sie wirklich denken oder tun, wenn niemand hinschaut. Sie kennen noch nicht die Abgründe des Menschen, seine Fähigkeit zur Täuschung, zur Grausamkeit, zum Opportunismus. Daher stammt wohl auch der alte Spruch:
„Wer mit 20 nicht links ist, hat kein Herz. Wer mit 40 noch links ist, hat keinen Verstand.“
Natürlich ist dieser Satz überzeichnet. Aber sein Kern trifft etwas Wahres: Ideale allein machen noch keine funktionierende Gesellschaft. Es braucht Realismus, psychologische Reife und Kenntnis der menschlichen Natur, um funktionierende Systeme zu bauen. Es reicht nicht, die Welt verbessern zu wollen, man muss auch verstehen, wie sie wirklich funktioniert.
Wer anderen helfen will, sollte nicht nur auf das hören, was sie sagen, sondern auch beobachten, wie sie handeln. Und wer Gutes tun will, sollte zuerst die Folgen seines Tuns bedenken, nicht nur die Absicht.
Nicht jeder Mensch wird durch Liebe besser. Nicht jeder Fremde ist harmlos. Nicht jedes Opfer ist unschuldig. Und nicht jede Moral ist hilfreich. Idealismus ist ein Anfang. Doch ohne Realismus bleibt er nichts als ein schöner Kindheitstraum.
Thema: Das kindlich-naive Weltbild und seine Folgen
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