Entscheidungen zu treffen ist in unserem Leben unvermeidbar. Doch immer wieder kommen wir in unserem Leben an wichtige "Weggabelungen", an denen wir in Entscheidungsschwierigkeiten kommen.
Welcher Weg ist der "richtige" für uns? Auch jede Entscheidung, die wir nicht treffen beziehungsweise aufschieben, ist eine Entscheidung - nämlich die Entscheidung, alles beim Alten zu lassen.
Viele Menschen lassen sich von dieser Frage so verunsichern, dass notwendige Entscheidungen sie lähmen und in Krisen stürzen können - aus Angst, sich falsch zu entscheiden oder aus allzu perfekten Vorstellungen heraus. Sie schieben Entscheidungen von sich - oder warten so lange, bis der Entscheid sich durch die Umstände aufdrängt und sich damit ihrer Entscheidungsfreiheit entzieht.
Wie äußern sich Entscheidungsschwierigkeiten?
Diese Verhalten und Erleben manifestiert sich aufgrund von Denkfehlern. Hierzu zählen:
- Dichotomes Denken - Schwarz-Weiß-Sicht:Hierbei werden Erfahrungen in gegensätzliche Extreme eingeteilt; eine Abstufung existiert nicht (gut-böse, heilig-sündhaft). Beispiel: Entweder bestehe ich die Klausur sehr gut oder es wird ein totales Desaster.
- Selektive Wahrnehmung/Selektive Abstraktion:Ein einziger negativer Aspekt einer Situation wird überbewertet, die anderen positiven Aspekte der Situation werden vernachlässigt. Beispiel: Die Klausur war eine einzige Katastrophe, zwar habe ich eine 2, aber das Röntgenbild konnte ich überhaupt nicht deuten.
- Katastrophisierendes Denken:Für die Zukunft werden nur negative Ereignisse prophezeit. Andere Möglichkeiten werden ausgeschlossen. Beispiel: Bei der Klausur werden ich redlich versagen und dann ohne Abschluss HARZ-IV beantragen müssen.
- Übergeneralisierung:Ein negativer Aspekt einer Situation wird gleich auf die ganze Person bezogen. Beispiel: Ich habe den Teller fallen lassen. Ich bin einfach ein Idiot und zu dumm fürs Leben.
- Personalisierung:Ereignisse werden ohne ersichtlichen Grund auf die eigene Person bezogen. Beispiel: Mein Partner hatte einen Unfall, um mich wegen meiner Taten zu bestrafen.
- Willkürliche Schlussfolgerung: Eine Person zieht aus einer Empfindung bestimmte Schlüsse, ohne dass diese bewiesen, bzw. durch Beweise widerlegt werden können.
Was ist das Problem? - Gründe für Entscheidungsschwierigkeiten
Gründe für eine Entscheidungsschwierigkeiten wurzeln meistens tief und bestimmen das gesamte Leben, welches täglich geprägt ist von unzähligen großen und kleinen, bewussten und unbewussten Entscheidungen. Existiert in diesem Bereich unserer Persönlichkeit eine Blockierung, hat diese Tatsache deshalb auch eine 'entscheidende' Wirkung auf unser Leben.
Sobald wir mehrere Wahlmöglichkeiten haben, fühlen wir uns schnell überfordert und geraten unter Stress. Oft ist der Ausgang unserer Entscheidung ungewiss, sie legt uns für mehrere Jahre fest, wir werden diesbezüglich von anderen bewertet oder kritisiert, es können Konflikte, z.B. mit nahen Angehörigen auftreten. Zudem sind Entscheidungen mit Verlusten verbunden, denn wenn ich zu der einen Sache „ja“ sage, dann muss ich auf eine andere verzichten. Dieser Verlust wirkt sich negativ auf unser Belohnungssystem aus und wir fühlen uns schlecht. Sich entscheiden, heißt aber auch Verantwortung zu übernehmen und vielleicht ist diese Entscheidung auch die erste Wirkliche in unserem Leben, für die wir auch die Konsequenzen zu tragen haben, somit geraten wir auch in eine Rechtfertigungsposition: „Warum man gerade diese Wahl getroffen hat und nicht eine andere?“.
Aus der Möglichkeit zu wählen kann ein ähnlicher Zustand entstehen wie bei Überstimulation: die verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten können letztlich überfordernd wirken, und es entsteht ein „Entscheidungsstress".
Neben dem Punkt der "zu großen Auswahl" können Entscheidungsschwierigkeiten zum Beispiel auch noch folgende Gründe haben:
- Wir scheuen uns, „unsichere“ Schritte zu gehen. Es sollte vielmehr alles berechenbar und "sicher" sein.
- Wir haben hohe Erwartungen und Ansprüche an uns selbst. Unsere Entscheidung soll die "perfekte Lösung" sein.
- Schon in der Jugend hat man uns vielleicht Entscheidungen abgenommen, weil wir für einen Entscheid länger brauchten als andere - oder schüchtern, ängstlich und unsicher wirkten.
- Wir durften in unserer Jugend nicht in vernünftigem Masse Risiken eingehen bzw. haben dafür keinen Schutz erfahren.
- Wir haben die Tendenz, uns anzupassen und andere für uns entscheiden zu lassen, weil wir Angst haben, uns zu exponieren und Verantwortung zu tragen.
- Auch Lebensängste, Traumata, psychische Erkrankungen, schlechte Erfahrungen mit Entscheidungen etc. können unsere Entscheidungsfähigkeit lähmen.
Es gibt also viele Gründe, warum wir uns nicht oder manchmal schwer entscheiden können. Meist sind es Ängste, die uns bei der Entscheidungsfindung hindern. Die Angst vor den Konsequenzen und der Verantwortung oder wir glauben, nicht ausreichend Kraft zu haben, mit der Verantwortung leben zu können. Wir wollen die hundertprozentige Sicherheit die richtige Alternative zu wählen. Wir wollen uns nicht vorwerfen müssen, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Was tun bei Entscheidungsschwierigkeiten?
Wichtig ist erst mal, dass wir den Druck aus der Entscheidung raus nehmen, das Gedankenkarussell zum Stillstand bringen und unsere Entscheidungsfähigkeit stärken.
Rufen wir uns zuerst einmal in Erinnerung, wie es sich anfühlt, wenn es uns gelungen ist, eine klare Entscheidung zu treffen: Eine Entscheidung setzt immer Energie frei, welche vorher im Prozess des 'Hin und Her' gebunden gewesen ist. Sie befreit uns auch gefühlsmäßig durch ihr "Ja" vom vorherigen Zwiespalt. Der wieder gewonnene Fluss der Energie hat oft ein wohltuendes, vitalisierendes Gefühl zur Folge, wenn er auch Ängstlichkeit und Spannung beinhalten kann ("...war es wirklich die richtige Entscheidung...?"). Man wird wieder aktiv und handlungsfähig und kann seine zuvor verzettelte Kraft nun auf den gewählten Weg fokussieren.
Ein "ungeformter" Tag, der vor einem liegt, kann lähmend wirken, selbst dann, wenn viele Arbeiten zu tun wären…
- Tagespläne für Freischaffende: Schreiben Sie sich am Abend einen Übersichtsplan auf, eine Aufgabenliste mit konkreter Zeit. Das kann bei unstrukturierten Menschen Wunder bewirken und sogar Spaß machen. Alles, was Sie tun müssen, aber auch gerne machen würden, integrieren Sie in den Plan und schätzen grob die Zeit ab.
- Wenn Sie fixe Arbeitszeiten haben, können Sie den obigen Tipp "Tagespläne" ebenfalls benutzen, falls Sie in Ihrer Freizeit Mühe haben mit Entscheidungen: Verfassen Sie eine Liste mit allem, was Sie in der Freizeit gerne tun würden - oder erledigen müssen - und strukturieren Sie diese Zeit auf passende Weise. Nicht vergessen: Zeit zum Ruhen, Zeit für Freude und Freunde...
- Führen Sie einen Tag lang Buch, und notieren Sie alle Entscheidungen, große und kleine, die Sie getroffen haben.
- Der erste Schritt zur Aktivität: Wenn Sie sich blockiert fühlen, eigentlich viel zu tun hätten, jedoch nicht wissen wo anfangen: Hören Sie auf nachzudenken und machen Sie als ersten Impuls - jetzt gerade! - "irgendetwas", ganz spontan: z.B. eine Runde an der frischen Luft. Oder kochen Sie sich einen Tee. Oder räumen Sie Ihren Schreibtisch auf...
- Kleine Schritte: Kommt Ihnen eine Entscheidung unmöglich und unüberwindbar vor? Dann ist der Schritt dazu vielleicht zu groß und stellt eine Überforderung dar: Teilen Sie die Aufgabe, die vor Ihnen liegt, wenn möglich in verschiedene kleine Schritte ein, z.B. Schritte 1 bis 10.... und machen Sie sich an den ersten kleinen Schritt.
- Trainieren Sie Ihre wachsende Entscheidungsfähigkeit an kleinen, unwichtigen Entscheidungen und nicht ausgerechnet an den schwierigsten, gewichtigsten.
- Beobachten Sie bei schwierigeren Entscheidungen Ihre Gefühlslage: was blockiert Sie? Angst, Leistungsstress, das Gefühl der Unfähigkeit, der Unsicherheit? Oder kennen Sie negative Gefühle nach einer getanen Entscheidung (Angst, falsch entschieden zu haben, Tendenz, die Entscheidung rückgängig machen zu wollen etc.)? Kommen Sie diesen Gefühlen auf die Schliche, lernen Sie, sich selber besser zu verstehen und sich durch Gefühle nicht mehr blockieren zu lassen. Vielleicht braucht es dazu auch eine beratende oder therapeutische Unterstützung.
- Zeigt eine Entscheidung negative Folgen? Eine gute Gelegenheit, auch damit umzugehen, denn die Angst vor "falschen Entscheidungen" hemmt uns ja häufig, besonders wenn wir oft unter Leistungsstress stehen: Finden Sie Wege der Korrektur, des Umgangs mit den Folgen, stärken Sie das Vertrauen in sich selbst, dass Sie durchaus fähig sind, auch damit umzugehen.
- Unsere Bedürfnisse: oft sind wir streng mit uns und tendieren zu Entscheidungen, welche leistungsorientiert sind - oder "allgemein anerkannt". Oder wir richten uns nach andern Menschen, um akzeptiert zu werden... Dabei übergehen wir oft unsere ureigenen Wünsche und bleiben irgendwie frustriert zurück. Scheuen Sie sich nicht davor, Ihre Entscheidungen auch nach ihren persönlichen Prinzipien zu fällen.
- Richtige Entscheidungen gibt es nicht - Falsche auch nicht: Unser Anspruch auf Perfektion, auf eine makellose Lösung der Situation, wirkt oft blockierend. Endlose Pro- und Kontralisten werden verfasst, das Für und Wider abgewogen, bis man vergessen hat, was man eigentlich möchte. Oder wie Charles de Gaulle es ausdrückte: “Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen zu treffen, als immer nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.“
Therapie - Wann Entscheidungsprobleme krankhaft sind
"Entscheidungsprobleme sind ein Diagnosekriterium der Depression, aber auch charakteristisch für Zwangsstörungen", erklärt Jürgen Brunner, ärztlicher Psychotherapeut aus München. Früher bezeichnete man eine Zwangsstörung auch als Krankheit des Zweifelns. Hintergrund ist, dass Menschen bei der Vorstellung eines zukünftigen Ereignisses Ängste bekommen und dann nicht mehr nach möglichen Lösungen suchen können. Eine Therapie wäre dann angezeigt, wenn kaum noch Entscheidungen getroffen werden können und mehrere Bereiche unseres Lebens dadurch beeinträchtigt werden.
Menschen, die davon betroffen sind, hilft häufig eine Verhaltenstherapie. Dabei gibt der Therapeut dem Patienten Strategien an die Hand, mit denen er schneller zu einer Entscheidung kommen kann. Außerdem arbeitet er gemeinsam mit dem Patienten an der jeweils zugrundeliegenden psychischen Störung.
In der Therapie bzw. Beratung wird versucht herauszufinden, warum die Entscheidungsfindung schwer fällt. Wie kann die Angst vor Entscheidungen überwunden werden? Wie gelingt es, die Entscheidung nicht als Bedrohung, sondern als persönliche Freiheit zu sehen? Wie schaffe man es, Entscheidungen nicht endlos aufzuschieben und alles beim Alten zu lassen?
In der Therapie werden die eigenen Bedürfnisse, aber auch die Stärken und Potenziale des Patienten herausgearbeitet. Der/die Betroffene lernt, seine Gefühle zu erkennen und wieder nach seinen Bedürfnissen zu entscheiden.
"Du kannst nie wissen, was die Resultate Deiner Taten sein werden. Aber wenn Du nichts tust, wird es nie ein Resultat geben."
Mahatma Gandhi
Autor: Ursula Kapellen
Thema: Entscheidungsschwierigkeiten
Webseite: https://www.mim-kapellen.de
Autorenprofil Ursula Kapellen:
MiM - Mensch im Mittelpunkt Praxis für Psychotherapie (HeilPrG)