Etwas akzeptieren, das klingt nach bedingungslosem Hinnehmen oder gar Resignation. Dabei ist Akzeptanz positiv zu sehen – als wesentliche Stufe für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit.
Wer in der Lage ist, andere Meinungen, Krisen, Krankheiten, das eigene Aussehen oder Unzulänglichkeiten bei sich und anderen zu akzeptieren, verfügt über eine Schlüsselkompetenz für mehr Zufriedenheit, Entwicklung und ein gesundes Selbstwertgefühl. Akzeptanz kann sich dabei auf uns selbst beziehen, auf andere Menschen und deren Verhalten und Einstellungen oder auf äußere Rahmenbedingungen in unserem Leben.
Das Gedankenkarussell dreht sich
Leider sieht es im täglichen Leben oft anders aus. Statt etwas zu akzeptieren, gehen wir meist in den Widerstand im Sinne von Ablehnung. Viele Menschen bewerten ständig sich selbst, andere Menschen oder die äußeren Umstände. Und diese Bewertungen fallen häufig eher negativ aus. Wir schauen nicht auf die Stärken und positiven Dinge, sondern legen unseren Fokus auf die Schwächen und Unzulänglichkeiten.
Wenn wir mit uns, unserer Situation oder den Rahmenbedingungen im Widerstand sind und Teile von uns oder unserem Umfeld ablehnen, dann befinden wir uns in einem ewigen Kampf: Die Leichtigkeit fehlt, die Gedanken drehen sich immer im Kreis und so manches Mal fehlen den Betroffenen konstruktive Lösungen und Methoden, um dieses Hamsterrad zu durchbrechen.
Die Folge ist, dass wir komplett hinter unseren Möglichkeiten zurückbleiben. Wir fühlen uns unzulänglich, nicht gut genug oder vergleichen uns mit anderen in einer Form, die schon fast selbstzerstörerisch ist. Die anderen können alles viel besser, haben bessere Chancen oder ein besseres Umfeld – es kommt ein starkes Gefühl der Ungerechtigkeit auf. Folgen von Widerstand und Ablehnung können sein: akute Unlust, Aufschieberitis, Angst, Selbstvorwürfe und Reizbarkeit bis hin zu psychosomatischen Beschwerden.
Widerstand blockiert uns
Wir kommen wir raus aus diesem Verhalten, hin zur Akzeptanz? Zunächst einmal sollte der Widerstand wohlwollend zur Kenntnis genommen werden. Er hat auch seine guten Seiten. Vielleicht schützt er uns vor irgendetwas.
Ein Beispiel: Mal angenommen, jemand ist stark übergewichtig. Er weiß vom Kopf her, dass er mehr Sport treiben sollte. Er hat auch die Zeit dafür. Und dennoch: Er schafft es nicht und bleibt lieber auf dem Sofa sitzen. Je mehr ihm sein Verstand sagt, er müsse Sport treiben, desto mehr wird es zum Zwang. Die Folge ist: noch mehr Unlust.
Widerstand hat manchmal eine Schutzfunktion. Aber wovor möchte er ihn schützen? Vielleicht vor Überforderung? Und was hat das Ganze mit dem Thema Akzeptanz zu tun? Sie findet hier auf mehreren Ebenen statt: zum einen die (vorläufige) Akzeptanz des Übergewichts. Das Übergewicht ist eine Tatsache und lässt sich weder leugnen, noch schönreden. Als nächstes erfolgt die Akzeptanz des Unglücklichseins über das Gewicht. Akzeptanz ist hier im Sinne von „annehmen“ gemeint. Wenn ich mir meiner Gefühle bewusst bin, dann habe ich eine andere Motivation, etwas zu verändern. Ich akzeptiere mein Gewicht und meine Gefühle. Dadurch entsteht ein Veränderungswunsch von innen heraus und nicht nur kopfgesteuert. So können andere Lösungen gefunden werden, wenn sich beim Gedanken an Sport weiterhin Widerstand regt. Ich kann Veränderungen aus einer anderen inneren Einstellung heraus angehen. Vielleicht war es bisher nur nicht die richtige Sportart? Oder könnte ich etwas an meiner Ernährung verändern? Mache ich vielleicht mal einen Fastenurlaub?
Widerstand blockiert die Gedanken. Akzeptanz erweitert die Lösungsfindung.
Es geht nicht um Schuld, sondern um Lösungen
Ein weiteres Beispiel: Nehmen wir eine Person, die in ihrer Beziehung total unglücklich ist. Da es jedoch zwei Kinder gibt, ist eine Trennung für diese Person undenkbar. Sie ist gefangen zwischen „ich kann mich der Kinder wegen nicht trennen“ und „ich bin so unglücklich“. Vielleicht sucht sie die Schuld bei sich selbst – oder aber im Außen, zum Beispiel beim Ehepartner. Schuldsuche ist immer ein Zeichen von Widerstand. Vielleicht redet sie sich die Welt und ihre Beziehung auch schön und unterdrückt damit den unglücklichen Teil.
Für diese Person ist es zunächst einmal wichtig, zu akzeptieren, dass sie unglücklich ist. Aus der Akzeptanz heraus können dann klarere Gedanken entstehen und aufkommende Fragen ehrlich beantwortet werden: Was genau macht mich unglücklich? Wann genau kommt dieses Gefühl auf? Bin ich wirklich immer unglücklich? Welche glücklichen Momente gibt es auch in meiner Beziehung. Können diese glücklichen Momente vervielfältigt werden und was müsste dafür geschehen?
Mit der Annahme und Akzeptanz der Gefühle finden sich dann meist auch passende Lösungen. Kann ich mich der Kinder wegen tatsächlich nicht trennen oder gibt es doch eine Möglichkeit? Wenn ja, wie könnten sie aussehen und wer kann dabei helfen?
Mit Akzeptanz zu innerem Frieden
Ähnlich ist es bei Krisen und Krankheiten. Warum schaffen es manche Menschen, sich ganz schnell von Krisen zu erholen? Warum werden manche – angeblich unheilbar kranke – Menschen doch wieder gesund oder leben noch viele Jahre mit der Erkrankung weiter, während andere an vergleichsweise harmlosen Erkrankungen zerbrechen?
Auch hier liegt die Lösung in der Akzeptanz. Mit ihr gehen wir in den inneren Frieden. So können Selbstheilungskräfte ganz anders aktiviert werden, als wenn wir im Widerstand sind und dagegen ankämpfen.
Es klingt paradox. Ich muss erst einmal etwas akzeptieren und annehmen, bevor es gehen darf. Hier liegt die größte Herausforderung bei Betroffenen.
Doch ohne Akzeptanz bin ich im Kampf. Das verursacht negative Gefühle. Und diese verstärken den Widerstand und damit den Kampf. Es ist, als wenn man auf einer nach unten fahrenden Rolltreppe nach oben läuft: Es strengt an, es raubt die Kraft und irgendwann ist die Gefahr der Resignation da. Akzeptieren wir erst einmal die Richtung der Rolltreppe, können wir zur Ruhe kommen und unseren inneren Frieden finden. Irgendwann endet die Rolltreppe und wir kommen unten an. Dann können wir uns in Ruhe Gedanken machen, wie wir auf anderen Wegen nach oben kommen, wenn wir das noch möchten. Aus dieser neuen Perspektive heraus können wir Lösungen finden, also beispielsweise die Treppe oder den Fahrstuhl nebenan nutzen. Würden wir dagegen weiterhin die Rolltreppe in die falsche Richtung nach oben laufen, würden wir irgendwann kraftlos zusammenbrechen. Vielleicht könnten wir es auch unter Aufbringung aller Kräfte irgendwann ans Ziel schaffen, aber es wäre unglaublich anstrengend.
Akzeptanz bringt Klarheit und Leichtigkeit ins Leben
Das alles habe ich am eigenen Leib erfahren. Ich habe das sogenannte Tourette-Syndrom. Medizinisch gesehen ist es eine Erkrankung. Ich nenne es gerne Gen-Besonderheit. In den unpassendsten Momenten zuckt mein Körper, muss ich komische Verrenkungen machen oder ziehe Grimassen. Das kann im Kontakt mit anderen Menschen, vor allem im beruflichen Kontext, schon mal für Verwirrung sorgen. Früher habe ich krampfhaft versucht, meinen Körper zu beherrschen und die sogenannten Tics zu verbergen. Ich selbst habe mich oft auf das Tourette-Syndrom reduziert. Ich war in der Ablehnung, lehnte dadurch aber einen Teil meiner Selbst ab. Und wenn ich mich selbst nicht annehme, wie kann ich es dann von anderen erwarten? Ein Teufelskreislauf, wie eben besagte Rolltreppe. Ich habe gekämpft und mich über Äußerlichkeiten definiert. Irgendwann, dachte ich, finde ich den Schlüssel dafür, dass „es“ gehen darf. Doch genau mit dieser Einstellung war ich im Widerstand.
Inzwischen habe ich das Tourette-Syndrom akzeptiert. Es ist immer noch da, aber es beeinträchtigt mich nicht mehr. Ich spüre es ständig, andauernd. Die Tics begleiten mich den ganzen Tag lang. Aber sie haben die Wichtigkeit für mich verloren. Sie sind halt da. Spannenderweise bekomme ich heute oft gesagt: Man merkt dir ja kaum etwas an. Ich bin im Frieden mit dem Tourette-Syndrom und vor allem mit mir.
Fazit: Wir dürfen so sein, wie wir sind
Meine Geschichte ist nur ein Beispiel. Es gibt viele Menschen mit negativen Diagnosen, Einschränkungen oder ungünstigen Lebensverhältnissen. Die meisten Menschen haben den Wunsch, sich weiter zu entwickeln. Und alle wollen glücklich sein und eine große Zufriedenheit spüren. Um das zu realisieren, sollten wir zuerst an der Selbstakzeptanz arbeiten, der Annahme der eigenen Person mit allen vorhandenen Eigenschaften, Stärken und Schwächen. Sie ist die Grundlage für Selbstliebe und Selbstvertrauen. Denn wenn ich mich so akzeptiere, wie ich bin, dann kann ich mir selbst und meinen Fähigkeiten auch vertrauen. Auf dieser Grundlage kann Entwicklung in ungeahnten Dimensionen stattfinden, wenn wir es wollen.
Das Gleiche gilt für „das Außen“: Wenn ich andere Menschen so akzeptiere, wie sie sind, dann kann daraus ein Vertrauensverhältnis erwachsen. Zum anderen entsteht eine Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung. Und die ist immer besser als eine Bewertung, denn die kann sehr negativ ausfallen – sowohl gegenüber der eigenen Person, als auch gegenüber anderen Personen aus der eigenen Haltung heraus. Wenn ich mich und andere Menschen so akzeptiere, wie sie sind, kann ich anfangen, das Wertvolle an mir oder anderen zu sehen. Ich erkenne meinen eigenen Wert und den Wert der anderen. Manchmal müssen wir Dinge oder Menschen aber auch loslassen, damit etwas Neues, Besseres, Schöneres in unser Leben treten kann.
Akzeptanz ist also kein passives Hinnehmen – es führt vielmehr zu einem gesunden Selbstwertgefühl: Wir dürfen genauso sein, wie wir sind!
Autor: Daniela Landgraf
Thema: Gesundes Selbstwertgefühl durch Akzeptanz
Webseite: https://danielalandgraf.com