Einen Umgang mit den eigenen Emotionen und denen anderer zu finden, stellt große Herausforderungen für jeden Einzelnen dar. Manchmal sind Strukturen und Muster, die bei der emotionalen Ausprägung wirksam sind, so komplex, dass es hilfreich ist, diese mit Unterstützung von Familie und Freunden, Beratung oder Therapie aufzuschlüsseln.
Dabei spielt der Blick in Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges eine Rolle. Der gesamte Mensch in seiner biologischen und psychischen Verfassung, in seinem sozialen Umfeld wie seiner Lebensumwelt muss in Hinblick auf seine Emotionen dabei Beachtung finden.
Entscheidend ist, einen umfassenden Blick und ein gutes Gespür für sich selbst und andere zu entwickeln. „Wie bin ich der geworden, der ich heute bin? Wie ist mein Gegenüber der geworden, der er heute ist?“ -sind dabei bedeutsame Fragestellungen. Ein Blick in die Vergangenheit (wie schon erwähnt) und, wenn möglich, auch in Vorgängergenerationen ist dabei wesentlich. Vielleicht ist es möglich, die eigenen Eltern, Großeltern und Verwandten diesbezüglich zu befragen und Klarheit darüber zu gewinnen, durch wen und durch welche Lebensumwelt ich geprägt bin? Was waren die Sätze, die ich von bedeutsamen Personen gehört und verinnerlicht habe? Wie fühle ich mich dabei und was macht das mit mir?
Die Wirkung von verinnerlichten Sätzen bedeutsamer Personen ist immens und ein Umgang mit denselben sehr bedeutsam für die resultierenden Emotionen. Wird jemand herabgesetzt und kleingemacht bzw. setzt er/sie sich jetzt selber herab und macht sich klein, ist es eine Chance, diesen Stimmen ein bewusstes „Stopp“ oder „Nein“ entgegenzusetzen, genauso, wie dies bei einem Kind geschieht, wenn es die Hand auf die Herdplatte legen will. Im nächsten Schritt ist es förderlich zu überlegen, wer sich im Leben unterstützend und fördernd verhalten hat, und welche Sätze von diesen Personen gehört wurden, oder welche man sich von diesen vorstellen kann, die im Wesen stützen und stärken können. Wenn niemand wachgerufen werden kann, ist es auch möglich zu überlegen, welche Aussagen einfach nur guttun. Die alten hinderlichen Sätze können dann bewusst durch tragende und selbstwertstärkende Sätze ausgetauscht werden, und so können Emotionslagen deutlich beeinflusst werden. Wenn wenig Unterstützendes im Leben erfahren wurde, ist eine Möglichkeit, sich jeden Morgen zu sagen: „Ich mag mich – ich bin völlig ok und ich vertraue mir.“ Man nennt diese Sätze auch Affirmationen, die im Internet reichhaltig zu finden sind.
Darüber hinaus ist es auch bedeutsam, wie eine Person die eigenen Emotionen bewertet, und wie diese von der Umgebung bewertet werden. In diesem Bereich existieren viele Möglichkeiten der Veränderung. Werden Emotionen zunächst angenommen (auch abgelehnte und unangenehme Empfindungen wie Scham, Hass, Rache, etc.), ist es möglich, sich den Herausforderungen zu stellen und leichter einen Umgang mit denselben zu finden. Denn alle Emotionen sind im Menschen veranlagt. Und eine hilfreiche Vorstellung kann auch sein: „Wie würde ich meinen besten Freund oder meine beste Freundin beraten?“ Bewertungen der Außenwelt auf Emotionen können geprüft und hinterfragt werden, auch indem bei weiteren Personen nachgefragt wird, ob sie diese Bewertungen teilen. Gelegentlich macht es natürlich auch Sinn, diese als „nicht relevant“ einzustufen.
Manchmal sind wir regelrecht von Emotionen bestimmt und ferngesteuert. Für unsere Umwelt erscheinen Reaktionen unangemessen und überzogen. Dabei wirkt oft Altes, Ungeklärtes mit, welches u.U. zu einer Amygdalaüberempfindlichkeit geführt hat. Wenn viele Situationen gefährlich waren, bleibt diese Alarmbereitschaft/Überreaktion im emotionalen Gedächtnis gespeichert. Bei zu viel Stress ist keine Neubahnung möglich. Der Nucleus accumbens/BDNF (das Belohnungssystem) muss stabilisiert werden, damit eine Neubewertung dieser Situation im Frontalkortex (kenne ich diese Situation, und wie reagiere ich angemessen) erfolgen kann.
Das Belohnungssystem kann u.a. durch eine glückliche Beziehung, gelingende soziale Kontakte, oder auch die therapeutische Beziehung dargestellt sein. Problematisch kann es diesbezüglich im Bereich ungesunder Verhaltensweisen bei einem „zu viel“ an Genussmitteln, wie zum Beispiel Alkohol als Belohnung, werden. Die Schädigungen für den Körper sind immens und erschweren Neubahnungen sehr, da der Zyklus von Anspannung und Entspannung oft entschieden gestört ist und Stress so nicht abgebaut werden kann. Die (trügerisch) empfundene Entspannung durch den Alkohol führt dann oftmals zu permanenten Schlafstörungen und verhindert Verarbeitungsprozesse während des Schlafes. Dies wirkt sich gravierend auf Ungleichgewichte in den Emotionslagen aus (u.U. häufige Wechsel zwischen starker Anspannung, Wut und Entspannung). Dies führt dann ggf. zu Störungen in den Beziehungen. Dabei ist es, wenn der Wille dazu genügend ausgeprägt ist, äußerst hilfreich aufzuschlüsseln, woher die Störungen resultieren, um diese sich selbst verstärkenden Kreisläufe negativer Emotionen beenden und Lösungen entwickeln zu können.
Wenn es zu Ansammlungen von Wut, Trauer oder auch Angst kommt, ist es neben aktuellen Auslösern wichtig, die Gesamtsituation zu durchleuchten. „Gab es Ähnlichkeiten in der Vergangenheit? Wie ist es mir ergangen? Wie kann ich demjenigen oder derjenigen, der/die ich damals war, heute beistehen?“ Das heißt, wenn als Kind Unrechtsituationen erlebt wurden, besteht die Möglichkeit dieses (innere) Kind heute zu trösten und es in die Arme zu schließen (denn der Mensch ist in allen Alterststufen, in allem was er erlebt und gefühlt hat, in sich gespeichert).
Oft überdecken dabei auch starke Gefühle wie „Wut“ andere Emotionen wie „Trauer“, die nicht gespürt wird. Hilfreich ist ein Prozess des Wahrnehmens/Erfassens, Verstehens und Erklärens. Dabei spielt natürlich auch die gesamte Verfassung eine Rolle. Wie ist die körperliche Konstitution? Wird ein gesundheitsbewusster Lebensstil geführt, so dass Belastungen überhaupt standgehalten werden kann? Sind Belastungen und Anforderungen dauerhaft zu hoch, so dass Emotionen darauf aufmerksam machen? Was will die Emotion ausdrücken? - sind dabei wichtige Fragestellungen.
In der Therapiesituation kann mit dem Klienten/der Klientin ein Rollentausch mit der Emotion gestaltet werden und hierdurch wesentliche Erkenntnisse insbesondere auf der Gefühlsebene gewonnen werden. Ziel ist es, eine selbstwirksame, selbstbestimmte und Sinn ergebende Steuerung über seine eigenen Emotionen zu finden. Das Psychodrama arbeitet dann gerne mit einem Modell, welches die innere Steuerung stabilisiert und den Umgang mit verschiedenen Rollen, Wesenszügen und Emotionen trainiert. Bezogen auf die Emotionen kann sich jeder dabei vorstellen, die Zügel zu dem gesamten Spektrum derselben in den Händen zu halten und diese zu steuern. Wenn eine Emotion dabei im Vordergrund steht, ist es möglich sich zu fragen, was dieses Gefühl ausdrücken will. Vielleicht steckt ein wesentlicher Hinweis in dieser Emotion? Wenn Angst vorherrscht, ist das Verhalten u.U. momentan gerade äußerst risikoreich oder weit entfernt von einem gesundheitsbewussten Lebensstil.
Ein besonders achtsamer Umgang mit Emotionen ist manchmal notwendig ebenso wie eine gesunde Basis der Persönlichkeit als Ausgangslage wesentlich ist. Selbstliebe, Vertrauen, Zuversicht, Wertschätzung, Verständnis und andere bedeutsame Emotionen können bewusst nah an der Steuerungsinstanz (dem „Ich-Selbst“) zur Stabilisierung im Gespür verankert werden, indem Sätze aus diesen Rollen heraus an das „Ich Selbst“ gerichtet werden (siehe Affirmationen), um anderen schwierigen Emotionslagen zu begegnen oder sich ggf. auch von diesen zu befreien, wenn sie z.B. übernommen wurden.
Das heißt, wenn sich Muster der Ursprungsfamilie innerhalb einer Person wiederholen. Vielleicht wird auch in Form von Übertragungen reagiert, wenn im Partner der eigene Vater wahrgenommen wird. Übertragungen sind Fortführungen unverarbeiteter Vergangenheitserlebnisse. Diese müssen erkannt und aufgearbeitet werden. Natürlich ist es wichtig, dass ein Mensch ein Gefühl dafür entwickelt, welche Auswirkungen er/sie auf seine Umwelt hat, und wie diese auf ihn reagiert. Emotionale Reaktionen des Gegenübers können so genauer eingeschätzt werden. Vielleicht wiederholt ein Mensch in seinem Habitus regelmäßig einen „strengen Blick“ oder eine Geste des Vaters, ohne es zu wissen, und erinnert sein Gegenüber wiederum an ähnliche Strukturen der Vergangenheit. Gut zu wissen ist, dass neue Verhaltensweisen erlernt werden können.
Eine Möglichkeit ist auch, neue Verhaltensweisen (einfach) auszuprobieren. Wenn jemand selten lächelt, kann er/sie versuchen, dies öfter zu tun, und den positiven Effekt der Hormonausschüttungen genießen. Oder es bieten sich Lachübungen an (mir bekannt aus dem Lachyoga - Hasya-Yoga oder auch Yogalachen ist eine Form des Yoga, bei der das grundlose Lachen (Sanskrithasya) im Vordergrund steht). Besonders leicht umsetzbar sind diese beim morgendlichen Duschen oder anderen alltäglichen Abläufen, wobei sie keine zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen. Während des Lachens wird die Atmung intensiviert, das Gehirn umfänglich mit Sauerstoff versorgt, die Organe werden massiert, Glückshormone werden ausgeschüttet, Stresshormone reduziert und die Immunabwehr aktiviert. Wenn ein Mensch oft wütend wird, kann er/sie durch Lachübungen gegensteuern und sich über eine gelingende Emotionssteuerung freuen, oder er/sie nutzt diese kraftvolle Energie, um sich von ganzem Herzen für eine Sache zu begeistern, vielleicht auch, indem der Garten umgegraben wird.
Manchmal ist es hilfreich, die Vergangenheit in neue Sinnzusammenhänge zu stellen, um positivere Emotionen im Blick auf das eigene Leben hervorzurufen. Das heißt, wenn eine Mutter ihr Kind z.B. nicht annehmen und lieben konnte, gab es vielleicht die liebende Oma, wo derjenige sich gestärkt und sicher fühlen konnte. Oder jemand war oft krank und hat aus dieser Erfahrung eine für ihn/sie positiv erscheinende hohe Widerstandsfähigkeit entwickelt.
Spannend sind auch Empfindungen wie Liebe, die u.U. nur als Wiederholung eigener Erfahrungen gespürt werden. Vielleicht bedeutet Liebe dabei Anpassung, Unterordnung oder permanenter Streit und es besteht die Möglichkeit des Überdenkens, ob dies wirklich Liebe für die Person ist und die Emotionen vielleicht trügerisch erscheinen. Eine Anregung in diesem Zusammenhang ist, sich das Lied von Nena „Liebe ist“ anzuhören. Überhaupt haben Musik wie auch Geschichten, Gleichnisse, Bilder u.ä. oft Möglichkeiten, Einflüsse auf Emotionslagen zu nehmen, die ebenso im Positiven genutzt werden können. Körperübungen, Entspannungstechniken und Atemübungen (Anregung: die Atmung in die Herzgegend, welches eine Übung aus der „Herzintelligenz“ ist, einer Entspannungsmethode des amerikanischen Stressforschers Doc Childre, die sich seit langem mit den Zusammenhängen des Herzens und den emotionalen Zuständen des Menschen beschäftigt) wie auch der Weg in die Natur können das „Umlernen“ gespeicherter Emotionen auf allen Ebenen ermöglichen.
Der Mensch ist von seiner Natur her ein soziales Wesen. Im Umgang mit den eigenen Emotionen ist es unter dieser Betrachtung Grundvoraussetzung, „sich selbst ein guter Freund zu sein“ und sich Gedanken darüber zu machen, was dies überhaupt bedeutet. Auf diesem Wertesystem und mit einem starken Willen kann ein liebevoller Umgang mit den eigenen Emotionen (neu)gestaltet werden. Und wenn diese liebevolle Betrachtung auch dem gesamten Umfeld entgegengebracht wird, ist dies für ein gelingendes Miteinander und daraus resultierende Emotionen sicherlich sehr förderlich. Denn Menschen sind, wenn sie das Glück haben, weitestgehend gesund zu sein, aufgrund der Neuroplastizität des Gehirns das gesamte Leben lang in hohem Maße entwicklungs- und veränderungsfähig.
Mit dem Wissen um zuvor erwähnte Zusammenhänge, widme ich mich isoliert dem Denken und inhärenten Mustern. „Wie begünstigen Denken und Denkmuster Empfindungen?“
Gedanken können eine große Macht ausüben. Gehörte, gelesene oder gedachte Sätze wirken sich direkt auf den gesamten Organismus aus.
„Und nun machen Sie sich in aller Ruhe klar, dass jedes Wort solch einen körperlichen Aspekt hat. Das bedeutet, dass Sie mit jedem Wort, das Sie benutzen, in sich selbst Körperreaktionen wachrufen. Darum empfiehlt es sich, die eigene Sprache zu untersuchen, wenn man Mañana-Kompetenz in sein Leben bringen möchte.“
(Frank/Storch, Die Mañana Kompetenz, S. 165/166)
Für viele erscheint es schwierig zu erfassen, was in ihnen vorgeht. Dafür bedarf es Zeit, Ruhe und Bereitschaft, die wichtig sind, um durch zuvor schon erwähnte reflexive Prozesse (wahrnehmen/erfassen, verstehen und erklären) ein Bewusstsein über die eigenen Gedanken zu erlangen. Wirkweisen können erfasst und es kann erlernt werden, Abstand zu gewohnten Reaktionsweisen auf empfundene Emotionen zu gewinnen (manchmal helfen auch einige tiefe Atemzüge). Gedanken und Reaktionsweisen können dann hinterfragt werden. In Umlernprozessen können dann alte Denkweisen und -strukturen, wenn dies sinnvoll erscheint, durch neue ersetzt, ergänzt oder auch einfach ausgelöscht werden, was wiederum andere körperliche Reaktionen, Handlungsweisen und Emotionen hervorruft. Wenn im eigenen Repertoire keine neuen Modelle für Umlernprozesse vorhanden sind, ist es hilfreich, diese mit Unterstützung anderer Menschen zu entwickeln. Das kann auch das Beobachten von Verhaltensweisen des Freundesumfeldes oder einer anderen Familie sein. Beratung und Therapie fällt diese Aufgabe natürlich oft zu.
Letztendlich geht den Menschen eine Menge an Empfindungen über Sinnesorgane verloren, wenn vorwiegend über soziale Netzwerke oder Handys kommuniziert wird. Die Frage ist, welchen Einfluss dies auf die Emotionen hat? Menschen sind dann in der Wahrnehmung und somit auch der Deutung des Gesagten reduziert. Es ist ein Unterschied, Personen im direkten Kontakt zu erleben, das Gegenüber zu spüren, den Geruch wahrzunehmen, ihn anzusehen, seine Reaktionen mitzubekommen – dann besteht leichter die Möglichkeit, bei einem als irritierend gewerteten Blick oder einer als ungewöhnlich wahrgenommenen Haltung nachzufragen, ob Einschätzungen stimmen. Es existieren dann bedeutend mehr Möglichkeiten des Erspürens und Erlebens und darüber hinaus erweiterte Korrekturmöglichkeiten, ob das, was gedacht und gespürt wurde, täuscht oder nicht. Genau wie das Gegenüber diese Möglichkeiten des eigenen Gestaltens umfänglicher spüren kann und sich so kreative gemeinsame neue Prozesse (vielleicht auf einem anderen Fundament) entwickeln können. Nach dem direkten Kontakt besteht die Möglichkeit, sich bezogen auf die Sinneswahrnehmung umfänglicher Erinnerungen und der Vorstellungskraft zu bedienen. So sind die Gedanken angereichert mit einer Bandbreite an Wahrnehmungen, und möglicherweise entspringt daraus ein anderes Emotionsspektrum.
Oft habe ich gehört, dass jemand beklagt, keine Möglichkeit gehabt zu haben, Urvertrauen zu entwickeln. Dabei halte ich es (geprägt durch die Grundhaltungen der Integrativen Therapie) für naturgegeben, dass dieses Gefühl bereits im Mutterleib (durch diese einzigartige Verbindung im Leib der Mutter) veranlagt wurde. Nach dieser Anschauung gehört Urvertrauen zu unserer elementaren Grundausstattung, mit der Menschen auf die Welt kommen.
Ich finde dies sehr beruhigend.
Albert Schweitzers propagierte „Ehrfurcht vor dem Leben“ scheint im Umgang mit unserer Empfindungsvielfalt hilfreich zu sein, „...um im Meer der Weltkomplexität mit hinlänglicher Sicherheit zu navigieren...“ (Petzold) denn:
„Glücklich ist, wer mit seiner Natur im Einklang ist.“
(Seneca)
Autor: Henrietta Meindorf
Thema: Umgang mit Emotionen
Webseite: http://meindorf-beratung.de