[Kolumne] Ich spreche da sicher allen Eltern und allen Lehrern aus der Seele: Am liebsten würden Schüler nur vor Klassenarbeiten lernen.
Fragt man sie auch nur zwei Tage nach der Klausur nach dem Thema, über das sie geschrieben haben, erntet man häufig nur ungläubige Blicke. Gerade bei schlechten Schülern versucht man meist direkt vor der Arbeit möglichst viel zu vermitteln und Tricks zu entwickeln, wie sie zumindest ein bisschen was aufs Papier bringen. Aber langfristigen Erfolg hat man damit nicht. Bei den wenigsten ist dann eine bessere Arbeit als die letzte Ansporn, mehr zu lernen und ein Indiz dafür, was sie leisten könnten, wenn sie nur wollten.
Dadurch erlernen sie nur, dass sie auch im Notfallprogramm halbwegs gute Noten schreiben können. Warum also früher anfangen? Deshalb wende ich die Brechstangen-Methode allerhöchstens bei neuen Schülern und aktuellen Klausuren an, lehne die Zusammenarbeit aber bei weiteren Klausuren ab, wenn es nur darum geht, kurz vor der Klassenarbeit gedoped zu werden.
Erwartet man dann gleich nach der Klassenarbeit, das wiederholt und weiter gelernt wird, werden wir meist für verrückt erklärt. Wozu denn? Die Arbeit wurde doch geschrieben. Doch Schule ist nun mal leider kein Teilzeitjob, je mehr Regelmäßigkeit und Ordnung herrscht, desto leichter werden auch die aufbauenden Themen.
Schließlich muss man die in der achten Klasse gelernten Techniken beim Lösen von Gleichungssystemen beispielsweise auch in der zwölften Klasse noch beherrschen. Muss man dann also immer noch Lücken aus den Vorjahren stopfen, schafft man es meist kaum, den aktuellen Stoff zu verstehen und zu üben. Doch wie das den Kindern erklären? Gerade nach stressigen Arbeitsphasen sind die meisten froh, mal ein bisschen zu 'chillen'. Und dann die Erwachsenen, die sowieso von nichts eine Ahnung haben, wollen dabei auch noch stören.
Einen Siebtklässler von seinem in vielen Jahren anstehenden Abitur zu erzählen, motiviert tatsächlich nur die wenigsten. Manchmal wissen wir leider, was besser ist, weil wir die gleichen Fehler in unserer Schulzeit gemacht haben. Verstehen kann man das Leben schließlich nur rückwärts, leben muss man es allerdings vorwärts. Gemeinsame Absprachen und Pläne sind ein erster Schritt. Jeden Tag 5 Minuten Vokabeln vor dem Einschlafen, am Abend die Mappen und Hefte der Fächer des nächsten Tages zumindest durchblättern, nun, vielleicht setzen wir zunächst einmal voraus, dass Mappen und Hefte angelegt werden.
Damit zu locken, dass sich die Schüler in vielleicht zehn Jahren nach einem langen Weg der schulischen Ausbildung und der richtigen Berufswahl problemlos das neueste iPhone leisten können, hilft nicht. Erreichbare Ziele sind der Schlüssel. An einem Beispiel verstehen Kinder das meist am besten: Ich als Elternteil gehe jeden Tag arbeiten, kaufe ein, führe den Haushalt und koche. Würde ich das nicht tun, würde nach wenigen Tagen riesiges Chaos herrschen, ich hätte Probleme mit meinem Chef und wir alle Hunger. Es reicht nicht, nur dienstags zu putzen und donnerstags zu arbeiten. Für ein problemloses Leben ist all das täglich nötig. Dein Hauptjob ist es, zur Schule zu gehen und deine Sachen zu organisieren.
Ich kann mir dann den Urlaub leisten, den ich dringend brauche oder das rote Kleid aus dem Schaufenster gönnen. Und du bekommst dafür jede Woche deine Lieblingsschokolade, täglich eine Folge deiner aktuellen Serie oder den Sportverein bezahlt. So bekommt jeder direkt etwas dafür, wofür er arbeitet. Das die eigentliche Belohnung gute Noten und ein irgendwann guter Schulabschluss sind, das wird leider vielen erst später bewusst.
Die Treppe der Motivation fällt man leider sehr schnell runter, sie wieder raufzusteigen, dauert lange. Trudeln dann die ersten guten Vokabeltests oder Lobe zur mündlichen Beteiligung ein, sind die ersten Stufen genommen. Leider ein langer Weg, aber lohnenswert. Und immer weiter machen, egal wie viele Rückschläge es gibt.
Autor: Anke Wachtendorf - Schülercoach, Lern- und Erziehungsberatung, Verlagsautorin
Thema: Schule ist keine Saisonarbeit
Webseite: http://www.schuelercoaching-wachtendorf.de