Vor einiger Zeit bekam ich eine spannende Unterhaltung mit. Es ging darum, ob Persönlichkeit etwas im Job zu suchen hätte, oder nicht.
Beide Gesprächspartner waren sich schnell einig, dass Persönlichkeit in beruflichen Rollen nicht angemessen sei und dort nichts zu suchen hat.
Ich persönlich empfinde diese pauschale und generalisierte Aussage zugegeben hinterwäldlerisch. Wer heute immer noch glaubt man könnte seine Persönlichkeit zu Hause an der Garderobe aufhängen bevor man zur Arbeit fährt, der hat meiner Ansicht nach maßgeblich was nicht verstanden.
Wir sind IMMER persönlich. Wir können gar nicht anders.
Wie meine ich das?
Ich bin die Person, die ich grade bin. Ich bin das Resultat meines Geworden Seins. Ein bunter Mix, aus dem wie ich in meiner Ursprünglichkeit bin, dem was dann an Prägung und Konditionierung, an Anpassung oder Rebellion geschehen ist.
In meiner Innerlichkeit gibt es was wie eine Art Festplatte, auf der alles abgespeichert ist, was ich in diesem Leben gesehen, gehört, gerochen, gefühlt und geschmeckt habe. Und je nach dem welches Konzept wir nutzen wollen, gibt es auch vorgeburtliche Speicherprozesse, transgenerationale Informationen und mehr.
Manche Ordner auf dieser Festplatte kann ich bewusst ansteuern und weiß welche Dateien darin abgelegt sind. Wieder andere sind versteckte Ordner, deren Existenz ich mir nicht wirklich gewahr bin und auch keinen Zugriff darauf habe.
Als das gehört zu der Person, die ich jetzt grade bin. Und das kann ich nicht wie einen Mantel an der Garderobe abgeben.
Heißt: egal welche Rolle in meinem Leben ich ausfülle- beruflich und/oder privat. Ich bin immer persönlich.
Meiner Ansicht nach ist zu wenig Persönlichkeit in beruflichen Rollen das viel größere Problem.
Wie meine ich das?
Wir kommen aus einer Welt, in der das Funktionieren am Arbeitsplatz eine große Rolle spielt. Menschen wurden/werden oft auf Basis ihrer Betriebszugehörigkeit, oder ihrem Erfahrungsschatz in einer bestimmten Rolle auf eine andere Position befördert. Meist ohne darauf zu achten, ob dieser Mensch in seiner Individualität überhaupt die persönlichen Eigenschaften mitbringt, um auf diese Position zu passen.
Was nicht passt wird passend gemacht die Devise. Was dazu geführt hat/führt, dass sich Menschen mit einem Selbstanspruch des Funktionieren Müssens fast bis zur Unkenntlichkeit verformt haben, um den Anforderungen der beruflichen Rolle entsprechen und die vorgegebenen Erwartungen erfüllen zu können.
Man kann sich denken, dass ein Mensch, der sich zu lange verformt und sich zwingt Dinge zu tun die ihm eigentlich nicht entsprechen, oder der sich ein bestimmtes Verhalten aufzwingt, weil es die Rolle erfordert, zwangsläufig irgendwann krank wird. Sowohl körperlich als auch psychisch.
Kommt dann noch ein falsches Verständnis von Zustandsmanagement hinzu dann … ich glaub ich muss das hier nicht weiter ausführen.
Doch wie könnte es stattdessen aussehen?
Wie wäre es, wenn wir Menschen nach Ihrer Persönlichkeit und ihrer Fähigkeit auswählen und schauen, wo sie mit ihrem So Sein den maximalen Nutzen für die Organisation und deren Wertschöpfung erbringen können?
Tools, die uns ermöglichen genau das zu tun, gibt es schon am Markt. Man müsste sie nur mit genau diesem Fokus und an der richten Stelle, mit dem richtigen Fokus nutzen.
Wähle ich hier mal symbolisch den LINC Personality Profiler (LPP- Profil).
Basierend auf den BIG 5 werden hier unter anderem Charaktereigenschaften mit ihren individuellen Ausprägungen, typologische Verhaltenspräferenzen bezogen sowohl auf den Kommunikationsstil, den Arbeitsstil und die Führungsqualitäten, als auch Motive und deren Einfluss darauf welche Ziele individuell im Leben angestrebt werden ausgewertet. Kernkompetenten die dieser Persönlichkeit entsprechen runden das Profil noch ab.
Wenn wir von dieser Basis aus schauen würden, welche Rolle und welche Position an welcher Stelle in der Organisation den Mitarbeitenden den maximalen Spielraum bieten sich Selbst leben und einbringen zu können, ohne sich verbiegen zu müssen.
Man stelle sich mal vor, wieviel mehr produktive Energie zur Verfügung stünde, wenn möglichst wenig zur Anpassung an Strukturen und Kontexte, die einem nicht entsprechen nötig wäre.
Man stelle sich vor, wieviel lebendiger und lustvoller Arbeiten sein würde.
Man stelle sich vor das Arbeit dann sogar nährend statt kräftezehrend sein könnte.
Man stelle sich vor was Führungskräfte für Möglichkeiten hätten, ihre Mitarbeiter*innen individuell zu fördern und gemeinsam Höchstleistung zu erbringen.
Vieles unerwünschtes Verhalten resultiert meiner Ansicht nach daraus, dass Menschen gefrustet sind, weil sie Stellen besetzen, auf die sie eigentlich nicht passen, oder die ihnen keine Freude (mehr) machen. Aus Angst den Job zu verlieren, wird gekuscht, der Frust nimmt zu, die Arbeitsleistung ab, die Stimmung am Arbeitsplatz erst recht.
Ich glaube keiner von uns will wissen, wie viele Menschen innerlich schon lange gekündigt haben und ihre Jobs nur noch machen, um ihre Existenz zu sichern.
Man stelle sich vor, was wir für eine Organisationskultur schaffen könnten, wenn es normal sein würde dem/der Vorgesetzten mitzuteilen: „Chef*in ich brauche eine neue Herausforderung, diese Rolle entspricht mir nicht (mehr).
Man stelle sich vor, was das für eine Arbeitswelt wäre, in der auch berufliche Entwicklung und Wandel als kontinuierlicher, zyklischer Prozess gesehen werden würde.
Zufriedenere Mitarbeiter*innen, entspanntere Vorgesetzte, produktivere Prozesse, Entwicklungsenergie und Freude in der Organisation, die anstecken darf.
So manch eine*r würde sich wundern, wieviel weniger Dramen es dann in der Organisation geben würde, wieviel weniger Mobbing und/oder Bossing, wie die Krankheitsquoten zurück gehen würden und welche Wechselwirkungen das auf die Wertschöpfung der Organisation hätte.
Ich plädiere für mehr Raum für Persönlichkeit in Organisationen.
Und bitte versteht mich richtig. Persönlich zu sein bedeutet nicht privat zu sein. Da gibt es einen großen Unterschied. Um persönlich zu sein, muss ich mein Privatleben nicht auf dem Silbertablett präsentieren. Um persönlich zu sein, muss ich auch nicht jeden emotional nah an mich ranlassen und irgendwelche freundschaftlichen Bindungen knüpfen oder gar Kuschelkurse fahren.
Insbesondere- aber nicht nur- in beruflichen Kontexten ist es sehr weise Rollen- und Kontextbewusst zu reflektieren und zu entscheiden wem ich wann, was erzähle und wem gegenüber ich mich wie verhalte, oder nicht verhalte und was das für systemische Wechselwirkungen und Konsequenzen mit sich bringt.
Persönlich zu sein bedeutet auch nicht, dass ich unreflektiert meiner Emotionalität und meinen Gefühlszuständen freien, unreflektierten Ausdruck verleihe, oder andere Menschen dauernd mit meiner Innerlichkeit zuschütte und vielleicht sogar noch meine Selbstverantwortung abgebe und von den anderen erwarte, dass sie dafür sorgen, dass es mir (wieder) gut geht.
Guter Ausdruck von Persönlichkeit hat für mich viel mit Bewusstheit und Selbststeuerungskompetenz zu tun, die auch erfordert, dass ich in der Lage bin mich mit meiner Innerlichkeit selbst zu containern und mir dann entsprechend angemessene Räume und Kontexte zu schaffen, in denen ich mich entsprechend selbstverantwortlich kümmern kann.
Wenn ich verstanden habe, wie ich in meiner Einzigartigkeit ticke und was ich ganz individuell brauche, um auf allen Ebenen meines Seins gesund zu bleiben, dann kann ich mir entsprechend den Job suchen der wirklich mir entspricht. Dann kann ich mir meinen Arbeitsplatz so einrichten, dass er an meinen Typus angepasst ist und ich mich möglichst wenig anpassen und managen muss, um dort überhaupt produktiv sein zu können. Dann weiß ich, mit welchen Methoden, Techniken und Tools ich basierend auf meinem Typus meine Zustände gesund managen kann. Dann weiß ich wie ich mit emotionalen Triggern umgehen kann, ohne sie ungebremst meiner Außenwelt um die Ohren zu knallen. Dann kann ich selbstverantwortlich, selbstfürsorglich UND selbstwirksam handeln zu meinem Wohl UND zum Wohl der Organisation(en) in denen ich tätig bin.
Dann gäbe es nicht das eine normierte, angeblich richtige und stimmige Verhalten am Arbeitsplatz, es gäbe wahrscheinlich sehr viele unterschiedliche Farben und Facetten des Ausdrucks an Persönlichkeit und des daran gekoppelten Potenzials. Es gäbe sehr unterschiedliche Arten und Stile die gleiche Rolle zufrieden stellend auszufüllen und die daran geknüpften äußeren Erwartungen voll, oder sogar über zu erfüllen.
Merke: Die Rolle in Ihrer Außenansicht ist die Summe aller an sie geknüpften Erwartungen. Die Innensicht der Rolle ist die Summe der dazu passenden Werte, Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen. Mit welcher persönlichen Färbung Du genau das tust- das kann sehr unterschiedlich aussehen.
Wieviel Deiner Persönlichkeit ist in Deinen Rollen erlaubt? Und wie geht es Dir damit?
Im Sinne des langfristigen Leistungserhaltes und einem lebendig gelebten Leben, in dem auch nach getaner Arbeit noch Lebenslust vorhanden ist lohnt es sich das mal für sich zu reflektieren.
Wer einen kleinen Teaser bekommen möchte, wie so ein LPP Profil ausschaut, der darf gerne in meinem Blog vorbeischauen. Im Oktober 2021 habe ich dort einen Beitrag veröffentlicht, in dem ich einen kleinen Einblick in das Profil gebe und ein bisschen was dazu sage was das für eine bewusste Lebensgestaltung oder für die Mitarbeiterführung bedeuten kann.
Ich sage Danke fürs Lesen und wünsche Euch viel Freude, Lebendigkeit und Erfolg mit Eurer Persönlichkeit in all Euren Rollen und Kontexten.
Autor: Treya- Silke Koch
Thema: Das richtige Verhalten am Arbeitsplatz
Webseite: http://www.treya.online
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