Wenn Konflikte den Berufsalltag bestimmen

Konflikte am Arbeitsplatz - was man darüber wissen sollte, um die Ursachen zu verstehen

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Während meiner angestellten Berufstätigkeit hörte ich öfter Sätze wie „ich halte es hier nicht mehr aus“ oder „ich habe das Gefühl, ich bin umgeben von lauter Idioten“. Mit Kollegen verbringen wir oft mehr Zeit als mit der eigenen Familie. Umso schlimmer, wenn am Arbeitsplatz Konflikte entstehen, das Verhältnis angespannt oder zerrüttet ist.

Freunde kann man sich aussuchen und ihnen auch mal aus dem Weg gehen. Bei Kollegen geht das nicht; da bestimmen der Chef und die Personalabteilung, mit wem man 8 Stunden am Tag dasselbe Büro teilt. Und über die Zeit, wenn zwei oder mehrere Charaktere sich zunehmend auf die Nerven gehen, entstehen Konflikte, die den Arbeitsalltag über Wochen und Monate hinweg bestimmen, schlaflose Nächte bereiten und langfristig sogar krank machen.

Konflikte – worum geht es ?

Ein Konflikt besteht, wenn sich mindestens eine Person durch das Handeln einer anderen Person oder Institution in ihren Bedürfnissen verletzt fühlt oder die Verletzung ihrer Bedürfnisse befürchtet. Konflikte (und in stärkerer Ausprägung Krisen) sind Spannungen im Miteinander und entstehen, wenn Bedürfnisse nicht befriedigt werden können. In Konfliktsituationen taucht ein „Vernunftloch“ auf, d.h. wir handeln mehr instinktiv als rational. Es kommt das Gefühl auf, dass man diesen Konflikt „nicht verlieren“ darf, so als würde es um das eigene Überleben gehen. Eine Eskalation hin zu einer Krise entsteht, wenn nicht an einer Konfliktlösung gearbeitet wird. (vgl. die Erläuterungen zu Krisen).

Man unterscheidet Konflikte mit sich selbst und mit anderen:

  • Innere Konflikte (intrapersonal): widersprüchliche Gedanken, Erwartungen und Befürchtungen; Lösungsstrategie: Innere Klarheit schaffen und Entscheidungsfähigkeit wieder herstellen.
  • Konflikte zwischen Personen/Parteien (interpersonal): konkrete Personen wollen in Bezug auf einen realen Streitgegenstand ihre Forderungen und Positionen durchsetzen; Lösungsstrategie: Bedürfnisse hinter den Forderungen finden, anerkennen und erfüllen
  • Konflikte zwischen Gruppen (interkulturell): Annahme einer Bedürfnisverletzung durch Zuweisung von Eigenschaften aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit, auch ohne konkreten Streitgegenstand; Lösungsstrategie: Unterstützte Auseinandersetzung mit Urteilen und Weltbildern, Kennenlernen und bewusste Kommunikation zum Abbau von Vorurteilen

Anzeichen für Konflikte am Arbeitsplatz

„Vorbeugen ist besser als heilen“. Idealerweise werden Konflikte durch geeignete Vorsorgemaßnahmen vermieden, Symptome und Warnzeichen von Konfliktpotentialen im Arbeitsalltag werden frühzeitig erkannt und hierauf angemessen reagiert, sowie kreativ und kooperativ gelöst. Konflikte zeigen sich in

  • gestörter Kommunikation (Wort- und Tonwahl, Diskussionsform, Kommunikationsverweigerung, Kommunikation ohne Resonanz, Rückzug auf rein sachliche und formale Kommunikation)
  • problematische Arbeitshaltung (Dienst nach Vorschrift, innere Kündigung, Übereifer oder vorweggenommener Gehorsam, Klammerverhalten)
  • Fehlzeiten und Fluktuation (Häufige Krankmeldungen, Exzessive Wahrnehmung
    und Ausdehnung von Außenterminen, Überdehnung von Pausenzeiten).

Typische Handlungsstrategien im Umgang mit Konflikten sind:

  • Vermeiden
  • Durchsetzen
  • Nachgeben
  • Kompromiss
  • Konsens

Ein Konflikt kann eskalieren, wenn eine Person sich in der Befriedigung ihrer Bedürfnisse durch eine andere dauerhaft behindert fühlt und deshalb den Druck beim Kampf um seine Forderungen erhöht, was zum Gegendruck der anderen Seite führt und in dieser Weise wechselseitig fortgesetzt wird. Auf dem Höhepunkt der Eskalation opfern die Parteien ihre eigenen Interessen, wenn sie dem Gegner dadurch Schaden zufügen können. Die Eskalation einer Krise verläuft nach Glasl in 9 Stufen, die sukzessive eintreten, sofern man gegen die fortschreitende Eskalation nicht einschreitet. Diese Stufen lassen sich in 3 Segmente unterteilen, die aussagen, welchen Schaden die Krise bereits hinterlassen hat:

  • Verhärtung
  • Debatte
  • Taten („win-win“: beide Parteien können die Krise noch mit Gesichtswahrung beenden, sofern die Krise hier beendet wird)
  • Koalitionen
  • Gesichtsverlust
  • Drohstrategien („win-lose“: eine Partei wird durch die Krise geschädigt)
  • begrenzte (psychische/physische) Schläge, Zersplitterung, Gemeinsam in den Abgrund („lose-lose“: beiden Parteien werden durch die Krise geschädigt)

Auf dem Weg zur Konfliktlösung

Um einen Kompromiss oder besser noch einen Konsens zu erreichen, bieten sich die kooperative Konfliktlösung und die Harvard-Methode an. Ziel hierbei ist eine interessengerechte, tragfähige, nachhaltige und zukunftsorientierte Lösung eines Konflikts bzw. eines Verhandlungssituation. Voraussetzung ist bei beiden eine kooperative Grundhaltung sowie genügend Zeit und finanzielle Mittel.

Der strukturierte Konfliktmanagement-Prozess gestaltet sich wie folgt:

  • Selbstklärung: Welche Ziele und Interessen verfolge ich? Was ist mir wichtig? Was sind meine konkreten Bedürfnisse?
  • Perspektivenwechsel: Wie würde der/die andere den Konflikt beschreiben? Welche Ziele und Interessen werden verfolgt? Was sind mutmaßlichen Bedürfnisse?
  • Konfliktklärungsgespräch: Verzicht auf Schuldzuweisungen und Rechtfertigungen; zur Durchführung vgl. die Erläuterungen zu Kommunikation.

Die Harvard-Methode wird in Verhandlungssituationen verwendet, um zu tragfähigen Lösungen zu kommen. Dies lässt sich auch in Konfliktsituationen nutzen; nach der Harvard-Methode sollte dies wie folgt ablaufen:  

  • Alternativen abwägen: muss es zwingend eine Verhandlung sein? Haben die Parteien ein Interesse an einer Lösung?
  • Zwischen Menschen und Positionen unterscheiden: der Überbringer der schlechten Botschaft ist nicht die Botschaft
  • Ermitteln der Interessen und Bedürfnisse: Was liegt mutmaßlich hinter der eigentlichen Forderung?
  • Ableiten von Lösungen zum beiderseitigen Nutzen: möglichst win-win-Lösungen ableiten, die beiden Parteien eine Besserstellung ermöglichen
  • Festlegen fairer Überprüfungskriterien: ob die vereinbarte Lösung fair war, sollte nachträglich überprüft werden.

Sollten die kooperative Konfliktlösung und die Harvard Methode nicht zum Erfolg führen, so kann man eine Mediation beschreiten: hierbei handelt es sich um ein kooperatives Konfliktlösungsverfahren mit einem neutralem Dritten. Eine Mediation lässt sich grob in die folgenden Phasen unterteilen:

  • Eröffnung: Klärung des Streitgegenstandes, offene Fragen, Organisation klären
  • Darstellung der Postionen und Sichtweisen: Unterbrechungsfreie Darstellung der Konfliktsituation aus jeweils eigener Sicht
  • Klärung der Hintergründe und Interessen (Bedürfnisse): Herausarbeitung der Bedürfnisse, gegenseitiges Verstehen und Akzeptanz
  • Kreative Lösungsentwicklung

Für die Mediation ist charakteristisch, dass es sich dabei um ein freiwilliges und vertrauliches Verfahren handelt, der Mediator allparteilich und ohne Entscheidungskompetenz ist. Eine  Mediation ist sinnvoll, wenn ein Konflikt zu eskalieren droht und die Konfliktparteien an einer nachhaltigen Lösung interessiert sind. Eine Mediation ist nur dann sinnvoll, wenn der Mediator das Vertrauen aller Parteien besitzt und alle Parteien sich freiwillig bereit erklärt haben, an einer Mediation teilzunehmen.

Gute Kommunikation ist schwieriger als man glaubt

„Sich mit anderen unterhalten kann jeder“. Solche Ansichten sind weit verbreitet. Nur leider ist „sich unterhalten“ (auch auf der Arbeit) etwas anderes als „Kommunikation“. Was gute Kommunikation ausmacht, dazu nachfolgend mehr.

Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick formulierte 5 Axiome der Kommunikation:

  • „Man kann nicht nicht kommunizieren“: Wir kommunizieren immer (verbal, non-verbal, paraverbal) - selbst dann, wenn wir abseits stehen.
  • „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und Beziehungsaspekt“: Das bekannte Eisbergmodell von Sigmund Freud unterscheidet in eine Sachebene (die Argumente/Forderung, um die es offensichtlich geht) und eine Beziehungsebene (Emotionen, Ängste, Respekt, Zugehörigkeit,…), die ähnlich einen Eisberg sichtbar bzw. unsichtbar sind. Ebenso wie bei einem Eisberg ist der weitaus überwiegende Teil unterhalb der Wasseroberfläche: dem augenscheinlich sachlichen Aspekt steht eine Vielzahl an emotionalen Aspekten, die mit der Forderung verbunden sind bzw. diese begründen. Geäußert werden diese emotionalen Aspekte im Konflikt üblicherweise nicht. Konflikte werden aber genau auf diese Ebene gelöst; nicht auf der Sachebene.
  • „Die Interpunktion der Ereignisse definiert die Beziehung“: Kommunikation hat keinen Anfang und kein Ende, sondern verläuft kreisförmig.
  • „Kommunikation erfolgt analog und digital“: Das gesprochene/geschriebene Wort steht als digitales Signal augenscheinlich im Vordergrund; jedoch beeinflussen nonverbale Signale und die Körpersprache (analoge Signale) die Beziehung.
  • Kommunikation verläuft symmetrisch oder komplementär: Die Kommunikation verläuft unterschiedlich: Wenn die Gesprächspartner auf derselben Hierarchieebene (symmetrisch) oder verschiedenen Hierarchieebenen (komplementär) sind.

Kommunikation hat gemäß des bekannten 4 Ohren-Modells (Friedemann Schultz von Thun) mehrere Seiten. Konflikte können auch dadurch entstehen, dass die gemeinte Aussage nicht der verstandenen Aussage entspricht. Die klassische Situation beim Autofahren ist der Satz des männlichen Beifahrers zur weiblichen Autofahrerin: „Du, da vorne ist grün“. Hierin verbergen sich 4 Aussagen, von denen vom Sprecher nur eine gemeint ist.

  • Sachaussage: „Vor uns ist eine grüne Ampel und diese ist grün.“
  • Appellaussage: „Fahr los!“
  • Selbstaussage: „Ich habe es eilig; ich bin ungeduldig.“
  • Beziehungsaussage: „Du brauchst meine Hilfe; ich kann besser Auto fahren als Du.“

Das Wissen über diese 4 mögliche Aussagen und die damit verbundenen kommunikativen Missverständnisse ist ein wichtiger Ansatzpunkt, um Konflikte nicht entstehen zu lassen.

Viele behandeln Kollegen - ohne groß darüber nachzudenken - wie Freunde. Nur wenige machen sich bewusst, worin die Besonderheit von Beziehungen zu Kollegen besteht: Man verbringt auch dann gezwungenermaßen sehr viel Zeit miteinander, wenn man - vielleicht nach einer ersten Begeisterung - Dinge am anderen entdeckt, die einen zutiefst stören. Gleichzeitig befinden Kollegen sich, auch wenn sie es nicht immer wahrhaben wollen, in einer Art Wettbewerb: Wer hat die beste Leistung erbracht, wer bekommt die Beförderung, wer genießt das größte Vertrauen des Chefs?

Das Johari Fenster liefert wichtige Ansatzpunkte, um zu verstehen, wie Menschen mit anderen interagieren und hierdurch ggf. Konflikte erzeugen. Demnach gibt es in Bezug auf die Selbst- und Fremdwahrnehmung 4 Bereiche, die sich wie folgt unterscheiden:

  • Mir bekannt, anderen bekannt: öffentliche Person (was man über sich selbst preis gibt)
  • Mir bekannt, anderen unbekannt: private Person (was man für sich behalten möchte)
  • Mir unbekannt, anderen bekannt: blinder Fleck (kann durch Feedback bewusst gemacht werden und ist ein wichtiger Ansatzpunkt, um Konflikten präventiv zu begegnen)
  • Mir unbekannt, anderen unbekannt: Unterbewusstsein (nicht steuerbar)

Man sollte sich also gut überlegen, welche Aspekte der eigenen Persönlichkeit man den Kollegen preisgeben möchte und die eigenen „blinde Flecken“ durch eine Bitte nach Feedback auflösen.

Zu guter Letzt

Allzu oft haben wir klare Meinungen über Menschen und Situationen. Diese Sichtweisen beruhen auf Annahmen, die häufig falsch sind. Sich in den anderen hineinversetzen und die Gründe für das Verhalten zu verstehen sind daher der Schlüssel. Um Konflikte zu lösen hilft ein einfaches Mittel: Fragen und Zuhören.

Autor: Martin Heuser, Business Coach und Consultant
Thema: Konflikte am Arbeitsplatz Ursachen und Lösungen
Webseite: https://www.martin-heuser.de

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