Mutige Entscheidungen bei der Berufswahl

Jeder Berufswahl geht ein Prozess zur Entscheidungsfindung voraus, in dem dieselben Prinzipien gelten, wie bei anderen Entscheidungen im Leben.

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Allerdings wird diese Entscheidung – sei es bei der ersten Wahl eines Ausbildungs- oder Studienplatzes oder im weiteren Verlauf des Lebens bei einer Umorientierung – als so grundlegend angesehen und ist so individuell, dass man dabei nicht nach Kriterien vorgehen kann, die für jede Person gleichermaßen gültig sind. Die Entscheidung für einen Beruf ist in der Regel auch eine für einen bestimmten Lebensentwurf – und somit gegen alternative Lebensentwürfe. Sie sollte daher auf einer fundierten Einschätzung der eigenen Persönlichkeit beruhen. Nur: wie kann ich zu solch einer Einschätzung gelangen? Für Berufseinsteiger ist das häufig besonders schwer, fällt doch die Notwendigkeit, sich Gedanken zur Berufswahl machen zu müssen, bei den meisten Jugendlichen in eine Phase weitestgehender Orientierungslosigkeit.

Daher die zwei wichtigsten Ratschläge gleich zu Beginn:

  • Nicht drängen lassen. Die richtige Entscheidung hinsichtlich der Berufswahl fällt den allermeisten von uns nicht einfach so, quasi über Nacht, zu. Diese Entscheidung braucht Zeit und setzt voraus, dass Sie aktiv werden. Die Entscheidungsfindung ist ein Prozess der Annäherung, der gestaltet werden muss und im Laufe dessen sich durchaus Veränderungen ergeben können. Nehmen Sie sich daher Zeit für diesen Prozess.

  • Nicht nervös machen lassen – auch Fehlentscheidungen bringen uns weiter. Sie können korrigiert werden, berufliche Umorientierung ist immer möglich. Die interessantesten Lebensläufe sind nicht die gradlinigen!

Um dann – mit ausreichend Zeit und Gelassenheit versehen – zu guten Entscheidungen zu gelangen, sollte man sich nicht allein auf den Kopf verlassen. Viele Menschen gehen davon aus, am Anfang aller wichtigen Entscheidungen stünden die Informationen über die Handlungsalternativen, die sie zur Verfügung haben. Aber so eine statistik-basierte Entscheidung funktioniert nur, wenn alle Faktoren bekannt sind und sich in Zahlen und Fakten fassen lassen - das dürfte in Entscheidungsprozessen zur Berufswahl kaum realistisch sein. Klar ist: am Anfang der Entscheidung stehen immer Sie selbst!

Somit beginnt die Entscheidung zur Berufswahl mit einer Selbsteinschätzung. Hierbei sollten Sie sich gönnen, auf Ihre Gefühle zu hören. Diese Gefühle sind keine Störfaktoren auf dem Weg zu einer Entscheidung, sondern Ausdruck einer Fülle von Informationen, Erinnerungen und Sinnesreizungen, die wir im Laufe unseres Lebens abgespeichert haben. Sie greifen somit auf eine Art „unbewusste Intelligenz“ zurück. Die Kunst besteht darin, die sich aus dem Bauchgefühl ergebenen Impulse für die Entscheidungsfindung sinnvoll zu nutzen, anstatt sie zu ignorieren. Die Intuition erfasst oft Dinge, die man bewusst gar nicht wahrnimmt oder im Blick hat. Sie hat Ihre Wurzeln im Langzeitgedächtnis, dort, wo wir unsere Erinnerungen speichern. Steve Jobs begreift die Intuition als wichtige Ressource – und wird darin von vielen Forschern bestätigt.

Ich selber wusste zu Beginn meines beruflichen Weges absolut nicht, in welche Richtung es gehen soll. Am Anfang stand eine völlige Orientierungslosigkeit. Aber auch ein gewisses Bauchgefühl – auf das man damals aber als „vernunftbegabter“ Abiturient nicht geachtet hat. Und der Berufsberater hat nicht einmal danach gefragt. Aber das Gefühl blieb, entwickelte sich weiter, machte sich immer wieder – manchmal auch körperlich – bemerkbar. Und zwar mindestens immer dann, wenn es Entscheidungen zu treffen galt: Welcher Studiengang? Studiengangwechsel? Und nach dem Studium? Arbeiten in Entwicklungsländern? Was ist mit der Familie, den Freunden, der Liebe in Deutschland? Freiberufler? Oder mehr Sicherheit? Jetzt, wo die Kinder da sind?

Meine Entscheidung, als Freiberufler eine Tätigkeit in der internationalen Zusammenarbeit anzustreben, fiel nicht am Ende eines klar definierten Findungsprozesses zum Schulabschluss, sondern vielmehr Schritt für Schritt. Ein klares Berufsbild gab es nicht. Es war eher der Wunsch, die Möglichkeiten zu haben, als Freiberufler zu arbeiten, sowie in der Entwicklungszusammenarbeit wirken zu können. Ob und wie ich diese beiden Aspekte jemals in meinem Arbeitsleben zusammenbringen könnte, war mir in keiner Weise klar. Ich kann auch nicht sagen, dass ich eine Vorstellung von einem konkreten Lebensentwurf gehabt hätte. Was mir hingegen klar war, ist, dass mir meine Familie und Freunde sehr wichtig sind, und ich irgendwann auch eine eigene Familie würde gründen wollen. Weder für den Job an sich, noch für die Organisation des Familienlebens hatte ich eine Vorlage oder ein Vorbild. Ich wusste vor allem, was ich nicht möchte - aber dennoch blieben noch so viele Wahlmöglichkeiten…

Später, als ich begann, Mitarbeiter in internationalen Projekten zu coachen, brachte mich das Reflektieren über die verschiedenen Berufswege, über die Entscheidungen, die auf dem Weg zu treffen waren, und deren Auswirkungen zu der Erkenntnis, dass es auch nach der ersten Berufswahl an vielen weiteren Stationen im Leben gilt, wichtige und weitreichende Entscheidungen zu treffen. Einiges spricht dafür, dass der Mut, der eigenen Intuition zu folgen, in diesen Entscheidungen belohnt wird. Für mich persönlich erkenne ich in der rückblickenden Reflexion, dass ich intuitiv vieles richtig gemacht, falsche Schritte vermieden oder diese schnell korrigiert habe.

Es gibt eine große Auswahl an speziellen Ratgebern zur Berufswahl. Diese können dann durchaus nützlich sein, wenn man sich selbst bereits klar darüber ist, auf welcher Grundlage die Wahl getroffen werden muss. Wenn die Karriereberater versprechen, den Job zu finden, „der Sie glücklich macht", müssen Sie erstmal wissen, was Sie glücklich macht. Daher sind rationale Methoden der Entscheidungsfindung – wie z.B. Entscheidungsmatrix, Listen oder Aufstellungen - in der beruflichen Findungsphase nur dann sinnvoll, wenn man sich bereits mit den eigenen berufliche Stärken, Schwächen und Wünschen zur eigenen Lebensplanung auseinander gesetzt hat. Denn hinter den rationalen Methoden stehen jeweils Bewertungen, die man für sich schon geklärt haben muss. Die intuitiven Methoden helfen dabei, in sich hineinzuhören und sich selbst zu fragen, was das Bauchgefühl sagt. Sie zielen darauf ab, unbewusstes Wissen und verborgene Gefühle aktiviert. Diese Methoden – z.B. Brainstorming, Mind-Mapping, Steh-Greif-Entscheidung zur Intuition - sollen helfen, unreflektierte Erwartungshaltungen und vordergründig strategische Überlegungen zu verlassen und eigenen Wunschvorstellungen Raum zu geben.

Wenn man davon ausgeht, dass das Glück im Beruf und dem sich daraus ergebenden Lebensentwurf zu finden ist, sollte der Beruf auf der Persönlichkeit beruhen bzw. diese widerspiegeln. Somit kann es kein allgemeingültiges Rezept für die richtige Berufswahl geben. Es erfordert Zeit und Erfahrung, um zu wissen, wohin man im Leben wirklich möchte. Als Einstieg kann eine Selbsteinschätzung - Wer bin ich? - dienen. Dazu müssen Sie sich folgende Fragen stellen: Für was stehen Sie in Ihrem Leben ein? Welche Werte vertreten Sie? Was sind sinnvolle Lebensziele für Sie?

Nochmal: Lassen Sie sich bei der Beantwortung Zeit. Es kann helfen, parallel damit zu beginnen, konkretere Fragen nach Ihren Fähigkeiten und Interessen zu beantworten. Ausgangspunkt kann eine Betrachtung der Erfahrungen der Schulzeit sein: Welches Fach fällt/ fiel Ihnen besonders leicht? Welche Schulfächer und Aufgaben haben Ihnen in der Schulzeit besonders viel Spaß gemacht – und welche überhaupt nicht? Gibt es Fächer, die erst in der Oberstufe an Reiz verloren haben oder zu schwer wurden? Fallen Ihnen Begründungen für Ihre Antworten ein?

Ein weiteres Set von Fragen sollte sich mit ihrem Leben außerhalb der Schule befassen:

Welche Tätigkeiten bereiten Ihnen Freude? Was sind Ihre Hobbies? Wobei vergessen Sie vollkommen die Welt um sich herum? Können Sie sich auf bestimmte Kategorien von Tätigkeiten festlegen, wie z.B. Zusammenwirken mit Menschen, soziale Herausforderungen Umgang mit Tieren, Bewegen in der Natur, praktisches Arbeiten mit besonderen Materialien oder Geräten ...

Gut ist es, wenn Erfahrungen aus Praktika oder Ferienjobs herangezogen werden können. Warum haben Sie diesen Praktikumsplatz gewählt – und wurden die Erwartungen erfüllt/ enttäuscht? Warum? Anders als bei der Auswahl des Praktikums ist jetzt allerdings relevant, was die dortigen Angestellten an beruflichen Tätigkeiten ausüben - keinesfalls darf die Beurteilung des Berufsfeldes von der Tätigkeit als Praktikant abhängig gemacht werden.

Fragen zur eigenen Persönlichkeit sind oft schwieriger zu beantworten. Es hilft, diese möglichst von der abstrakten auf eine konkrete Ebene zu holen: Also, statt zu fragen „Was sind Ihre Stärken und Schwächen?“ stellen Sie einen Bezug zum Ziel der Übung – Selbsteinschätzung als Grundlage für die Berufswahl – her. Die Überlegungen sollten folgende Fragen beantworten: Arbeiten Sie lieber mit Menschen oder alleine? Sind Sie stressresistent? Können Sie beschreiben, wo Ihre Grenzen liegen? Bevorzugen Sie einen festen Arbeitsort? Welche Arbeitszeiten bevorzugen Sie? Wie wichtig sind Ihnen Abwechslung, die Möglichkeiten zu Reisen oder Auslandsaufenthalte? Wie wichtig ist Ihnen eine sinnvolle, sinnstiftende Arbeit, Anerkennung von Familie und Freunden? Wie wichtig ist Ihnen der Verdienst?

Obwohl es bei der Selbsteinschätzung um die Beantwortung der Frage „Wie sehe ich mich selbst?“ geht, kann es doch sehr erhellend sein, bei den Fragen zur Persönlichkeit die Eltern, Freunde, Lehrer oder Vereins-/Teamkollegen einzubeziehen und zu befragen. Wo sehen diese Ihre besonderen Begabungen? Durch eine solche Fremdeinschätzung kann sich Ihr Profil mit Fähigkeiten vervollständigen, die Sie noch gar nicht bewusst wahrgenommen haben. Generell gehören vor allem bei Jugendlichen die Familie und der Freundeskreis zu den wichtigen Einflussfaktoren bei der Berufswahl. Viele werden bei Ihrer Orientierung entscheidend von den Eltern beeinflusst, sei es durch das latente Vorleben eines Lebensentwurfs (Wir neigen zu dem, was wir kennen) oder die explizite Äußerung von Erwartungen und Wünschen (z.B. Übernahme des Betriebs). Sie sollten sich bei Ihrer Entscheidung frei von diesen Einflüssen machen. Ihr Glück muss nicht unbedingt in dem liegen, was die Menschen in Ihrem Umfeld tun. Wichtig ist, dass es für Sie das Richtige ist. Sie müssen Ihren Beruf ausüben und werden – hoffentlich – mehr als 40 Jahre berufstätig sein - diese lange Zeit will für Sie wertvoll gestaltet sein.

Nachdem man sich die Gedanken zu seiner Persönlichkeit mittels der Selbst- und Fremdeinschätzungen gemacht hat, lassen sich ein oder mehrere Berufsfelder ableiten, die Ihren Interessen und Ihrer Persönlichkeit entsprechen.  Es werden sich einige Berufsbilder als naheliegender als andere darstellen – und es ist oft trotzdem noch nicht möglich, diese sofort in einen konkreten Berufswunsch zu übertragen. Dafür gibt es heutzutage einfach zu viele Berufe, mit und ohne Studiengang als Voraussetzung. In einem zweiten Schritt kann man dann auf Berufswahltest zurückgreifen, wie sie im Internet – oft kostenfrei – angeboten werden. Diese liefern brauchbare, persönliche Resultate, wenn sie gezielt nach Interessen und Talenten fragen und die individuellen Stärken und Schwächen einbeziehen. Sie können in diesem Schritt gut als Entscheidungshilfe dienen. Im Ergebnis werden dann bereits relativ genaue Berufsvorschläge gemacht, inklusive einer ausführlichen Beschreibung von Tätigkeiten und Aufstiegsmöglichkeiten.

Es ist also wichtig, sich in Ruhe den Überlegungen zur Berufswahl zu widmen. Man muss dazu selber aktiv werden und sich Gedanken machen. Dabei können einem die Fragenkataloge zur Selbsteinschätzung helfen, man sollte aber auch seine Intuition einbeziehen und im gesamten Entscheidungsprozess auf sein Bauchgefühl achten. Das gilt auch beim Einholen von Ratschlägen und Einschätzungen von Familie, Freunden und sonstigen Vertrauenspersonen. Beim Einsatz der Berufswahltest muss klar sein, dass die Testergebnisse nur so gut sein können, wie Ihre Eingaben. Nur wenn diese Ihre Persönlichkeit ausreichend spiegeln, führen sie zu brauchbaren Ergebnissen.

Zu guter Letzt ist ein weiterer Ratschlag zur Entscheidungsfindung zu bedenken: ab einem gewissen Punkt führen immer neue Grübelschleifen nicht mehr zur Verbesserung der Entscheidung. Man sollte keine Angst haben, ab diesem Punkt einfach loszulegen - und sich dann mit der nach bestem Wissen und Gewissen getroffenen Wahl zufriedengeben. Die Angst vor einer falschen Entscheidung nimmt oft so einen großen Raum ein, dass sie uns paralysiert und blockiert. Auch wenn es schwierig klingt: man sollte versuchen, sich von dieser Angst zu lösen. Entscheidungen betreffen immer die Zukunft, und diese ist nunmal unbekannt. Das mögliche Scheitern soll man daher immer einbeziehen und akzeptieren – und mögliche Fehlentscheidungen nicht verteufeln, sondern als normale Option ansehen: Wer Fehler zulässt und deren Gründe rückblickend analysiert, ist kreativer, innovativer und langfristig erfolgreicher. Mit einem solchen Selbstvertrauen können sie zu mutigen, selbstbestimmten Entscheidungen kommen.

Es kann immer sein, dass Sie trotz der Tests und Austausch im privaten Umfeld zusätzlich ein persönliches Gespräch zu Unterstützung bei der Selbst- und Fremdeinschätzung mit einem Bildungsberater oder Coach benötigen. Gleiches gilt bei Umorientierungen: es ist immer möglich, dass man auch mit einer sorgfältig getroffenen Entscheidung danebenliegt und merkt, dass man sich auf einem falschen Weg befindet. Die Gründe können vielfältig sein und haben in den seltensten Fällen mit einem persönlichen Versagen zu tun. Je eher man sich dem Drang nach Veränderung bzw. Korrektur einer Entscheidung stellt, desto besser.

Autor: Dipl.-Ing. Stefan Elsing
Thema: Mutige Entscheidungen bei der Berufswahl
Webseite: http://www.stefanelsing.de

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