Chirotherapie oder Amerikanische Chiropraktik – nicht mehr als Wortspielerei?

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In einer Wirklichkeit aufwachsend in der Sprache und Bedeutung in welch Form auch immer motiviert ihres “natürlichen” Werdeprozesses beraubt und gesteuert modifiziert wird und einige gar damit zu liebäugeln scheinen meine “Kindheitsidole” Dick & Doof zu “Mehrgewichtig & Andersbegabt” umzutaufen, muss man nicht voraussetzen können, dass die Unterschiede zw. Chiropraktik, Chirotherapie, Chiropraktoren, Manuellen Therapeuten, Osteopathen & nun auch noch Amerikanischer Chiropraktik gekannt und verstanden sind.

Sprache, Symbole, Worte sind bestimmend, das lernte ich schon früh während meines Studiums der Soziologie mit Philosophie und Psychologie in den Nebenfächern. Noch bevor ich meinen Abschluss in Medizinsoziologie als “fließendem Übergang” in das Medizinstudium machte, konzentrierte ich mich über Jahre hinweg auf die Kultursoziologie, in der mir Dr. Salzwedel und Dr. Siggelkow begreifbar machten, wie wichtig das Verstehen von Sprache und Symbolik “anderer” sind, um eben “jene” verstehen zu können - nicht aus meinem begrenzten Sprach- und dadurch Verständnis-horizont heraus, und damit oft ja überheblich, weil glaubend, man selbst allein hätte die Wahrheit gepachtet.

Den Schritt zum Studium der Westlichen Medizin beschritt ich, um später Chinesische Medizin ausüben zu dürfen (ein anderer Weg wäre der Weg über die Heilpraktikerprüfung gewesen). Ursprünglich romantisch verklärt an eine “allumfassend unifizierende” Form der Medizin in Form der Traditionellen Chinesischen Medizin glaubend, lernte ich schnell, dass die Chinesische Medizin vor Mao sich aus multiplen Strömungen ergab und keinesfalls so “uniform”, wie geglaubt und vielleicht auch erhofft, war, auch wenn es in der Geschichte der Chinesischen Medizin durchaus immer wieder Bestrebungen gab jene zu “vereinheitlichen”.

Ich lernte, dass in unterschiedlichen Stilen/Schulen der Akupunktur zwar dieselben Begriffe zur Anwendung kamen, die aber aus Sicht der jeweiligen Schule nicht immer dasselbe bedeuten mussten. Ich lernte zudem, dass unterschiedliche Stile der Pulsdiagnostik sich zwar oft derselben Begrifflichkeiten bedienten, aber nicht immer denselben Begrifflichkeiten auch dasselbe in der Interpretation zuordneten.

Und heute finde ich mich nach vor diversen Jahren weiterqualifizierenden Maßnahmen in “schulmedizinisch orientierter Chirotherapie” in einem vergleichbaren “Dilemma” wieder, habe ich mich doch vor nicht ganz so langer Zeit aber intensiver der Amerikanischen Chiropraktik zugewandt.

Der Ihnen und Euch hier vorliegende Artikel versteht sich im Moment des Schreibens somit nicht nur als Verständnisklärung für Sie und Euch, liebe Leserinnen und Leser, sondern auch als selbige für mich, ist bzw. wird dieser Artikel doch meinen aktuellen Mentorinnen und Mentoren in Amerikanischer Chiropraktik zur kritischen Durchsicht vorgelegt, ob ich aus deren Sicht bereits “verstanden” habe.

So geschah es doch erst kürzlich an einem Weiterbildungswochenende in der Full Spine Specific Technik (einer “händischen” Technik der Amerikanischen Chiropraktik), dass das Wort “Chirotherapie” mein Sprachzentrum auf dem Wege der Verbalisierung über meine Lippen verließ und die Dozentin mir mit einem freundlichen aber bestimmten “wie bitte?” entgegnete - für einen Moment verspürte ich eine innere Unsicherheit gleich eines gescholtenen Kindes basierend auf kognitiver Dissonanz, hatte ich doch nicht lange zuvor den Aufklärungs- & Einverständnisbogen einer führenden Gesellschaft für Chiropraktik durchgearbeitet (um die meinen auf “Vordermann” zu bringen) in dem ausdrücklich das Wort “chirotherapeutisch” mehrfach zur Anwendung kam.

„Heiderdaus“, dachte ich mir - was tun? bzw.: was “denken”?

Nun: dieser Artikel ist ein Schritt zur Klarifizierung.

Der einfachste Weg sich dem Thema zu nähern ist die ganz typisch überall zu findende Differenzierung wie folgt (alles immer die “weibliche und alle weiteren Formen” inkludierend):

Chiropraktiker “sollen sein”:

Heilpraktiker (also Personen mit Heilpraktikerprüfung), die Weiterbildungen im Bereich Chiropraktik besucht haben.

Da der Begriff “Chiropraktik” als solcher hier im Land wohl nicht geschützt ist, kann man nur selten auseinander halten, ob jemand eine umfassend fundierte Ausbildung aufweist oder nur ein paar wenige Wochenendstunden belegt hat.

Chirotherapeuten wiederum sind:

Ärztinnen und Ärzte (Facharztstatus derweil vorausgesetzt), die nach einer entsprechenden Fortbildungsstundenzahl bei ihrer jeweiligen Ärztekammer eine Prüfung ablegen dürfen, um die Zusatzbezeichnung „Manuelle Medizin“ oder „Chirotherapie“ zu erwerben. Aktuell werden hierfür wohl im Minimum 320 Stunden Fortbildung vorausgesetzt - nicht jede Ärztekammer jedoch verleiht die Zusatzbezeichnung und darüber hinaus dürfen Ärztinnen und Ärzte ohne Facharztstatus sich zur Prüfung nicht anmelden.

Chiropraktoren nun grenzen sich gerne von allen ab und heben hervor, dass sie ein umfassendes Studium in ihrem Gebiet absolviert haben, in dem z.B. auch Fächer wie Anatomie und Neurologie unterrichtet werden - zudem tendieren Studiengänge mit wissenschaftlichen Arbeiten abzuschließen.

Eine Besonderheit zum aktuellen Zeitpunkt in unserem Lande ist, dass selbst eine studierte Chiropraktorin ohne Heilpraktikerstatus oder aber abgeschlossenes Medizinstudium als solche nicht tätig sein dürfen - was aber die Option eröffnet hat, dass z.B. Physiotherapeutinnen und -therapeuten, die den Heilpraktilkerstatus über eine entsprechende Prüfung erwerben, nach einer Ausbildung am Chirocampus Hamburg beispielsweise, sich der Ausübung der Chiropraktik widmen dürfen. Jener bietet gar einen Master-Studiengang in Zusammenarbeit mit der Universität für Weiterbildung Krems zum “international anerkannten Titel Master of Science in Chiropraktik (MSc)” an.

Am Ende gleichen sich, so würde ich es aus meiner bescheidenen Perspektive einschätzen wollen, Chiropraktoren mit entsprechendem Studium, Ärztinnen und Ärzte mit Zusatzqualifikation in entsprechenden Techniken, und Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen mit Heilpraktikerstatus und entsprechender Zusatzqualifikation in ihrem Niveau, solange sie Vergleichbares gelernt haben.

Und hier nun kommen wir zu den tatsächlichen Besonderheiten und hierüber entsprechend den Unterschieden.

In meinen ärztlichen Weiterbildungen war es oft so, dass ein begrenztes Maß an “Manipulationstechniken” immer und immer und immer wieder wiederholt wurde, um die 320 Weiterbildungsstunden zusammenzubekommen, damit man sich zur Prüfung zum Erwerb der Zusatzbezeichnung anmelden konnte. Die Dozentinnen und Dozenten waren alle durch die Bank weg auf ihre Weise hervorragend und Wiederholung schadet bestimmt nie, doch am Chiropraktik Campus Hamburg beispielsweise werden, so man die volle Grundausbildung denn absolvieren möchte, bereits 4 ganz eigene Schulen/Strömungen der sogenannten Amerikanischen Chiropraktik gelehrt - von rein händisch bis hin zu reinen sogenannten “Instrumenttechniken”.

Und wenn man sich den überspitzten Spruch eines der Ausbilder vor Augen führt: “Im Land gibt es ca. 20 000 Praxen bei denen Chiro drauf steht (Anm.: wie gesagt: “Chiropraktik” ist kein geschützter Begriff)  - doch nur 5 praktizieren es wirklich, die anderen manipulieren nur an der Wirbelsäule” wird schon deutlich, dass sich Chiropraktiker & -praktoren Amerikanischer Schule(n) nicht als “Manipulatoren” verstehen, wie es vermutlich die meisten die Chirotherapie ausübenden Ärzte tun (wobei es auch hier fraglos andere gibt - Achtung: Werbung in eigener Sache!)

Während der “typische Schulmediziner” vermutlich auch basierend auf der modernen Problematik oft nur im 3-Minuten Takt arbeiten zu können sicher froh ist ein Konzept zu haben, indem es primär darum geht “Blockaden” auf “gefühlter Höhe” zu lösen und mehr als “Knick Knack” von den sie besuchenden Patientinnen und Patienten, vielleicht auch gerade aus Mangel an Kenntnis des Feldes, eingefordert wird, sehen Praktizierende der Amerikanischen Chiropraktik umfassendere Zusammenhänge und wissen aus Erfahrung heraus, dass es nicht um das simple “Einrenken” geht, sondern die Involvierung des Nervensystemes im komplexen Gefüge der “Wirbelsäule” mit ein- und austretenden Nervensträngen, die die Peripherie versorgen und aus jener zurückmelden - und die Erfahrung gibt ihnen recht... letztlich können diverse Probleme innerer Organe durch Fehlsteuerung entstehen und entweder reflektorisch zu “Blockaden” auf “Wirbelebene” führen oder umgekehrt Störungen (aus multiplen möglichen Gründen) auf eben jener Ebene wiederum zu peripheren Problemen führen. Das Gehirn lässt sich aus diesem Gesamtgefüge als übergeordnet steuernde Einheit zudem auch nicht “wegdenken”.

Ich selbst habe vor einiger Zeit Herzrhythmusstörungen sowie Unterschiede der Pulsstärke in den Halsarterien sowie der Radialisarterien links zu rechts im Vergleich an und in mir bemerken dürfen. Ich kann guten Gewissens sagen, dass kein an und mit mir bislang durchgeführtes Behandlungsverfahren (und ich habe einige durch) eine so flotte und unmittelbar merkliche Besserung gebracht hat wie die Justierungen durch die Kolleginnen und Kollegen der Amerikanischen Chiropraktik.

Praktizierende Amerikanischer Chiropraktik behandeln aber nicht im klassischen Sinne Symptome, sondern “justieren” den Körper an allen auffindbar und benötigten Stellen und geben hierüber Impulse, damit jener auf dem Wege der Eigenregulation in den optimierten Zustand für Selbstheilung versetzt wird.

Und “warum”, fragen Sie sich womöglich, “bedarf es unterschiedlicher Schulen?” Nun: bereits in einer alten Schrift heißt es, dass es 10000 Wege zur Erleuchtung gibt.

Sowohl Behandlerinnen und Behandler als auch zu behandelnde Personen können durchaus unterschiedliche Bedürfnisse haben. Der eine freut sich mit den Händen angefasst zu werden (Full Spine Technik), der nächste findet das Konzept eines definierten Impulsgebers (Activator Technik) ansprechender. Und wenn man noch einen Drop Table hat, hat man eine dritte Option, um Aspekte anders gelöst zu bekommen, als mit einer der beiden zuvor genannten Techniken - freilich praktizieren nicht alle mehrere Techniken bzw. Methoden. Manche fühlen sich bereits mit einer einzigen vollständig “zuhause” und sind deswegen keinesfalls weniger “effizient”.

Zum Schluss bleibt mir noch festzuhalten:

Geht man bei einer gefühlten “Blockade” oder “Rückenschmerz” oftmals zu seinem Orthopäden mit dem Wunsch der lokalen Manipulation, tut man dies oft nur unter dem akuten Aspekt. Praktizierende der Amerikanischen Chiropraktik verstehen jene weit darüber hinaus aber als “Gesunderhaltend” und “Menschen durch alle Lebensphasen hindurch” begleitende Möglichkeit, um sie auf allen Ebenen bestenfalls in ihrem Optimum zu halten. Ist man bereits außerhalb seines Optimums durch jeweilige Lebensumstände angelangt, bedarf es anfänglich mehrerer Justierungen in ggf. auch engerem Zeitraum. Das Nervensystem mit allem was daran hängt benötigt einfach seine Zeit des Lernens und Neu-Ausrichtens!

Ist das jeweils mögliche Optimum erreicht, darf man sich gern in regelmäßigen aber entspannteren Abständen justieren lassen, um gar nicht erst wieder beim Gegenteil des Optimums ankommen zu müssen.

Auf die Amerikanische Chiropraktik und alle, die sich jener verbunden fühlen.

Vielen Dank für Ihr Interesse.

Autor: Dr. med. Harald Lemke
Thema: Chirotherapie oder Amerikanische Chiropraktik
Webseite: https://www.chiropraktik-sh.de
TCM: https://www.tcm-sh.de

#Schmerzen, #Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), #Menschlicher Körper

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