Wie wirkt Musiktherapie - Wann wird sie angewendet?

Musiktherapie findet Einsatz bei: prä- und post- nataler Begleitung (vor und nach der Geburt)

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1) Kleiner Geschichts-Hintergrund zur Musik als „heilende“ Kraft

Musik war zu allen Zeiten der Geschichte und in den verschiedensten Kulturen nicht nur ein wichtiges Gut als Ausdruck künstlerischer Formen, sondern Musik durchzieht die Jahrhunderte auch als heilende Wirkung:

  • Die Schamanen z.B. nutzen und nutzten immer schon Gesänge und Klänge, um einerseits Kontakt mit der Erde und den Geistern aufzunehmen und andererseits, um in  Heilungs-Ritualen für erkrankte Menschen zu singen.
  • im Alten Testament wird berichtet, dass Saul durch David, der auf seiner Harfe spielte, von seinen „bösen Geistern“ befreit wurde,
  • in der chinesischen Kultur war die ursprüngliche Funktion der Musik die Heilbehandlung. Vom Schriftzeichen der Musik leitete sich später das Schriftzeichen für die Medizin ab. Diese beiden Schriftzeichen sind sich daher sehr ähnlich! Erst später erkannte man, dass auch Kräuter zu Heilbehandlungen genutzt werden konnten.

Erst in den 70ger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die Musiktherapie in Deutschland institutionalisiert. Dafür war besonders als Grundlage die Gründung der „Deutschen Gesellschaft für Musiktherapie“ (DGMT) 1972 und die Gründung des „Deutschen Berufsverbandes der Musiktherapeuten“ (DBVMT) von großer Bedeutung.

Der Beruf wird verstanden als eigenständiger Heilberuf.

Fazit: die Geschichte hat gezeigt, dass Musik die Seele berührt und ausdrückt, was mit Worten nicht gesagt werden kann. Musik erzeugt Stimmungen, Atmosphären, knüpft an Erinnerungen an und ermöglicht, Gefühle auszudrücken. Gleichzeitig ist Musik immer eine Möglichkeit, Beziehungs-Erleben neu zu erfahren und dadurch neue Muster zu entwickeln/einzuüben, die heilend statt z.B. ver- oder zer-störend sind.

2) Wo wird Musiktherapie überall eingesetzt?

Grundsätzlich wird Musiktherapie eingesetzt für folgende übergeordnete Ausrichtungen:

  • kurativ = heilend
  • rehabilitativ = die „Wiederherstellung der Gesundheit betreffend“, z.B. in Kontexten von Reha-Kliniken
  • präventiv = vorbeugend bzw. zur Selbstfürsorge

Die Methoden, mit der diese Ausrichtungen Einsatz finden, sind dabei sehr unterschiedlich, weil es verschiedene Ansätze und Ausbildungs-Institutionen für die Musiktherapie gibt.

Die Musiktherapie wird angewandt bei Menschen aller Altersstufen und mit den verschiedensten Hintergründen von Störungen oder Krankheiten.

Sie findet Einsatz bei:

  • Menschen mit psychischen Erkrankungen (im klinischen und nicht-klinischen Bereich)
  • Menschen mit geistigen und körperlichen Einschränkungen jeder Art (Wohngruppen, PflegeEinrichtungen)
  • demenziell erkrankten Menschen (privat und Pflege-Einrichtungen)
  • prä- und post- natal (vor und nach der Geburt)
  • Menschen mit neurologischen (Nerven-) Erkrankungen jeder Art - also z.B. Reha-Bereich
  • Sterbebegleitung (Hospiz z.B.),
  • Schmerz-Patienten (meist klinischer Bereich)
  • Kindern mit verschiedensten Störungen Þ u.v.m.

Es wird in allen Schulen der Musiktherapie unterschieden zwischen „aktiver“ Musiktherapie und „rezeptiver“ Musiktherapie.

Dabei meint die „aktive“ Musiktherapie eine „aktive“ Handlung/einen aktiven Ausdruck eines Klienten, indem dieser z.B. auf einem Musikinstrument seine Stimmung ausdrückt;

Bei der „rezeptiven“ Musiktherapie wirken Klänge auf den Klienten (z.B. durch das Musizieren des Therapeuten) und über diese Wirkung gibt es einen Austausch zwischen Klient + Therapeut auf Gesprächsebene oder durch kreativen Ausdruck.

Musiktherapie in der Anwendung und Wirkung

3.1. Wirkung allgemein am Beispiel „Kreativer Leibtherapie“:

Wie ich schon oben erwähnte, gibt es verschiedene Schulen und Ansätze von Musiktherapie.

Ich selbst komme aus der „Kreativen Leibtherapie“ - ein Ansatz, der durch Dr. Udo Baer und Gabriele Frick-Baer begründet wurde. Seine Wurzeln hat dieser Ansatz in der Philosophie des letzten Jahrhunderts und in der humanistischen Psychologie, besonders der Gestalt-Therapie.

Kreative Musiktherapie ist - wie der Name schon sagt - kreativ-gestalterisch, d.h. wir arbeiten nicht nur mit der Musik, sondern auch mit anderen kreativen Methoden, wie z.B. Malen und Gestalten, Verraumungen (Themen bildhaft in den Raum holen, Räume dafür gestalten), musiktherapeutische Biografiearbeit, systemische Musiktherapie, etc.

Der Begriff „Leib“ kommt von „lib“ (griechisch) = Leben. Er geht auf philosophische Betrachtungen zurück, in denen Zusammenhänge beobachtet und hergestellt wurden von menschlichem Erleben in seiner Vielfalt und in  Beziehungs-Kontexten.

Die Kreative Leibtherapie beschreibt:

a.) Qualitäten des Erlebens

  • wie fühlt sich z.B. die Angst an, wo sitzt sie im Körper, ist sie in mir oder auch außerhalb von mir, auf wen, was bezieht sich die Angst?
  • Erleben kann immer nur subjektiv sein und verändert sich auch fortlaufend. 

b.) Phänomene (=griechisch: „wie die Dinge erscheinen“), die Aufschluss über das Erleben des Klienten geben. Unter Phänomene bezeichnet man alle Erscheinungen des geistigen, körperlichen, emotionalen und sinnlichen Erlebens.

Phänomene können sein:

  • Unruhe, die sich im Umherlaufen zeigt,
  • Raum nehmendes oder sehr schüchternes Verhalten einer Person
  • die Körperhaltung, die überheblich oder arrogant wirken kann (die Arme sind verschränkt, das Kinn etwas nach oben gehalten)
  • die Atmosphäre, die jemand kreiert.....(sehr gedrückt, hektisch, etc.)

Es gibt bestimmte Potenziale des Erlebens bei jedem Menschen, die ihrer Entfaltung und Entwicklung dienen oder die in ihrer Entfaltung gestört sein können (z.B. das Erleben, wirksam zu sein im Leben).

Hier kann die kreative Musiktherapie Ansatzpunkt sein für Aufdeckung, Verständnis und therapeutische Interaktion.

3.2 Wirkung von kreativer Musiktherapie am Beispiel mit bei Demenzerkrankten:

Menschen mit Demenz leiden an zunehmender Vergesslichkeit, Orientierungslosigkeit und immer mehr Einschränkungen, sich verbal äußern zu können - im Hinblick auf ihre Bedürfnisse, ihre Wahrnehmungen und Gefühle.

Im Laufe der Erkrankung ziehen sie sich immer mehr zurück in ihre eigene Welt, weil sie auf die

„reale Welt“ nicht mehr reagieren können und so auf „normale sozialen Interaktionen“ (Gespräche, Begegnungen) nicht mehr in der Form reagieren können, dass es verständlich für die Mitmenschen erscheint.

Die Musiktherapie verhilft den demenziel Erkrankten Menschen dazu:

  • durch Klänge und bekannte Lieder an Erinnerungen anzuknüpfen (aus der Biografie)
  • Freude zu erleben
  • für Momente in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen, statt allein in ihrer Welt zu bleiben
  • selbst Ausdrucksmöglichkeiten zu finden für ihre Gefühle
  • Musik als Kommunikationsform zu erleben, wo es keine Worte braucht, um verstanden zu werden, z.B. durch Impulse, die aufgegriffen werden können von Seiten des Musiktherapeuten und er/sie diese weiterführt, so dass ein Gefühl des Verstanden-Seins auf anderer Ebene entstehen kann
  • sinnliche Erfahrungen über das Berühren und vielleicht spielen von Instrumenten zu machen (auch, wenn es nur eine Seite ist, die angeschlagen wird, oder das Instrument ganz anders „benutzt“ wird als es sollte, um Klänge hervorzubringen)
  • durch wiederkehrende musikalische Rituale einen Rahmen zu haben für Sicherheit, Wiedererkennung und Freude
  • Musik und Bewegung zu verbinden (z.B. Tanzbewegungen), so dass Erinnerungen aus dem „Leib-Gedächtniss“ entstehen und wieder belebt werden
  • Wertschätzung zu erleben für das, was derjenige noch kann, egal, wie wenig oder viel es ist

3.3 Wirkung von kreativer Musiktherapie am Beispiel bei Menschen mit (negativem) Stress:

Hier kann - je nach individueller Stressausprägung und Person - gut die rezeptive Musiktherapie eingesetzt werden. Für viele Menschen ist es zunächst etwas ganz Neues, sich fallen zu lassen und wohltuende Klänge aufzunehmen, die beruhigen und der Seele Nahrung geben.

Aber auch aktive Musiktherapie kann den Klienten dabei unterstützen:

  • zuerst ganz niederschwellig mit Klängen auszudrücken, wie der innere Stress klingt....
  • wo dieser vielleicht im Körper zu verorten ist,
  • und diesem Stress einen „Platz“ im Raum z.B. zu geben, so dass er von außen sichtbar und hörbar wird.
  • erste Schritte zu finden mit Klängen, Musik im Dialog, etc., Wege aus dem Stress zu finden wieder zurück zu sich selbst....
  • Muster zu erkennen, die zum Stress führen

und neue, lebendige und unterstützende Muster für den Alltag zu finden und einzuüben, die greifen, bevor es zum Burnout oder übermäßigen negativen Stress kommt.

Autor: Friedegard Diestelkamp - Musiktherapeutin, Heilpratikerin, Musikerin
Thema: Wie wirkt Musiktherapie wann wird sie angewendet?
Webseite: https://www.musik-therapie-diestelkamp.de

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