„Das kann ich nicht essen, ich habe eine Laktoseallergie und eine Fruktoseallergie.“
Solche und ähnliche Sätze hört man als qualifizierte/r Ernährungsberater/in in der täglichen Beratung immer öfters. Dass es oben genannte Allergien in der Medizin bzw. Ernährungstherapie nicht gibt, können viele Laien nicht wissen. Woher auch? Die Menschen geben das wieder, was sie aus ihrem eigenen Umfeld, aus Zeitschriften, Google-Suchen und Social-Media-Berichten mitbekommen. Ziel des nachfolgenden Artikels soll es deshalb sein etwas mehr Struktur und Aufklärung in das große Feld der Nahrungsmittelallergien und Unverträglichkeiten zu bringen. Dabei beziehe ich mich auf die aktuellen Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), dem Grundsatzpapier der Europäischen Akademie für Allergologie und klinischen Immunologie (EAACI) und den Empfehlungen des Deutschen Allergie und Asthmabundes e.V.
Was ist eigentlich eine Allergie?
Im Jahr 1906 wurde erstmals der Begriff Allergie, ursprünglich aus dem Griechischen „allos“ (Veränderung, anders) und „ergos“ (Tätigkeit), von Clemens von Pirquet zur Unterscheidung von nützlichen und schädlichen Immunreaktionen verwendet. Heute wird unter einer Allergie eine unerwünschte, überschießende, spezifische Reaktion des Immunsystems gegen normalerweise harmlose exogene Substanzen verstanden. Die Prävalenz von allergischen Beschwerden und Symptomen hat weltweit in den letzten Jahren zugenommen. Eine wesentliche Rolle in der Ätiologie spielen insbesondere die genetische Prädisposition, die Allergenexposition und Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung und Tabakrauch.
Nach Gell und Coombs können allergische Reaktionen allgemein in vier immunologisch vermittelte Kategorien eingeteilt werden: Soforttypreaktion (Typ I), Zytotoxische Reaktion (Typ II), Immunkomplexreaktion (Typ III) und Spättypreaktion (Typ IV). Jede Reaktion hat dabei ihren eigenen komplexen Ablauf an denen unzählige Zellen, Mediatoren etc. des Immunsystems beteiligt sind.
Als Beispiele für allergische Krankheitsbilder können allergische Erkrankungen der Haut (z.B. Ekzem, Urtikaria), allergische Erkrankungen im HNO-Bereich (z.B. Rhinitis allergica), allergische Erkrankungen des unteren Respirationstraktes (z.B. Asthma bronchiale) oder des Gastrointestinaltraktes (z.B. Nahrungsmittelallergien) genannt werden.
Der weitere Fokus liegt nun auf den Reaktionen auf Nahrungsmittel, die in toxische Reaktionen, immunologisch oder nichtimmunologisch vermittelte Reaktionen eingeteilt werden können. Zur besseren Vorstellung stellt die nachfolgende Abbildung die Einteilung grafisch dar.
Wie unterscheiden sich Allergie und Unverträglichkeit?
Zu den echten Nahrungsmittelallergien gehören nur immunologisch vermittelte Reaktionen, während nichtimmunologisch vermittelte Reaktionen in Kohlenhydratmalassimilationen (die bekannte Laktoseunverträglichkeit und Fruktosemalabsorption) und Pseudoallergien kategorisiert werden. Pseudoallergien werden beispielsweise durch toxische oder vasoaktive Effekte (hohe Konzentrationen von biogenen Aminen in bestimmten Fisch- und Käsesorten) oder Mediatorfreisetzung durch Nahrungsmittelzusätze wie Salizylate und Benzoate verursacht.
Im Kindes- und Jugendalter gehören Kuhmilch, Hühnerei, Erdnuss, Haselnuss und Fisch zu den häufigsten Nahrungsmitteln, die mögliche schwere allergische Reaktionen (Anaphylaxien) auslösen können. Im Erwachsenenalter zählen Weizen, Soja, Haselnuss, Sellerie, Schalen- und Krustentiere zu den häufigsten Auslösern allergischer Reaktionen.
Bisschen genauer betrachtet: Erdnussallergie
Erdnüsse gehören im Säuglings- und Kindesalter zu den häufigsten Auslösern anaphylaktischer Reaktionen und belegen in Deutschland nach Kuhmilch und Hühnerei den dritten Platz als Allergieauslöser. Verglichen mit anderen Ländern ist der Verzehr von Erdnüssen in Deutschland noch relativ gering, besonders verbreitet sind Erdnüsse im anglo-amerikanischen Raum, aber auch in der asiatischen, mexikanischen und afrikanischen Küche.
Dennoch steigt die Anzahl an Betroffenen auch in Deutschland und somit die Anfragen bezüglich einer qualifizierten Ernährungsberatung von Familien mit Erdnussallergikern, wie der Deutsche Allergie- und Asthmabund in seinen Schulungen mitteilt. Bisher sind die Ursachen für den Anstieg der Prävalenz noch nicht erforscht, vermutet wird jedoch, dass für Säuglinge ein erhöhtes Risiko einer Sensibilisierung über die Haut besteht und vor allem Säuglinge mit gestörter Hautbarriere z.B. bei Neurodermitis besonders anfällig sind. Gegensätzlich zur Kuhmilch- und Hühnereiallergie besteht eine Erdnussallergie meist lebenslang, wobei etwa bei jedem fünften Kind die Möglichkeit besteht, dass sich die Erdnussallergie im Laufe des Lebens zurückbildet.
Die Erdnusspflanze gehört botanisch gesehen zu den Leguminosen, wodurch es zu Kreuzreaktionen mit Soja, Lupine, Erbsen, Linsen, Bohnen, Guar und Johannisbrotkernen kommen kann. Bei einer pollenassoziierten Allergie ist eine komplette Meidung im Sinne der Toleranzerhaltung oftmals nicht notwendig, da die allergieauslösenden Proteinbestandteile der Erdnuss z.B. Ara h 8 durch Erhitzen zerstört werden können. Liegt eine sogenannte isolierte Erdnussallergie vor, sind meistens Speicherproteine (Ara h1, Ara h2 und Ara h3) die verantwortlichen Allergieauslöser. Diese sind hitzebeständig und werden durch verschiedene Verfahren, wie z.B. Rösten noch allergener, sodass sie in der Allergiediagnostik als Markerallergene für schwere allergische Reaktionen gelten.
Zu den Symptomen einer Erdnussallergie gehören neben Rötung, Juckreiz, Schwellung, Übelkeit, Erbrechen, auch Husten, pfeifende oder giemende Atmung, Blutdruckabfall, Schwindel, Bewusstseinstrübung bis zum anaphylaktischen Schock. Eine Erdnussallergie muss jedoch nicht immer eine gleich schwere Reaktion auslösen. Des Weiteren wird eine allergische bzw. anaphylaktische Reaktion auch nicht zwangsläufig von Mal zu Mal schwerer verlaufen, vielmehr ist dies individuell unterschiedlich und abhängig von weiteren Einflussfaktoren wie aufgenommene Allergenmenge, körperliche Belastung, Stress, gleichzeitige Infektionen oder Medikamenteneinnahme.
Mögliche Erdnusskontaminationen können überall auftreten, wo Erdnüsse verwendet werden z.B. in Restaurants, Bäckereien, Fleischereien, Eisdielen oder Imbissstände. Die Bedeutung des Warnhinweis „Kann Spuren von Erdnuss enthalten“ sollte im Rahmen der Ernährungsberatung unbedingt besprochen werden und ist stets für jeden Betroffenen individuell abzuklären.
Autor: Theresa Heinritzi, Ernährungsberatung und -therapie
Thema: Nahrungsmittelallergien am Beispiel der Erdnussallergie
Webseite: https://www.theresa-heinritzi.de