Wenn Kinder schließlich doch sterben müssen und es wissen!
Lieben, leben, lernen, lachen, leiden, lösen – Ein Lebensprozess
Das ist der zyklisch wiederkehrende Prozess des Lebens, der sich wiederholt und dynamisch entfaltet. Die Ohnmacht dagegen, ohne Macht zu sein gegen die Prozesse, macht demütig. Martin Bubers Statement, das alles Leben aus der Begegnung kommt, Albert Schweitzers Lebensanschauung, leben zu wollen inmitten von Leben das auch leben will und Fritz Perls Leben im hier und jetzt kann uns ermutigen, damit fertig zu werden. An einem Silvesterjahr am Tittisee im Schwarzwald mit Freunden hatten wir kleine Schiffchen gebaut. Darin unsere Wünsche für das kommende Jahr aufgeschrieben. Die Schiffchen, jedes mit einem Teelicht versehen, hatten wir angeschoben und dem Bötchen eine Richtung gegeben. Wir schauten ihnen nach in Gedankenmit Hoffnung und Vorfreude. Nach einer Weile kam Wind auf, das Wasser wurde unruhig und die Strömung bewegte fortan die Richtung unserer kleinen Schiffe. Also, wie weit ist es her, mit unserer Macht? Wozu haben wir die Kraft?
Ich nachfolgenden Bild, in den letzten Wochen entstanden, in denen Mila bereits ein Pflegebett zuhause hat, leuchtet der Prozess auf, den ich als Großvater aus der Ferne beobachten und bestürzt wahrgenommen habe. OH ja, wir haben alle geliebt, gelebt, gelacht, gelernt, gelitten und mussten und müssen uns in den Prozessen lösen.
Die Leitlinien der Medizin, trotz allen Bemühens und guter Absichten, legen hierarchisch und mächtig ihre Regeln über uns aus. Die geschwächte Mila im Zentrum, alles ertragend. Monatelange Chemotherapie, Spritzen, Infusionen, häufige MRT Untersuchungen, Röntgen, Halswirbeloperation, um das Ausdehnen des weiter wachsenden Tumors zu verhindern, Medikamente gegen Übelkeit, Schmerzen, Blasenkatheter, Schwindel, Morphiumpumpe zur individuellen Einstellung, neue Tumormittel nun ambulant per Tabletten zuhause, Fahrten zur Klinik wegen Bestrahlung, Bluttransfusion. Etc. etc. etc. Der Tumor wächst weiter.
Die Mutter mit kühlem Kopf, spricht nicht über Schwierigkeiten, kann es in indischer Lebenshaltung hinnehmen, was nicht zu ändern ist. Alles geschieht aus Liebe, sagt sie. Ist überzeugt davon. Als Dipl. Psychologin, Astrologische Therapeutin und Jogalehrerin hat sie Überzeugungen, die sie glaubhaft vertritt. Dann der Vater, im Hintergrund, jahrelange Erfahrung als Intensivpfleger einer Klinik, promoviert im Gesundheitswesen, Pflegegutachter und Professor an einer Uni leistet das Unmenschliche. Wissend, wie es um das Kind steht, sitzt er nächtelang am Bett, nachdem die Mutter täglich in der Klinik war. Zugesehen, wie ihr Kind dünner und dünner werden musste. Nun zuhause im Tageskontakt. ständiges Erbrechen, Schmerzen, Übelkeit, psychische Schwankungen, Schmerzen im Becken, Rücken, Zungengrund, HWS, mit dem Rollstuhl auf die Toilette, alles mit des Vaters Unterstützung, Tag und Nacht. Die Muster und Gitter, zeigen mit welchen Zwängen sie leben mussten.
Inzwischen kommen Betreuer aus der Kinder Palliativstation ins Haus und erneuern den Rucksack mit künstlicher Nahrung. Schlagen gar vor, eine letzte Reise zu organisieren, wohin Mila vielleicht noch einmal möchte. Viel zu früh, finden die Eltern. Aber wahrscheinlich, aufgrund des Befundes und der aktuellen Verfassung, angemessen.
Die beiden anderen Geschwister leben mit verminderter Aufmerksamkeit der Eltern, die in ihrer Not alles und alles tun, um die schicksalhafte Situation zu bewältigen. Mila hatte von einem Verein für krebskranke Kinder ein wunderbares Geschenk erhalten. Eine Tischharfe, die sitzend im Bett gezupft werden kann, auch ohne Notenkenntnisse. Ein Blatt mit den entsprechenden Punkten kann spontan Melodien hervorbringen, liegt unter den Saiten und zeigt die zu zupfenden Punkte. Außerdem ein teures I Pad, mit dem sich Mila stundenlang beschäftigt und surft. Leider ohne Harfe. Zu verlockend sind die ständig wechselnden bunten Bewegungen in Film und Komik, auf dem Bildschirm flackern. In der Waldorfschule war sie glücklich, in Klavier im Klassenraum, Tänze, Musik, Kultur, Theater, Gesichte, draußen Pflanzungen.
Dr. Fernandes vom Onkologie Zentrum Heidelberg definiert folgendes: „Die Chemotherapie hält Menschen am Leben – Die Komplementärmedizin hält ihn im Leben.“ Das macht mich nachdenklich. Mila ` s Oma, nach dreißig Jahren in Naturheilpraxis ist fassungslos. Als diplomierte Fachkraft für Darmgesundheit und Immunologie und Heilpraktiker in für „Paracelsische Spagyrik“ und Homöopathie versteht die ablehnende Haltung der Ärzte nicht.
Alles Denken geschieht in Bildern
Bilder sind ganzheitlich, mythisch, mystisch, rational, emotional, intuitiv und magisch zugleich. Sie ermöglichen aus sich heraus ein Verständlichkeit, Gestaltungsfähigkeit und Sinnhaftigkeit. Nur dadurch entsteht Kohärenz, die uns zufrieden machen kann. Die rationalen Erklärungen, Argumentationen, Diskussionen können uns nicht zu einem selbstwirksamen sinnhaften Handeln ermutigen. Das wäre allerdings nötig, um selbstständig Fähigkeiten zu nutzen, ohne das zu wiederholen, was wir von Kindheit an anderen nachgemacht haben, es imitieren mussten. Zurück zu den Bildern: Im alltäglichen Betrachten von Bildern hören wir: „Toll gemalt, ganz schöne Farben, sehr gute Perspektive, schöne Aufteilung auf dem Blatt, usw.“ Diese Argumentationen haben meist nichts mit der Bedeutung eines Bildes zu tun.
Dieses kluge Kind malt nach dem Urlaub in Österreich zwei Bilder, die gefällig sind in Farbe und Form. Wenige Tage danach beginnen heftige Schmerzen und eine Krebsdiagnose mit geringer Aussicht auf Heilung, erschreckt die gesamte Familie. Experten vermuten ein Sterben des elfjährigen Kindes zu Weihnachten 2019.
Bild I
Eine Schaukel (Kind in schwarz) ohne Boden. Kräftiger Stamm ohne Blätter.(blüht nicht) Schaukel nicht in Bewegung) Ein Gingko Blatt für Geduld, Belastbarkeit und Sanftmut hinzugefügt.
Bild II
Die Schaukel ist nun leer, ohne Kind. Erde undHimmel werden zur Einheit Die Schaukel hängt am blühenden kräftigem Ast de von oben her hält. Schaukel und Himmel sind blau. Eine Rose rankt sich am Seil empor. 12 Rosen nicht zufällig. Das Kind stirbt nach neun Monaten im Alter von zwölf Jahren.
Bild III
Das Kind schenkt seinem Großvater zu Weihnachten 2019 ein Bild auf Leinwand gemalt. Alles in schwarz gehalten. Ein Mädchen mit Hund und Katze auf zart grünem Gras mit Blick in den Himmel. Ein blühender Baum zeigt einen Vogel, der die Szene beobachtet. Sechs Vögel auf dem Weg in die Entfernung des Himmels. Wenn man die Vögel zählt, entsteht die Vermutung, dass dieses Kind im Juni versterben wird!? Sie ist im Bild auf dem Weg zum Himmel, schaut zu den Vögeln, nicht zurück.
Bild IV
„Als flöge sie nach Haus“ kommt mir in den Sinn.
Dieses Bild ist anders. Mila wendet uns nun ihr Gesicht zu und erlebt sich wieder ganz mit Haaren. Am offenen Fenster malt das Kind wenige Tage vor dem Sterben ein glückliches Kind mit neuen Zöpfen (Nach Chemotherapie selbst ohne Haare) und roten Wangen. Zu diesem Zeitpunkt leidet das Kind unter andauerndem Erbrechen, hochgradigen Schmerzen, Übelkeit, künstlicher Ernährung, Blasenkatheter, bedient selbst eine Morphiumpumpe, Kortison, Bluttransfusion, erlebte Operation am Halswirbel, um Ausdehnen des Tumors zu vermeiden, Chemotherapie, stärkste Medikamente, gegen Schmerz, Gehhilfen, Rollstuhl, danach das Pflegebett zu Hause. Im Übergang fühlt sie sich wieder komplett.
Susan Bach, Analytikerin von C, G,. Jung sagt: „Jungendliche können sich der gemalten Symbolsprache von Sterbenden sehr gut bedienen.“ (Siehe auch Elisabeth Kübler - Ross)
Bild V
Dieses zwölfjährige Kind hat unendliche Schmerzen ertragen, ohne zu klagen oder zu schimpfen Die Eltern hatten täglich am Bett gesessen, der Vater auch nachts, bis zur eigenen Erschöpfung. Außerdem die beiden anderen Geschwister noch betreut mit Schule und Familienleben. Dieses Bild, vor dem Sterbetag, zeigt den giftigen Finderhut, der die „generalisiert – toxische“ Vergiftung des ganzen Körpers, zeigen soll. Gegen alle Erwartungen ist das Kind in den Armen der Eltern schmerzfrei eingeschlafen. Während des gesamten Prozesses hatte das Kind keine Angst und war voller Vertrauen in Ärzte und Eltern. Die Lehrerin der Waldorfschule hat stets Hausbesuche gemacht und spricht auch auf der Beisetzung. - Leider haben die Leitlinien der Medizin eine ergänzende flexible komplementäre Behandlung unterlassen. Schließlich kamen die Experten der Palliativbegleitung ins Haus. Ein Arzt der Heidelberger Onkologie hat dazu folgendes formuliert: „Die Chemotherapie hält den Menschen am Leben, Die Komplementäre Medizin hält den Menschen im Leben“. Dieses Kind wusste, seit der Diagnose, um den schwierigen Verlauf des ihm bevorstehenden Prozesses. Schon im Vorhinein ist durch die Bilder der Verlauf sichtbar geworden. Hätten wir doch genügend Achtsamkeit für die Bilder gehabt. Mit Worten war es dem Kind nicht möglich es auszudrücken
Bild VI
Wie zur Bestätigung malt die zwei Jahre jüngere Schwester einen Schmetterling, der für den Prozess einer Wandlung steht.
Ein Herz mit seinen Adern, in der Ferne zwei Vögel auf dem Weg in den Herbst, neben den Füßen eine Krücke, (die die erkrankte Schwester bereits benötigte) und vier schwarze Schmetterlinge Symbol für die Restfamilie, die nun nur noch zu viert ist. Das Geschwisterkind hat im Bild genau die Verwandlung der Familie erspürt. Wandlungen werden dem Schmetterling zugeschrieben, kommt er doch unverhofft durch eine verpuppte Larve in die Welt. Auf der Oberfläche haben die bemühten Mediziner den Tumor bekämpft, aber die Tiefe der veranlagten „DNA Botschaft“ nicht berühren können.
Pflegpersonal, Ergotherapeuten, Krankengymnasten, Psychologie waren professionelle Helfer. Das Kind selbst hat die eigentliche Botschaft in den Bildern zum Ausdruck gebracht.
Es ist kein Trost, dass eines von einer Millionen Kindern diese Diagnose hat. Es gab für Mutter und Vater keinen anderen Ausweg, als Hingabe. Sie haben ihr Kind in den Armen gehalten. Als alle Medikamente abgesetzt wurden, war das Kind ohne Schmerzen, ohne Erbrechen, ohne Übelkeit, ist sanft eingeschlafen.
Zur Verabschiedung haben die Eltern eine ergreifende Geschichte in die Einladung geschrieben. Gäste sollen in farbiger Kleidung kommen, von Beileidsbekundungen absehen; statt Blumen und Geschenke eine Spende für die Waldorfschule ermöglichen. Abends gibt es ein Lagerfeuer auf einem Hügel der Stadt. Jeder erzählt von eigenen Begegnungen mit dem Kind.
Ich bin aufgewacht und hab gesehen, woher wir kommen; wohin wir gehen. Und der lange Weg, der vor uns liegt, führt Schritt für Schritt ins Paradies. Ich hab lang gewartet und nachgedacht. Hatte viele Träume und jetzt bin ich wach. Wenn wir suchen, finden wir neues Land. Uns trennt nichts vom Paradies.
(Ton Steine Scherben)
Ein Bild sagt mehr, als tausend Worte.
(Lao Tse)
Innere Bilder müssen berührt werden, um sie nutzbar zu machen.
(Prof. Dr. Luise Reddemann)
Wir haben genügend positive innere Bilder in uns gespeichert.
(Prof. Hüther)
Bilder von körperlich, seelisch, geistig aus dem Gleichgewicht geratenen Menschen werden zum Gegenstand einer ganzheitlichen Medizin werden.
(Dr.med. Gisela Schmeer)
Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.
(Psalm 90,12)
Ein Tag der „Dichte“ des Lebens
Aus „Mila` s“ Lied klingen Worte nach. Einmal mit den anderen fliegen, die auch auf der Reise sind, einmal frei sein, einmal ein Stein sein….
Ein stiller Ort, mitten in der Stadt. Die Urne senkt sich still hinab. Kinder pusten tausende Seifenblasen; die sanft zu Boden tanzen, Leichtigkeit verbreiten und die Rosenblätter sinken leise auf die Erde. Menschen kommen ins Gespräch, achtsam und aufrichtig, ehrlich.
Das Leben wird gefeiert, der Mila wird gedacht. Die Eltern hatten alles - alles bereits gemacht. Gäste stehen bereit mit Kindern, haben Acht. Harren aus mit Musik und Stangenbrot, bis in die Nacht, sind ohne Not bis hin zum Tod.
Die kleine Schwester Ella malt nach acht Monaten Mila im Himmel friedlich zwischen Wolken.
Autor: Dieter Loboda, Päd. Psychotherapeut
Thema: Achtsamkeit, Gestalt- und Kunsttherapie und der frühe Tod
Webseite: https://mac-koblenz.jimdofree.com
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