[Kolumne] Das Thema Obdachlosigkeit hat wohl kaum Überschneidung mit dem Thema Nachhilfe oder Erziehung, liegt mir aber trotzdem am Herzen.

Deshalb thematisiere ich das auch gerne bei mir im Unterricht, viele Schüler haben die gleichen Vorurteile wie die meisten. In Deutschland muss man doch nicht auf der Straße leben, die bekommen doch morgen eine Wohnung vom Staat. Ja, ich bin unendlich dankbar in einem Sozialstaat wie Deutschland zu leben, ich glaube, was das angeht kaum ein besseres Land zu kennen. Ich fühle mich auch sicher und glaube, dass ich im schlimmsten Notfall sofort Unterstützung vom Staat bekomme. Bevor die Obdachlosigkeit droht, bin ich sicher, dass Freunde und Familie mir helfen.
Nur sind meine Voraussetzungen eben auch andere. Ich selbst kann mir gar nicht vorstellen, eine Nacht auf der Straße zu verbringen. Schon gar nicht als Frau, die Gefahr, ausgeraubt oder vergewaltigt zu werden, ständige Angst, mit Benzin übergossen oder verprügelt zu werden. Und ja, genau diese Gefahr droht Obdachlosen ständig. Um solch ein Leben zu überstehen, kann ich Drogensucht durchaus nachvollziehen. Und dann kommt häufig der Kreislauf, um an Geld für Drogen zu kommen sind Prostitution oder Kriminalität meist der einzige Weg, um das wieder zu überstehen, helfen Drogen. Dann morgens um 8 Uhr einen Termin bei einem Amt einzuhalten, einem schwierigen Gespräch zu folgen und alle Möglichkeiten der Hilfe auszuschöpfen, ist dann sicherlich nicht leicht.
Bevor dann eine Wohnung vergeben werden kann, müssen Obdachlose zunächst in eine Notunterkunft, da wollen viele nicht hin. Hier ist offiziell absolutes Drogen- und Alkoholverbot, sicherlich verständlich, doch für einen Süchtigen einfach unmöglich. Wir alle können uns wohl kaum vorstellen, was Entzugsschmerzen sind.
Wie es dann dort tatsächlich aussieht, steht auf einem anderen Blatt. Schlechte hygienische Zustände, Mehrbettzimmer und hohe Kriminalität wirken wohl kaum vertrauenserweckend. Und der Staat? Zahlt pro Quadratmeter oft mehr als für Luxuswohnungen in Großstädten. Dass es dann ohne Hilfe und alleine auf der Straße einfacher ist, weiterhin zu konsumieren, ist naheliegend.
Außerdem haben viele Obdachlose in einem Hund ihren treuen Begleiter gefunden, häufig das einzige Lebewesen, was sie nicht hängen lässt und gleichzeitig Schutz bedeutet. Aber auch Hunde sind hier nicht erlaubt. Dass das Tier dann jahrelang der beste Freund war und es deshalb überhaupt nicht in Frage kommt, den Hund wegzugeben, ist für mich auch durchaus verständlich. In diesen Unterkünften herrscht leider eben auch Kriminalität, das wenige Hab und Gut kann gestohlen oder körperliche Auseinandersetzungen drohen.
All diese Voraussetzungen ohne Hilfe zu erfüllen, ist eben nicht jedem Menschen möglich. Für uns erscheint es also völlig problemlos, beim Amt um eine Wohnung zu bitten, einem Menschen, der jahrelang alleine auf der Straße überleben muss, sieht dies häufig als unüberwindbare Hürde an.
Deshalb meine Bitte, unterstützen Sie Organisationen, die Obdachlosen neben Schutz und Versorgung mit Lebensmitteln und Kleidung auch die Hilfe bieten, die sie brauchen, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Autor: Anke Wachtendorf - Schülercoach, Lern- und Erziehungsberatung, Verlagsautorin
Thema: Vorurteile - In Deutschland muss man doch nicht auf der Straße leben
Webseite: http://www.schuelercoaching-wachtendorf.de
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