Sind die Hormone schuld?
Ganz so einfach ist es nicht. Selbstverständlich haben die Hormone direkte Auswirkungen auf unser Befinden. Noch bevor sich die sichtbaren Geschlechtsmerkmale verändern, beginnt der Körper Sexualhormone zu produzieren und startet damit den pubertären Wachstumsschub. Das erfolgt bei Mädchen ab einem Alter von etwa 9-11 Jahren und bei Jungen etwa ab dem 11.-13. Lebensjahr. Vergessen wir aber nicht, dass es sich hierbei um keine Krankheit, sondern um einen physiologischen Prozess der Reifung und des Wachstums handelt. Nicht nur die Körpergröße und die sichtbaren Geschlechtsmerkmale verändern sich. Im Gehirn finden wichtige Entwicklungen und Umbauprozesse statt. Es bilden sich neue kybernetische Vernetzungen heraus. Alte, überflüssig gewordene Verbindungen werden gelöscht. Die eigene Position im sozialen Umfeld verändert sich und erfordert Anpassung. Und spätestens hier wird klar, dass es vor allem auch durch das Feedback des Umfeldes auf diese gesunden Veränderungen zu Problemen kommt, wenn diese überhaupt nicht oder nur als Problem und nicht als Chance wahrgenommen werden.
Wo liegt das Konfliktpotenzial?
Die Gefühle fahren also Achterbahn. Dazu erlebt der junge Mensch eine Vielzahl körperlicher Veränderungen. Für sich allein genommen machen diese aber nur manchmal Probleme. Erst durch ein Feedback des sozialen Umfeldes werden hier vermeintliche Unzulänglichkeiten festgestellt. Es werden Vergleiche angestellt. Wie weit sind die anderen und wie weit bin ich. Die sexuelle Entwicklung verläuft selten harmonisch zum körperlichen Wachstum. Sowohl Mädchen als auch Jungen hinterfragen sich und ihren Körper, vergleichen sich in Bezug auf ein attraktives Äußeres, ob sie der „Norm“ entsprechen und mithalten können. Fühlen sie sich unzulänglich, oder wird dieses Gefühl suggeriert, jemand lächerlich gemacht und blos gestellt, kommt es sehr schnell zu sozialem Rückzug.
Die leicht zugänglichen pornografischen Darstellungen, welche oft schon in den unteren Klassen auf Handys kursieren, können junge Menschen zusätzlich zutiefst verstören, da sie hier Wahrheit und Film einfach nicht einordnen können und im Allgemeinen mit diesen Informationen überhaupt überfordert sind. Nicht jeder hat die Möglichkeit, eine Vertrauensperson entspannt danach zu fragen und sich diesen Situationen unbemerkt zu entziehen.
Auch die Position in der Familie, in der Schule, im Freundeskreis ändert sich. Es entwickelt sich ein eigenes Wertesystem, welches so ziemlich alles in Frage stellt. Lehrer, Freunde und allem voran die eigenen Eltern. Nicht alle Eltern können entspannt zugeben, dass sie nicht perfekt sind. Doch genau dieses Hinterfragen, der Mut und auch der Idealismus junger Leute ist es, der uns Menschen voranbringt. Natürlich sind anfangs viele Pläne und Vorhaben noch sehr unausgereift, kindliche Versuche und Spiel. Es braucht einfach Übung. Diese wichtigen Eigenschaften müssen geschult und ausprobiert werden. Und das Geschieht natürlich zuerst in der Sicherheit der Familie. Viele Teenager bringen ihre Eltern mit ihren Launen, Desinteresse oder verrückten Ideen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit.
Welche Chancen birgt die Pubertät?
Ohne die frischen Eigenschaften der Jugend entstehen schnell Stagnation und starre Muster. Nur mit neuen Ideen, Mut und Neugier gibt es eine konstruktive Entwicklung.
Wir Menschen neigen dazu, gewohnte Denk- und Verhaltensmuster, welche sich in der Vergangenheit bewährt haben, die vielleicht schon von Generation zu Generation übernommen wurden, nicht mehr zu überprüfen. Unter dem Motto „das war schon immer so“ oder „mir hat es auch nicht geschadet“. Durch diese starre Haltung verpassen wir jedoch wichtige Chancen und Möglichkeiten. Vor allem funktionieren sie nicht.
Zu neuen Wegen und neuen Strukturen gehören Mut und Risikobereitschaft. Denn nicht jeder neue Weg funktioniert. Es ist eine ordentliche Fehlerquote dabei. Die wollen ältere Generationen manchmal nicht aushalten. Denn es schließt ein, sich selbst zu hinterfragen, sich dem ständigen Lernen zu öffnen. Und das Scheitern eines Planes zu erleben. Doch ohne Scheitern, keine Entwicklung. Und all diese wichtigen Eigenschaften erhalten in der Pubertät ihre Prägung. Es ist elementar, welche Muster in dieser Zeit geschaffen werden. Das Erkennen von Werten und wichtigen sozialen Regeln im Umgang miteinander, Respekt, Vertrauen. Aber auch die eigene Entwicklung mit Mut und Zuversicht anzugehen, Probleme und Herausforderungen zu verarbeiten und auch Scheitern und Misserfolge aushalten lernen.
Manche Eltern wollen ihre Kinder vor wirklich allen Misserfolgen bewahren. Doch es ist eine wichtige Lektion, sie müssen damit umgehen lernen auch mal zu verlieren oder zu scheitern. Und in Folge zu lernen, dass es danach weiter geht. Und sich neue Chancen bieten. Den Misserfolg als das verbuchen, was er ist: eine Erfahrung. Und hier sind wir bei einem wichtigen Punkt. Der Druck der Erwartungshaltung .
Es geht auch um Grenzen. Viele junge Menschen testen diese Extrem aus. Oft sind es genau die jungen Menschen, welche keine Grenzen gesetzt bekommen. Entweder, weil die Eltern es zu spät bemerken, weil sie keine Zeit und Aufmerksamkeit aufgebracht haben, oder weil die Kinder extrem gepampert und überbehütet wurden. Doch Grenzen sind wichtig. Sind sie zu starr und eng, verhindern sie jede Entwicklung, engen ein. Sind keine Grenzen da, werden sie gesucht. Oft auch sehr aggressiv und überschreitend.
Angemessene Grenzen bedeuten auch Sicherheit und Schutz, dass ich aufgefangen werde, wenn etwas nicht funktioniert, dass ich beschützt werde und mich geborgen fühlen kann. Denn da ist jemand, der auf mich Acht gibt, Jemand dem es wichtig ist, was ich mache und was mit mir geschieht, der mich beschützt und mir beisteht, wenn es schwer wird. Und der für mich da ist, wenn ich nicht weiter weiß, der mir einen Rat geben kann. Der vor allem auch für mich da ist, wenn mal gar nichts richtig laufen will und alles schief zu gehen scheint. Grenzen und Regeln bedeuten auch; dass nicht einfach jemand mit mir machen kann, was er will. Es gibt also nicht nur für mein Handeln Grenzen, sondern auch für andere.
Wie sieht das nun in der Praxis aus. Im Alltag. Unweigerlich kommt es zu Konflikten, Auseinandersetzungen in der Schule und zu Hause. Die Stimmung schlägt von ganz oben zu ganz unten um, und andersherum. Vieles wird noch in schwarz - weiß gedacht, gut oder böse entweder oder u. s. w.. Das funktioniert im Alltag nicht mehr und der Jugendliche kollidiert mit seinen eigenen Gefühlen, Wünschen und der Realität.
Ein wichtiger Aspekt sind Leistungsdruck und Erwartungshaltung. Der, welcher von den Eltern und Lehrern ausgeübt wird und der, den sich der Jugendliche selbst macht. Auch hier kann eine Überfürsorge genauso stören, wie hohe Messlatten. Dieser Druck, egal ob von außen oder innen kann sehr destruktiv sein. An dieser Stelle sei auf die überaus wichtige Rolle der Lehrer und Erzieher hingewiesen. Ihr Anteil an der Entwicklung der jungen Menschen ist weitaus höher, als gemeinhin angenommen. Sie können im Positiven wie leider auch im Negativen prägen.
Ebenso wichtig sind Trainer oder ältere Sportkameraden. Sie übernehmen automatisch die Rolle der Wertevermittlung, wenn es die Eltern aus irgendeinem Grund nicht leisten können. Hier geht es um Selbstvertrauen, Respekt, Achtung, Mut und Leichtigkeit.
In allen Bereichen ist vor allem wichtig. Was leben die Eltern vor? Ist vor allem das Ansehen und die Fassade, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Erfolg wichtig? Wie ehrlich und respektvoll wird miteinander umgegangen. Wie gehen die Eltern mit Stresssituationen, Herausforderungen des Alltags um. Wird aus Allem ein Problem gemacht oder wird lösungsorientiertes Denken gefördert.
Welche Warnsignale für Probleme und Störungen gibt es?
Werden Sie aufmerksam, wenn Ihr Kind sich zurückzieht, Freunde und Hobbys vernachlässigt. Wenn der Körper unter riesigen Bekleidungsschichten versteckt wird. Wenn Schlafstörungen, Unruhezustände, Ängste, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Erbrechen wiederholt auftreten. Wenn sich Ihr Kind nicht mehr mitteilt. Wenn es zu extremen Essverhalten kommt.
Jugendliche sind eher Suizid gefährdet, als Erwachsene. Die allgemein übliche Ansicht, wer es tut, der kündigt es nicht an, ist falsch! Sie versuchen sich mitzuteilen, stellen Fragen, bekommen Wutanfälle. Oder werden förmlich unsichtbar.
Was können Eltern für eine vertrauensvolle Kommunikation tun?
Nehmen Sie sich Zeit. Wenn Sie erfahren wollen, was Ihr Kind bewegt, dann nehmen Sie sich Zeit zum Zuhören. Sie haben keine? Wie haben Sie alles nur geschafft, als Ihr Kind klein war?
Meist werden die Probleme vor dem Zubettgehen angesprochen, wo die Zeit in der Familie immer knapp ist. Die Frage, warum hast Du mich nicht beim Abendbrot angesprochen, können Sie sich schenken. Versuchen Sie es einzurichten. Eine gute Möglichkeit zum Zuhören bietet sich tagsüber oder am Wochenende mit Bewegung, Sport oder bei irgendwelchen Tätigkeiten. Beim Spazieren gehen kommen unweigerlich die Gedanken und Gefühle hoch, die bearbeitet werden wollen. Nur eine halbe Stunde laufen an frischer Luft, am besten in der Natur klärt den Geist und schafft gesunden Abstand. Probieren Sie es aus! Täglich! Es lohnt sich. Wenn der Teenager dabei die Erfahrung macht, dass es ihm danach besser geht, wird er es als Möglichkeit Stress abzubauen aufnehmen. Denn durch Stress erzeugtes Adrenalin baut sich am besten durch Bewegung ab. Nehmen Sie die Runde täglich für sich selbst mit ins Programm. Wenn Ihr Kind auch nur 2x in der Woche dabei ist, ist viel gewonnen. Wo wir wieder dabei sind: Nehmen Sie sich die Zeit zum Entspannen. Planen sie diese Zeit genauso ein, wie eine Tagesaufgabe. Vom Alltag überforderte Eltern helfen weder sich selbst noch ihren Kindern.
Bohren Sie nicht nach Neuigkeiten. Wenn Ihnen Ihr Kind etwas erzählt, behandeln Sie die Informationen vertraulich. Wenn jedes Detail mit der halben Familie oder Freunden geteilt und bewertet wird, ist das sehr verletzend und zerstört das Vertrauen. Sie müssen nicht zu allem eine Meinung haben oder Stellung beziehen. Die Wiedergabe der Tagesereignisse kann einem Wutanfall gleichkommen. Nehmen Sie diesen Ärger, den Ihr Kind raus lässt nicht persönlich, es dient nur der Reflexion der Ereignisse. Die Jugendlichen fragen schon, wenn sie eine Meinung dazu hören wollen. Viele Erwachsene vergessen, dass sie sich selbst auch ordentlich aufregen oder mal einen Wutanfall bekommen, wenn z.B. auf Arbeit jemand bösartig oder manipulativ war. Gestehen Sie dies also auch ihren Kindern zu. Machen Sie durch Zwischenfragen oder Rückmeldung deutlich, dass Sie wirklich zuhören und Ihr Interesse echt ist. Nehmen Sie die Probleme ernst, welche Ihr Kind als Problem empfindet. Versuchen Sie sich einer Wertung zu enthalten. Schließlich waren Sie nicht dabei. Nehmen Sie Ihrem Kind nicht die Lösung ab. Fragen Sie, ob Sie etwas helfen können ober ob Hilfe gewünscht ist.
Akzeptieren Sie persönliche Entscheidungen Ihres Teenagers. Unterstützen Sie das Wahrnehmen von Chancen und Möglichkeiten. Auch wenn der Ausgang ungewiss ist. Zollen Sie Erfolgen Respekt und zeigen Sie Ihren Stolz. Bei einem Misserfolg ist Trost hilfreicher, als Besserwisserei. AUCH UND VOR ALLEM, WENN SIE ES VORHER GESAGT HABEN.
Respektieren Sie die Privatsphäre Ihres Teenagers. Das heimliche Prüfen des Handys oder das Lesen von persönlichen Eintragungen in einem Tagebuch sind ein grober Vertrauensbruch. Sollte tatsächlich mal eine Ranzenkontrolle anstehen, dann tun sie das gemeinsam mit Ihrem Kind.
Betreten Sie das Zimmer ihres Teenagers nicht ohne anzuklopfen UND EINE ANTWORT ABZUWARTEN. Respektieren Sie die Privatsphäre auch im Badezimmer! Machen Sie aber auch zeitliche Abfolgen klar.
Haben Sie Spaß! Sie leben vor, wie es gehen kann. Alltagsherausforderungen machen das Leben bunt, machen Sie nicht aus allem ein Problem, sondern lösen Sie diese auf. Haken Sie schlechte Tage ab. Ihr Umgang mit einer Tagesstruktur, Stress, mit wirklich schlimmen Problemen oder Ereignissen, Erfolg und Misserfolg ist der Wegweiser, wie es gehen kann.
Fazit:
Die Pubertät ist keine Krankheit. Jede Lebensphase ist etwas Besonderes. Ein sinnvolles, objektives Feedback wirkt stabilisierend. Eine länger andauernde und komplett gestörte Kommunikation ist immer ein Warnsignal. Die Vermittlung von Werten aber auch der Umgang der Eltern mit Veränderungen, Stress, Sorgen, Ängsten, Erfolg und Misserfolg ist richtungweisend. Kommen die Eltern und das soziale Umfeld selbst nicht klar, hat es der Teenager schwerer, eine positive Balance zu finden.
Autor: Martina Hausding
Thema: Stimmungsschwankungen bei Jugendlichen
Webseite: http://www.hypnose-in-sachsen.de
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