Sie betreten einen Raum und nehmen sofort wahr, was los ist oder los war. Sie spüren die vorherrschenden Stimmungen im Raum, sie bemerken wer mit wem zu tun hat, spüren, ob eine angespannte Atmosphäre herrscht. Von lauten Umgebungen und Menschenansammlungen fühlen Sie sich schnell ausgelaugt.
Parfüm, Rauch und strenge Gerüche können Sie nur schwer ertragen. Bekommen Sie schnell schlechte Laune, wenn Sie hungrig sind? Kleidungsstücke, die scheuern oder jucken finden Sie unerträglich? Neonlicht macht Sie nervös und unkonzentriert?
Schon von Kindheit an, hatten Sie das Gefühl anders zu sein. Sie haben das Gefühl, Erwartungen, Normen nicht zu erfüllen, Druck nicht aushalten zu können. Vielleicht wurde und wird Ihnen geraten doch etwas lautstarker aufzutreten und sich nicht alles so zu Herzen zu nehmen.
Höchstwahrscheinlich sind Sie ein hochsensibler Mensch.
Die Amerikanerin Elaine N. Aron hat den Begriff des Hochsensiblen Menschen geprägt.
In ihrem Buch „Sind Sie hochsensibel“ beschreibt sie es folgendermaßen: „Hochsensible Menschen erleben die Welt differenzierter und zugleich intensiver als andere. Sie müssen mehr Reize und Informationen geistig und seelisch verarbeiten. Deshalb brauchen sie häufig auch mehr Zeit und die Möglichkeit zum Rückzug.“
Hochsensible Menschen nehmen mehr Reize auf als andere, sie nehmen ihre Umwelt intensiver wahr, müssen jedoch auch viel mehr Informationen verarbeiten. Ihre Reizschwelle ist viel niedriger. Menschenansammlungen und eine lautstarke Umgebung bringen sie schnell an ihre Grenzen und stellen ein großes Stresspotential dar.
Normalerweise werden die Reize, die auf uns einströmen durch einen inner physiologischen Filter aussortiert und es erreichen das Bewusstsein nur ein Teil dieser Informationen.
Bei Menschen mit Hochsensibilität ist dieser Filter sehr viel durchlässiger.
Das Bewusstsein kann die vielen, gleichzeitig auf es einströmenden Informationen nicht mehr verarbeiten und fängt an zwischen den Informationen mit seiner Aufmerksamkeit hin – und her zu springen. Das führt zu Reizüberflutung und Verwirrung. In unserer modernen Welt ist es jedoch schwer sich dieser Reizüberflutung, wie z.b. Autolärm, Handys, Telefonklingeln und Stimmengewirr zu entziehen.
Bei Stress wird das Hormon Cortisol ausgeschüttet, welches sich erst nach einiger Zeit wieder abbaut. Wiederholt sich der Stress bleibt der Cortisolspiegel dauerhaft erhöht und führt zu Dauerstress. Erhöhter Blutdruck, Burnout, Herz-Kreislaufprobleme können die Folge sein.
Was ist wichtig für Menschen mit Hochsensibilität?
Für Menschen mit Hochsensibilität ist es sehr wichtig, die äußeren Reize so gut es geht, zu reduzieren. Achtsamkeitsübungen und Meditation sind sehr gute Mittel um immer wieder in seine Mitte zu finden, um vom Strom der Außenreize nicht überflutet zu werden. Im Alltag, wenn z.B. wieder tausend Leute etwas von einem verlangen, kann hilfreich sein, sich erstmal auf eine bestimmte Handlung zu konzentrieren. Der Spruch „erstmal abwarten und Tee trinken“ bekommt hier wieder eine ganz neue Bedeutung.
Nein sagen lernen und sich gegen Überforderungen zu wehren ist wichtig.
Sich einen Rückzugsort zu Hause zu schaffen, in dem man sich richtig wohl und geborgen fühlt, kann helfen sich von den Anforderungen des Alltags und der Familie zu erholen. Sich so oft es geht sich in der Natur zu bewegen, hilft dem Nervensystem sich wieder zu entspannen.
Auch nicht immer und ständig erreichbar zu sein ist wichtig, sich Inseln im Tagesablauf schaffen. Momente in denen das Handy aus und die Tür zu.
Verständnis und Toleranz ist gefordert bei Mitmenschen und Partnern. Man muss nicht auf jeder Hochzeit tanzen.
Hochsensible Menschen (oder HSP – high sensitiv person) umfassen ungefähr 15- 20 % der Bevölkerung.
Alle Menschen sind mehr oder weniger sensibel, HSP befinden sich jedoch in dieser Hinsicht am äußersten Ende der Skala. Sie nehmen ihre Umgebung überdurchschnittlich intensiv wahr und können sich sehr gut in die Stimmungen und Bedürfnisse anderer Menschen hineinversetzen. HSP sind hoch empathisch und empfindsam für die atmosphärischen Vorgänge in ihrer Umgebung. Ihre Sinne neigen dazu überaus viele Informationen aufzunehmen, denen andere kaum Beachtung schenken würden. So kann es passieren, dass Ihnen ein hochsensibler Mensch erzählt, was zwischen dem Paar am Nebentisch im Restaurant vor sich geht. Ob sie es wollen oder nicht, nehmen hochsensible Menschen sehr viel mehr Informationen aus ihrer Umgebung wahr. Sie nehmen Emotionen anderer Menschen und energetische Störungen auf wie ein Schwamm.
Ein Tag in einem hektischen Büro oder ein Besuch in einem Einkaufszentrum, kann einen HSP an seine Grenzen bringen und ihn völlig überwältigen. Danach fühlt er sich wie ausgelaugt von den Menschenmassen, lauten Geräuschen und den energetischen Schwingungen, die sich mit dem eigenen Energiesystem mischen und dieses völlig durcheinanderbringen.
Gut für sich selbst zu sorgen, ist selbstverständlich für jeden Menschen wichtig. Für Menschen mit Hochsensibilität jedoch besonders.
Sind Sie ein Mensch mit Hochsensibilität und achten nicht auf Pausen und Auszeiten, in denen Sie sich von den Eindrücken erholen können, die den ganzen Tag auf Sie eingeströmt sind, kann das schnell zu einem Erschöpfungszustand führen, einhergehend mit Reizbarkeit und Unkonzentriertheit.
Vielen hochsensiblen Menschen wurde in ihrem Leben ihre Hochsensibilität als Schwäche angekreidet. Aus diesem Grund versuchen viele ihre Hochsensibilität zu überspielen und gehen viel zu hart mit sich um, um den Erwartungen ihrer Umwelt zu entsprechen.
Für einen hochsensiblen Menschen ist es wichtig zu lernen, diese Anforderungen wie eine Welle zu reiten. Rückzug aus der Welt und sich selbst damit zu isolieren, ist definitiv nicht die Lösung.
Selbstfürsorge schützt vor Überforderung und Burn Out
Selbstfürsorge heißt hier Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Sich Ruhephasen zu verschaffen, Kräfte auftanken und lernen, wie man sich in fordernden Situationen ein Schutzschild zulegt.
So kann man sich z.B. in der Mittagspause an einen ruhigen Ort zurückziehen, die Augen schließen, einfach nur für ein paar Minuten auf den Atem achten und einen Moment der Stille haben.
Selbstfürsorge heißt hier die Balance zu halten zwischen Überforderung und Unterforderung.
Nimmt sich ein HSP diese Ruhephasen nicht, kann es zu ernsthaften Problemen führen. Burn out, Depressionen oder körperliche Erkrankungen können die Folgen sein.
Es ist enorm wichtig Ihren Bedürfnissen Beachtung zu schenken, etwas, was HSP nicht so ganz leicht fällt, da sie sehr viel mit den auf sie einströmenden äußeren Einflüssen beschäftigt sind.
Eine Frau mit Hochsensibilität, erzählte mir, dass sie früher total gerne verreist sei. Seit sie aber Familie habe, ermüde sie das Reisen sehr und sie habe dadurch auch nicht mehr so große Lust dazu. Häufig sei sie auf Reisen mit ihrer Familie auch sehr gereizt und übellaunig. Nachdem wir ausführlich analysiert hatten, was denn der Unterschied zu ihrem früheren Reiseverhalten und dem heutigen ist, wurde offensichtlich, dass nicht das Reisen an sich das Problem dar stellte, sondern die Tatsache den ganzen Tag von früh bis spät Menschen um sich zu haben und das jeden Tag.
Das hatte auch überhaupt nichts mit dem Verhältnis zu ihrer Familie zu tun, die sie über alles liebt. Dennoch machte es ihr zu schaffen keine Minute für sich zu haben.
Wir sprachen darüber wie sie in diesem Fall gut für sich sorgen könne. Eine gewisse Zeit für sich im Hotelzimmer sein, lesen, schreiben, meditieren, alleine einen Spaziergang machen, oder auch gar nichts tun.
Einige Zeit später berichtete sie mir von ihren letzten Ferien. Sie hatte, das was wir besprochen hatten beherzigt. Ihre Familie war positiv überrascht, sie war viel ausgeglichener und sie wollte diesmal nicht schon wieder vorzeitig nach Hause fahren.
Für Menschen mit Hochsensibilität ist es ausgesprochen wichtig, ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen.
Einen Tagesablauf mit Ruhephasen zu planen ist sehr hilfreich. Das kann an einem ruhigen Platz einen Tee trinken sein, mit einem Kopfhörer ruhige Musik hören, oder aber auch nur ein paar Minuten für sich sein.
Hochsensibilität ist eine Stärke
Es ist vielerorts und unterschiedlichst beschrieben, dass für den Fortbestand und das Wohlergehen einer Population eine Mischung aus hochsensiblen und weniger sensiblen Vertretern ideal ist. Auch in der Tierwelt liegt der Anteil der der Hochsensiblen bei 15 bis 20%. Die Gruppe der Hochsensiblen stürzt sich z.B. niemals auf neue und einladende Reize, bzw. Beute, sondern wartet erst einmal ab und überprüft die Lage, gegebenenfalls warnen sie die anderen vor Gefahren. Sie tragen auch zum Erhalt der Sippe bei, indem sie die ersten sind, die Wasserquellen aufspüren oder besseres Weide Gelände.
In vielen früheren Kulturen bildeten Hochsensible eine von zwei herrschenden Klassen.
Die eine Klasse bestand aus Anführern und Kriegern, die über ein gutes Durchsetzungsvermögen und Kampfbereitschaft verfügten.
Die andere aus Beratern, Priestern, Astrologen und gelehrten Philosophen.
Hochsensible Menschen sind wie sich schon vermuten lässt, in die letztere Kategorie einzuordnen.
Sie stellten ein Regulativ dar, welches dafür sorgte, das Anführer durch impulsiv getroffene Entscheidungen, durch Machtmissbrauch oder durch das Übersehen von Möglichkeiten, die Gesellschaft in Gefahr brachten oder diese in ihrer Entwicklung behinderten.
Hochsensible Menschen hatten einen angesehenen Platz in diesen Gesellschaften.
Ihre komplexe Wahrnehmung wurde hoch geschätzt. Beide Gruppen ergänzten sich hervorragend. Da wo die einen zu zaghaft waren, stürmte die andere Gruppe nach vorne. Und wenn die einen zu kurzfristige Ziele setzen, gab die andere Gruppe dem Ganzen durch ihr visionäres Denken mehr Gewicht.
Die meisten hochsensiblen Menschen orientieren sich in ihrem Denken und Handeln an hohen Zielen und Idealen, wie Gerechtigkeit, Wahrheit, Freiheit und Mitgefühl. Sie zeichnen sich häufig durch Gewissenhaftigkeit und Hilfsbereitschaft aus.
Empathie, die Fähigkeit sich sehr gut in andere Personen hineinversetzen zu können, das Bedürfnis, das sich andere Menschen in ihrer Gegenwart wohl fühlen, lässt sie zu einem harmonisierenden Faktor in jedem Team oder einer Gruppe werden.
Entsprechend dem Begriff der “priesterlichen Ratgeber”, wie Elaine N. Aron hochsensible Menschen in ihrem Buch nennt, eignen sich Berufe wie Therapeuten, Coaches, Heiler, Ärzte, Künstler, Lehrer, besonders gut für hochsensible Menschen.
Wer die eigene Fähigkeit, des intensiveren Wahrnehmens, richtig einsetzt und es gelingt, gut für sich zu sorgen und sich auch abzugrenzen, kann ein äußerst erfülltes Leben leben.
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kostenlosen “Erste Hilfe Kurs für hochsensible Menschen.”
In diesem Kurs finden Sie 14 Tipps, die Sie in ihrem hochsensiblen Alltag unterstützen.
Hier der Test von Elaine N.Aron, mit dem Sie herausfinden können, ob Sie ein hochsensibler Mensch sind.
Testfragen nach Elaine N. Aron. Bin ich hochsensibel?
Die amerikanische Psychologin Elaine Aron erfasst mit Fragebögen, ob Menschen in ihrem Sinne „highly sensitive“ sind. Antworten Sie mit „zutreffend“, wenn die Aussagen zumindest teilweise zutreffen. „Unzutreffend“ steht für Aussagen, mit denen Sie sich kaum oder überhaupt nicht identifizieren.
1. Ich fühle mich leicht überwältigt durch starke Sinneseindrücke.
2. Offenbar habe ich eine feine Wahrnehmung für Unterschwelliges in meiner Umwelt.
3. Die Stimmungen anderer Menschen beeinflussen mich.
4. Ich reagiere eher empfindlich auf körperlichen Schmerz.
5. Ich habe an geschäftigen Tagen das Bedürfnis, mich zurückzuziehen – entweder in ein dunkles Zimmer oder an einen anderen Ort, wo ich allein sein und mich von der Stimulation erholen kann.
6. Auf Koffein reagiere ich heftiger als viele andere Menschen.
7. Ich fühle mich schnell überwältigt von Dingen wie grelle Lichter, starke Gerüche, raue Textilien auf meiner Haut oder Martinshörner in meiner Nähe.
8. Ich besitze ein reiches, vielschichtiges Innenleben.
9. Laute Geräusche bereiten mir Unbehagen.
10. Kunstvolle Musik bewegt mich tief.
11. Manchmal liegen meine Nerven derart blank, dass ich nur noch alleine sein möchte.
12. Ich bin ein gewissenhafter Mensch.
13. Ich bin schreckhaft.
14. Es bringt mich leicht aus der Fassung, wenn ich in kurzer Zeit viel erledigen muss.
15. Wenn andere Menschen sich in einer Umgebung unwohl fühlen, weiß ich eher als manche andere, was notwendig ist, um Wohlbefinden herzustellen (zum Beispiel durch eine Veränderung der Beleuchtung oder der Sitzordnung).
16. Ich werde ärgerlich, wenn man von mir erwartet, zu viele Dinge gleichzeitig zu tun.
17. Ich gebe mir große Mühe, Fehler zu vermeiden oder Dinge nicht zu vergessen.
18. Fernsehsendungen und Spielfilme mit Gewaltszenen meide ich.
19. Ich fühle mich unangenehm erregt, wenn sich um mich herum viel abspielt.
20. Hungergefühle stören nachhaltig meine Konzentration und beeinträchtigen meine Stimmung.
21. Veränderungen in meinem Leben treffen mich sehr heftig.
22. Ich bemerke und genieße feine Düfte, Geschmäcker, Klänge oder Kunstwerke.
23. Ich empfinde es als unangenehm, wenn ich mich mit mehreren Dingen gleichzeitig beschäftigen muss.
24. Für mich ist es sehr wichtig, mein Leben so zu organisieren, dass ich Situationen vermeide, in denen ich mich ärgern muss oder die mich überwältigen.
25. Laute Geräusche, chaotische Szenen und ähnliche starke Reize stören mich.
26. Wenn ich mit anderen Menschen konkurrieren muss oder beobachtet werde, während ich eine Aufgabe erfülle, macht mich das so nervös und unsicher, dass ich weitaus schlechter abschneide, als ich eigentlich könnte.
27. Als Kind haben meine Eltern und Lehrer mich als sensibel oder schüchtern angesehen.
Wenn Sie mehr als 14 Aussagen als zutreffend markiert haben, sind Sie wahrscheinlich ein hochsensibler Mensch. Sollte die Zahl geringer sein, die Aussagen aber in sehr starkem Maße zutreffen, so zählen Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu den betroffenen Menschen.
Quelle: Elaine N. Aron auf ihrer Website http://hsperson.com/test/highly-sensitive-test/
Autor: Edith Morell
Thema: Wann ist man Hochsensibel
Webseite: http://www.edithmaria.de