„Trauma“ heißt auf Deutsch „Verletzung“. Als ich mich einmal gegen die Repressalien eines autoritären Vorgesetzten wehrte, meldete er mir zurück, ich hätte ihn dadurch mit einem Messer in den Rücken gestochen.
Das hat mich sehr verletzt, weil es mir maßlos übertrieben zu sein schien und vor allem unfair: Welche Gewalt er mir angetan hatte, war ihm gar nicht bewusst und er wollte es offenbar auch gar nicht wissen. Das war keine traumatische Erfahrung im engeren Sinn, aber im Nachhinein sehe ich, dass die Summe der Erfahrungen mit ihm doch traumatische Wirkungen hatte.
Wenn wir von einem Trauma im engeren Sinn reden, meinen wir aber nicht irgendeine Verletzung, auch nicht eine sehr schmerzhafte und wiederholte, sondern eine extrem schwere Erschütterung, die entweder in unser Leben schlägt wie eine Bombe oder uns über einen längeren Zeitraum hinweg so schweren Schaden zugefügt hat, dass wir sie nie richtig verkraften konnten und nachhaltig destabilisiert sind.
Ein grundsätzliches Problem des Umgangs mit Traumata sind die Fehleinschätzungen: Viele echte Traumatisierungen werden nicht als solche wahrgenommen und viele emotionale Probleme sollen Trauma heißen, obwohl sie es nicht wirklich sind. Darum lautet die erste Regel für den Umgang mit einem traumatisierten Partner:
1. Kläre sachlich so genau wie möglich, worum es sich handelt
In erster Linie zählt das, was deine Partnerin oder dein Partner selbst darüber weiß. Wenn es sich vermeiden lässt, solltest du keine Diskussion mit ihr oder ihm darüber anfangen, ob der Begriff „Trauma“ nun genau dafür zutrifft oder nicht, sondern stattdessen einfach nur verstehen, was sie so verletzt und verletzlich macht. Wenn du es nachvollziehen kannst und das auch zum Ausdruck bringst, ist das die beste Voraussetzung dafür, dann auch gut damit umgehen zu könnnen.
Hänge die Latte für das Kriterium einer schweren Traumatisierung ziemlich hoch, aber verharmlose auch nichts. Damit sind wir bei der zweiten Regel:
2. Bei schweren Traumatisierungen braucht der Partner professionelle Hilfe!
Wenn die Erfahrung für die Partnerin oder den Partner wirklich extrem schrecklich war und sie dadurch emotional subjektiv sehr darunter leidet, dann beharre bitte freundlich darauf, dass sie sich professionelle Hilfe holt und unterstütze sie dabei. Es kommt nicht darauf an, ob die Erfahrung weit zurückliegt oder erst neulich geschah. Entscheidend ist das subjektive Maß des Leidens darunter hier und jetzt.
Es gibt aber auch Traumatisierungen, insbesondere durch Gewalt und sexuellen Missbrauch, die der betroffene Mensch unwillentlich dadurch zu bewältigen versuchte, dass er sie geleugnet und verdrängt hat. In solchen Fällen kann es sein, dass ein Trauma wirksam ist, aber nicht zu erkennen ist, worum es sich handelt. Dann ist die dritte Regel zu beherzigen:
3. Wenn das Trauma nicht klar erkennbar ist, Kognitive Verhaltenstherapie in Anspruch nehmen!
Das scheint paradox, weil üblicherweise umgekehrt argumentiert wird, dass man für so etwas tiefenpsychologische Zugänge und dergleichen benötigt. Wenn das gut geht, ist es prima, aber leider kommt zu oft das so genannte False Memory Syndrom dabei heraus, das heißt: Die Person hat sich (unter Anleitung) so eingehend mit dem Gedanken beschäftigt, es müsse doch irgendetwas ganz Schlimmes passiert sein, dass ihr Gehirn ihr schließlich den passenden Film dazu geliefert hat, obwohl niemand sagen kann, ob das auch wirklich stimmt. Und wenn die Fantasien nicht überzeugend genug sind, bleibt sie doch daran hängen, dass sie traumatisiert sein muss, grübelt unentwegt darüber und sieht darin den Grund für ihre aktuellen Probleme. Die Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) hat demgegenüber den großen Vorteil, auf die Bewältigung von Problemen im Hier und Jetzt fokussiert zu sein, Fantasien kritisch zu überprüfen und genau zwischen Realität und Einbildung zu unterscheiden. Die KVT ist aber auch stark in der expliziten Traumatherapie.
Als Faustregel darf gelten: Was ich nicht weiß, muss mich nicht unbedingt heiß machen, sondern nur dann, wenn die Indizien dafür, dass es ein sehr starkes verdecktes Problem gibt, sich aufdrängen, und dies nicht nur subjektiv, sondern auch aus der objektiveren Sicht anderer.
Damit bleibt nur noch die Frage offen, wie mit der Partnerin oder dem Partner umzugehen ist, wenn a) tatsächlich ein Trauma im engeren Sinn (zu einem großen Teil der Folgen daraus sagt man Posttraumatische Belastungsstörung) vorliegt und b) wenn sie oder er in guter therapeutischer Behandlung ist oder war.
4. Lass dich als Partner der traumatisierten Person für ihre Unterstützung schulen und begleiten!
Schwere Traumatisierungen haben schwere emotionale Folgen und das kann auch noch nach langer Zeit so sein. Ohne angemessene Begleitung und Behandlung kommt deine Partnerin oder dein Partner nicht damit zu recht und du erst recht nicht. Es reicht nicht hin, sich darüber im Internet zu informieren. Das Schlechteste, das ihr tun könnt, ist so zu tun, als wäre nichts, das Beste, dass ihr offen und ehrlich damit umgeht, um miteinander und mit der Therapieperson ein gutes Team zu bilden. Das wird nicht nur die Beziehung stärken, sondern es ist auch erfolgversprechend, weil es heute recht gut wirksame Methoden der Traumatherapie gibt. Aber die gute Methode ist immer nur der eine Aspekt für den erfolgreichen Umgang mit psychischen Problemen, denn entscheidend kommt es auf den heilsamen Kontext an, und darin spielst du als Partner eine wesentliche Rolle.
Autor: Dr. phil. Hans-Arved Willberg
Thema: Wie gehe ich mit einem traumatisierten Partner um?
Webseite: https://www.life-consult.org
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