Wie gut können wir uns noch an diese Sätze erinnern: Wenn du das noch einmal machst...

Erziehung ohne Meckern, ist das möglich? Manches Mal können doch alle Eltern ihre Kinder einfach nur an die Wand klatschen. Mit der Fingerfarbe an den antiken Schrank von Oma gemalt, den Kaschmir-Pullover zum Aufwischen von Hundepipi benutzt oder zum hundertsten Mal nicht die Vereinbarungen eingehalten, wie sollen wir unseren Unmut klarmachen? Viele sind noch heute der Überzeugung, dass das eben nur mit Schimpfen und Meckern geht. Die Ohrfeige ist zum Glück recht selten geworden, aber Hausarrest, Entwürdigungen oder Strafen stehen noch heute bei den meisten Familien an der Tagesordnung. Völlig normal und der einzige Weg, nicht völlig auszuflippen, oder? Doch erinnern wir uns doch einmal selbst daran, welche Auswirkungen das vielleicht auf uns als Kinder hatte. Vor den Nachbarn ausgeschimpft werden, eine Strafe zu erhalten, während die besten Freunde anwesend sind oder das Gefühl zu bekommen, nur geliebt zu werden, wenn wir zu 100% funktionieren. Sicher hinterlässt Schimpfen keine sichtbaren Wunden, aber doch vermutlich Narben, die uns unser Leben begleiten werden.
Ich als Kind bin in den 90er Jahren selbstverständlich noch so erzogen worden, eine völlig normale Methode, die ich auch bei meinen Freunden beobachtete. Noch heute als erwachsene, verheiratete Frau demoralisiert es mich völlig, wenn jemand meint, mit lauter Stimme seinen Unmut mitteilen zu müssen. Ich fühle mich dann oft in die Situation der kleinen hilflosen Zwölfjährigen zurückversetzt, jegliche Schlagfertigkeit, jegliches Selbstbewusstsein sind dann meist nicht mehr so leicht greifbar.
Doch wie reagieren, wenn die Geschwister sich so stark streiten, dass eines Nasenbluten hat? Grenzen setzen und Verständnis zeigen sind mit Sicherheit die besseren Methoden, als ein Kind zu entwürdigen und zu bestrafen.
Du darfst mein Eigentum nicht ungefragt benutzen, du musst dich an vereinbarte Regeln halten.
Wie bist du auf die Idee gekommen, dass du diesen Pullover dafür verwenden kannst? Worüber habt ihr euch gestritten?
Kurz überlegt, wie würden wir uns als Kind fühlen, wenn wir diese Fragen gestellt bekommen, anstatt wortlos zwei Wochen Hausarrest zu bekommen? Würden wir eher lernen, dass wir einen Fehler gemacht haben und das zum Menschsein dazu gehört? Dass wir nicht gleich weniger wert sind, nur, weil wir erneut 20 Minuten zu spät gekommen sind?
Was erwarten wir heute, wenn wir wirklich Mist gebaut haben? Die Lieblingsfußballshorts der Ehefrau zu heiß gewaschen, die mit Liebe gezüchteten Tomaten des Ehemannes nicht gegossen oder den 75 Geburtstag der Schwiegermutter vergessen, das alles sollten keine Gründe sein, warum wir uns demoralisiert oder ungeliebt fühlen sollten und das, was wir für uns wollen, müssen wir unseren Kindern eingestehen.
Also, beim nächsten Wutanfall vielleicht erst bis fünf zählen und kurz überlegen, wie wir selbst behandelt werden und lernen wollen.
Autor: Anke Wachtendorf - Schülercoach, Lern- und Erziehungsberatung, Verlagsautorin
Thema: Wie sie mir so ich dir nicht
Webseite: http://www.schuelercoaching-wachtendorf.de
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