Himmelsbrot

Als mich die Einladung, einen Artikel hierüber zu schreiben, erreichte, war ich so unmittelbar bezaubert von diesem altertümlichen, kostbaren, so selten angewandten Ausdruck, daß es in mir JA sagte, ohne daß ich mir ein Konzept hätte vorstellen können. Ich war und bin ergriffen. Es hat sich aus dem Herzen  eine emotionale Gestaltung von Text entwickelt. Fast eine Art Andacht.

frau-himmel-gelb

Auch ein antiquierter Ausdruck: An-dacht: … wird oft gebraucht in kirchlichen Zusammenhängen. Es ist aber eben auch das Denken mit dabei. Andacht heißt auch „starke innere Gesammeltheit zur Aufnahme geistiger Inhalte“. Diese Definition gefällt mir sehr. Sie spiegelt mein wohltuendes Erleben, wenn ich dem Wort Himmelsbrot in mir Raum gebe:  mein Geist entspannt sich, fokussiert gleichzeitig, entwickelt hohe Aufmerksamkeit, klärt und weitet sich. Ja, es ist möglich, einen mentalen Zustand emotional zu beschreiben. Neudeutsch heißt das „im flow sein“. Der Zustand ist wohl eher vertraut in Bezug auf Tätigkeiten und einen ausgedehnteren Zeitraum. (Musizieren, Sport, Sex, Lesen, Schreiben…). Es gibt aber Worte von einer Intensität, die Raum durch innere Tiefe erschaffen. Viele davon sind bekannt – wie z.B. Liebe, Frieden, Gott, Vertrauen, Hoffnung, Erfüllung – andere eher neu. Für mich war Himmelsbrot eine solche Entdeckung.      

Im Folgenden möchte ich mein persönliches Entwickeln von Gedanken weitergeben, aber auch Sie als LeserIn einladen, an bestimmten Punkten mit mir innezuhalten und kleine Selbsterfahrungen vorzunehmen. Wenn Sie sich Zeit und Raum nehmen und meine Anregungen übersetzen, kann im besten Fall auch Freude in Ihnen entstehen. Das würde wiederum würde mich von Herzen freuen.

Himmelsbrot

…. Was für ein Wort, was für ein Klang. Wir sollten es zunächst auf der Zunge zergehen lassen, dieses Wort. Das mmmmmm, schon ein Genuß im Summen. Das oooo.. wie ein Kußmund. Und dann kommt das entschiedene „t!“. Der Explosivlaut, der deutlich Abschluß – fast wie ein kleines Spucken oder Schnalzen. Das „t“ schafft eine Zäsur, einen Einschnitt – es initiiert durch das zwangläufige Ausatmen eine kleine Pause und verschafft dem ganzen langen Wort dadurch eine Wirkung über die unmittelbare Aussprache hinweg. Einfach über die Wirkung der Bewegung der Zunge. Es mag übertrieben klingen, aber die Einladung, sich mit diesem Begriff zu beschäftigen, war für mich ein Weg erst einmal über die Onomatopoesie – die Lautbildung. (das Wort Onomatopoesie konnte ich nicht weg lassen: es ist für mich trotz seine Fremdwortcharakters wie selbsterklärend, ganz entzückend:  es klingt doch wie ein Zauberspruch… ono-mato-posie.. hex hex, was steckt drin?) Die Wirkung eines Wortes als Phonem durch den eigenen Klang, durch sich selbst – noch ohne semantische Bedeutung.

Himmelsbrot… es zwingt uns, Mund, Lippen, Zunge, Atem zu spüren. Kosten Sie es doch ein paarmal körperlich- sinnlich aus. Es ist entdeckenswert.

Im zweiten Schritt nehme ich die unmittelbare Bedeutung der beiden Hälften in den Blick bzw deren Zusammenspiel. Da kommen Himmel und Erde zusammen. Geist und Körper. Beide menschlichen Elemente werden genährt. Das wünsche ich uns allen in jeder Lebenslage: immer genug Himmel in Geist und Herz sowie auch  immer genug Brot in Hand und Mund. Himmelsbrot läßt mich darüber nachsinnen, ob ich in beiden Bereichen gut versorgt bin, bzw. ob ich mich selbst gut versorge, mit der richtigen Nahrung.

Womit füttere ich meinen Geist? Informationen sind Nahrung, Nahrung prägt das Genährte. Ohne Filter strömen Unmengen von Informationen und Sinneseindrücken auf mich ein – der Alltag bombardiert mich unermüdlich, schon morgens, wenn ich die Nachrichten einschalte. Über die Ohren, die die Auswahl von Fakten aufnehmen… über den Geist, der sofort Bilder und entsprechende Stimmungen assoziiert..somit auch über die Emotionen. Visuelle Eindrücke (soziale Medien) finden einen noch unmittelbareren Einfluß: ohne Übersetzung von Ton in Bild stimulieren sie unser Gefühlszentrum im Gehirn. Ich muß nicht breiter beschreiben, wie die momentane Qualität der  gesellschaftlichen Stimmungslage  immer wieder Angst, Sorge, Ohnmacht über diese Einflüsse wie eine Sonde in mich einbringt. Jeder von uns ist aufgerufen, sich dieser Fütterung bewußt zu sein und ausgesprochen achtsam zu sondieren. Wieviel mute ich mir zu im Feld der Enge und Trübnis. Wie versorge ich mich ganz bewußt  mit Seelennahrung auf spiritueller Ebene oder mit alternativen, ermutigenden Informationen. Meditation,  konstruktives Gespräch, Beschäftigung mit Wachstumsvorgängen,  Kunst,  Musik, Religion und und und.. All das ist heilsame Nahrung für den Geist.

Es ist sehr einfach wahrzunehmen, welcher Art das „Futter“ ist:  spüren Sie einmal dem Wort HIMMEL nach und nehmen Sie wahr, wie sich automatisch ein Gefühl von Weite einstellt. Vielleicht assoziieren Sie das herrliche, unendliche Blau, vielleicht eine Erinnerung an intensives Naturerleben, vielleicht auch das sogenannte  Reich Gottes. Geben Sie sich der Wirkung hin-  erleben Sie Leichtigkeit und  Ausdehnung im Kopf! Und das ist ein gutes Rezept: versorgen Sie sich bewußt mit „himmlischen“ Eindrücken.

Dasselbe gilt für das „Brot“, die weltliche, körperliche Nahrung. Ich meine damit nicht nur Lebensmittel, die wir im Übermaß angeboten bekommen und bei denen wir so häufig die Qual der Wahl haben.  

brot baecker

Nahrung als Impulsgeber für Unterstützung oder Belastung, das ist für den Körper auch Atmung, Aktivität/ Bewegung, Entspannung. In einem heilsamen Maß. Auch hier finden wir eine handlungsbezogene Orientierung als Entscheidungshilfe: beobachten Sie einmal in diesem Bereich Ihr Verhalten und die kurzfriste und langfristige Reaktion des Körpers. Reagiert er mit Wachstum, Anregung, Frische, Zentrierung oder mit Streß, Schwere, Müdigkeit? Bekommt er genug Sauerstoffnahrung? Achten Sie auf wohltuende, anspornende, lösende Bewegung? Wie ist das Verhältnis von Anforderung und Erholung? Ist Ihre Ernährung so, daß sie Sie mit Genuß, Energie und Gesundheit versorgt? Das Wort BROT gibt uns ebenfalls einen Geschmack von Wohltuendem wieder in den unmittelbar ausgelösten inneren Bildern. Das duftende Brot, die Vorstellung wogender Getreidefelder, das Korn als Wachstumszelle, der Laib, „Brot für die Welt“, die Mutter, die das Brot schneidet. Erinnerungseindrücke und archaische Bilder werden wach. Spüren Sie gerne wieder nach, wie Ihr Körper auf diese Assoziationen reagiert… wie wirkt der Duft, der vorgestellte Geschmack, die Szenarien. Gut, oder? Weitend!

Nun gehe ich einen Schritt weiter in der Annäherung: Himmelsbrot, das ist biblisch das Manna, die Nahrung, die Gott über Nacht den Israeliten auf ihrer 40-jährigen Wanderschaft durch die Wüste geschickt haben soll. Mir wurde im Religionsunterricht vermittelt, es stehe als Symbol dafür, wie ein Prozeß wunderbarer Wandlung geschieht. Gott wandelt eine Art Reif  in  eine dem Menschen dienliche Substanz. Jede Nacht ein Wunder. Hungrig zu Bett gehen -  und morgens ist der Tisch reich gedeckt. Mir war das damals zu „starker Tobak“ – ich fand keinen Bezug. Erst viel später kam mir aus meiner unmittelbaren Erfahrung heraus eine greifbare Analogie in den Sinn.

Es ist mir immer wieder die größte Freude, wenn eine vermeintliche Hürde,  Schmerz, Widerstand, Mangel sich wandelt in etwas Positives. Wenn ich eine schwierige Arbeit bewältigt habe. Wenn vor scheinbar unlösbaren Aufgaben auf einmal wie aus dem Nichts Hilfe auftauchte. Wenn mich eine körperliche Krankheit in die Ruhe gezwungen und so zu wichtigen Erkenntnissen gebracht hatte. Wenn ich über mich selbst lachte im Erkennen, wie ein Mensch, den ich sehr ablehnte, mir hilfreich die Knöpfe drückte und ich meiner eigenen Verurteilung auf die Schliche kam. Wenn mir eine schmerzhafte Kritik von außen half, ein suchtartiges Muster, das mich im Bann hielt, endlich mit Kraft anzugehen. Wenn also das Geschenk einer Wandlung die Augen öffnet, so wirkt diese Erkenntnis und das entsprechende Handeln aus meiner Sicht wie Himmelsbrot. Nur an der Oberfläche fühle ich mich abgewiesen von einem Eindruck – im näheren Kontakt gibt er mir die Chance zu Wachstum, er ist Nahrung.

Dieser Zusammenhang wird mir auch sehr sehr deutlich in meiner Arbeit als Trauerrednerin. Wieviel Schmerz tritt mir immer wieder im Kondolenzgespräch  entgegen. Abschied, Verlust, unausgesprochene belastende Gefühle bestimmen die Dynamik zunächst. Im Verlauf des Einfühlens, des guten Verstehens wird die Stimmung im Raum dann ruhiger, entspannter. Und wenn der Verstorbene dann in seiner Lebensfülle in der Einzigartigkeit seines Wesens in all den liebevollen Erinnerungen wie in einer Gestalt „Form annimmt“, dann tauchen Dankbarkeit und Wertschätzung auf. Der Schmerz geht nicht weg, aber er wird dadurch in ein Licht von Liebe gestellt, das heilsam wirkt. „Das Vergangene wird nicht wie ein Stachel im Fleisch sondern in Dankbarkeit für das Erlebte behandelt“. Dankbarkeit für das Gewesene und auch Blicke in die Zukunft: in welchen Spuren lebt diese Person weiter? Was hinterläßt sie allen, die ihr begegnet sind? Auch dieser Aspekt wandelt Schmerz. Der Abschied ist nicht absolut: so lange wir uns erinnern, „lebt“ der Menschen in diesen Bildern und Eindrücken weiter. Zuguterletzt gibt es die Hoffnung auf einen Übergang nach dem irdischen Tod. Ohne eine Weltsicht überzustülpen, finden wir behutsam und ganz individuell heraus, welche Vorstellung tröstend wirkt. Es wird nie ein Beweis für das „danach“ geben – aber auch keine Widerlegung. Das Kondolenzgespräch, das Formulieren der Rede und die wunderbare Situation der Abschiedsfeier und Beisetzung… hier geschieht auf vielen Ebenen Transformation. Ich finde, es wirkt wie „Himmelsbrot“, wenn der Hunger nach Trost in einem Prozeß des Verstehens ein stückweit gestillt wird.

Und es gibt einen zweiten Bereich, zu dem ich „Himmelsbrot“ sagen kann.

Ich arbeite seit einigen Jahren als Hochzeitsrednerin, nehme aber gleichzeitig wahr, wie viele Paare sich trennen. Häufig in einem zähen, manchmal sogar qualvollen Vorgang.

Heiraten – wie schön und einfach. Eine Trennung – das ist eine große Anforderung. Nicht einfach, aber eine enorme Chance!

Wenn es gelingt, dieses Loslassen nach allem Schmerz, nach Wut und Trauer mit Dankbarkeit und Würde zu gestalten, entsteht eine vitale Kraft der Befreiung.

Ich biete eine Zeremonie für Paare, für die es klar ist, daß jede/r eigene Wege gehen wird, und die zu einem respektvollen gemeinsamen Abschluß ihres gemeinsamen Lebens bereit sind.

Loslassen, verarbeiten, das Schöne des Erlebten in den Mittelpunkt stellen – das bietet ein wunderbares Vorzeichen für die nächsten Schritte. Es ist eine große Verantwortung, diese „Ent-bindung“ bewußt zu gestalten. Gerade wenn es auch um gemeinsame Kinder (oder Haustiere) geht. Die Chance für einen Neuanfang geschieht dann auf dem Boden von Frieden.    

Wie wichtig ist es, einander weiterhin Gutes zuzusprechen! Hierbei können, wie bei der Hochzeit, Rituale sehr hilfreich sein.

Ähnlich dem JA Wort gibt es ein „ich lasse Dich los“, es kann ein Band symbolisch geteilt werden, als Leiterin der Zeremonie ist es mir möglich, einen Segen zu sprechen.

Eine solche Ent-bindungsfeier wird in mehreren persönlichen Gespräch Schritt für Schritt gestaltet. Die individuelle Geschichte des Paares ist die Basis.

Hier noch einmal der Bogen zum Himmelsbrot: auf der Suche nach dem weltlichen Bezug der biblischen Geschichte fand ich eine Erklärung: der Reif, der sich über Nacht auch in der Wüste bildet, hat in sich biologische Spurenelemente, die für den Menschen durchaus nahrungsähnlich genutzt werden können. Auf den ersten Blick ist der Wert nicht erkennbar. Man könnte im wahrsten Sinn des Wortes darüber hinweggehen. Erst beim genauerer Betrachung zeigt sich der Wert. Genauso ist es mit der gemeinsamen Rückschau auf das gemeinsam Geschaffene in der Zeit der Partnerschaft. Die Erfahrung von Liebe, Gemeinsamkeit, Besonderheit, Auseinandersetzung, Unterscheidung kann zur Seelennahrung werden, die die weitere Zukunft bereichert. Himmelsbrot.

Autor: Andrea Zylka - Heilpraktikerin Psychotherapie
Thema: Himmelsbrot
Webseite: http://andrea-zylka.de

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