Auf der Suche nach jener Kraft, welche Menschen befähigt, ihr tägliches Leben zu organisieren, haben die frühen Entwickler des NLP die „Glaubenssätze“ gefunden. Sie bestehen oft aus einem oder mehreren Textsätzen, welche beginnen können mit „Ich glaube, dass“ oder „Ich bin davon überzeugt, dass“ und oft enden mit „weil das für mich so ist“ oder auch mit „Basta“. In neuerer Zeit sagt man auch: „Das wird man doch noch sagen dürfen“ und signalisiert „weitere Diskussion zwecklos“.
„Glaubenssätze“ klingt nach Religion, stimmt, zur Religion gehört auch Glauben. NLP (Neuro-Linguistisches Programmieren) meint mit dem Begriff „Glaubenssätze“ etwas Allgemeineres, Umfassenderes: Jeder Mensch entwickelt seine eigenen und gebraucht sie für sein tägliches Leben. Mit ihrer Hilfe regelt er das Denken und Handeln in praktisch allen Lebensbereichen. Glaubenssätze motivieren und formen das, was man tut, wie Leitprinzipien und innere Landkarten, die man benutzt, um sich in der Welt zurecht zu finden. Sie geben Stabilität und Kontinuität.
Es gibt für sie viele Bezeichnungen: Einstellungen, Überzeugungen, Meinungen, Gewissheiten, Traditionen, Vorurteile, Klischees – je nach ihrem Inhalt. Im amerikanischen Original heißen sie beliefs, manche NLP-Anwender haben diesen Begriff ins Deutsche übernommen. In der Gesamtheit kann man sie als die Charaktereigenschaften auffassen, welche die eigene Weltsicht formen.
Wie entstehen Glaubenssätze?
Jeder Mensch wird in seine Familie – Umgebung – Kultur hinein geboren und nimmt auf, was um ihn herum vorgeht. Er lernt aus eigenen Erfahrungen, die angenehm oder schmerzhaft sein können. Mit hinein spielen Vorbilder, äußere Gegebenheiten, persönliches Schicksal. Er nimmt wahr, dass er zunehmend eigene Fähigkeiten erwirbt, erfährt Reaktionen darauf und weitere Einflüsse seiner Umgebung. Das ist der Sinn von Erziehung, Bildung und Ausbildung. All dies gießt er mittels eigener Deutungen und Bewertungen in Gedanken-Konstrukte, die ihn befähigen, neue Informationen rasch als übereinstimmend = wahr oder widersprechend = unwahr einzuordnen.
Glaubenssätze sagen also etwas darüber aus, wie man die Welt (und sich selbst) wahrnimmt, was man von ihr (und von sich selbst) denkt. Zu all den Wahrnehmungen von außen tritt die individuelle Verarbeitung hinzu. Sie findet im Inneren als Denken statt, als mentale Verarbeitung. Man kennt „mental“ vom Mentaltraining, bei dem z. B. ein Sportler sich die Bewegungsabläufe der Durchgänge im Training gemerkt hat und sie für den nächsten Durchgang in Gedanken durchläuft. Er programmiert sich dabei, d. h. er schwört sich konzentriert auf das Kommende ein.
Über Glaubenssätze kann man durchaus diskutieren. Da sie von ihrer Natur her mit Emotionen verbunden sind, die sich zeigen, sobald man sie anzweifelt oder hinterfragt, verlassen Diskussionen leicht die Sach-Ebene und werden emotional. Dieser Aspekt bestätigt, wie Glaubenssätze beschaffen sind, nämlich komplex: Sie bestehen aus eigenen Erfahrungen, übermittelten Botschaften, Wahrnehmung von Vorbildern, Traditions- und Kultureinflüssen und dem, was mensch innerlich daraus formt: ein komplexes Gefüge aus Wahrnehmungen einschließlich Missverständnissen, eigenen Gefühlen und Bewertungen, je stärker, desto prägender.
Sie sind zu veranschaulichen als Bündel aus einzelnen Ruten, zusätzlich verschnürt und mit Gefühlen als Bindemittel durchtränkt und gleichsam verklebt – jeder Glaubenssatz ein eigenes Rutenbündel, jede Rute eine eigene Erfahrung. Die einzelne Rute zu brechen, d. h. ihre Aussage- und Wirkkraft zu entkräften, ist leichter möglich als das Bündel aus vielen Ruten, verquickt mit Emotionen, zu brechen. Hier wird deutlich, welch beharrende Kraft ein Glaubenssatz haben kann.
„Kraft“ ist eine Eigenschaft von Glaubenssätzen, die auf ein Verhalten stärkend, abschwächend oder grundsätzlich richtungsweisend wirken kann. Eine stärkende Erfahrung im Kindesalter, z. B. durch eine Anerkennung, über die ein Kind sich freut, kann sich über das ganze Leben hinweg als gestärktes Selbstvertrauen auswirken, „es traut sich was zu“. Eine traumatische Erfahrung führt möglicherweise zu mehr Ängstlichkeit – doch Vorsicht bei Voraussagen, die in eine bestimmte Richtung zielen!
Rückblickend jedoch geben sichtbare Charaktereigenschaften Hinweise auf das, was ein Mensch erlebt und daraus gelernt hat. Hier erweist sich die Metapher vom Rutenbündel als nützlich: Zur Veränderung eines unerwünschten Verhaltens geht der NLP-Coach von dem Gefühl aus, das damit verbunden ist, und sucht gezielt jene Rute, die maßgeblich das unerwünschte Verhalten bestimmt. Das respektvolle Verändern der früheren Erfahrung findet dann im nächsten Schritt statt. Eine solche Suche und Veränderung ist in der vertrauensvollen Zusammenarbeit möglich, kaum jedoch in einer öffentlichen Diskussion. Dort wird oft deutlich, wie beharrlich eigene GS verteidigt werden, bis hin zur Rechthaberei.
Das Eingestehen einer Veränderung, die notwendig wird, weil es nicht mehr anders geht, wird in der Regel als Niederlage und schmerzhaft empfunden. Ein prominentes und aktuelles Beispiel scheint mir der Präsident der USA abzugeben, den man nicht alles, was er sich großsprecherisch vorgenommen hat, im Handstreich umsetzen lässt. Gefühlte Niederlagen lösen bei ihm neue Angriffe und verbale Rundumschläge aus. Auch bieten Verschwörungstheorien eine erstaunliche Widerstandskraft auf.
Die Existenz der Glaubenssätze bietet die Möglichkeit, die gängigen Erklärungsmuster für eine Reihe von Krankheiten zu hinterfragen. Ich selbst habe Erfahrungen mit dem Hinterfragen der Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS/Legasthenie), die in Pädagogik und Psychologie als weit verbreitete Störung bzw. Schwäche gilt (in den USA gar als disease = Krankheit), ebenso mit der gleichrangigen Rechenschwäche (Dyskalkulie), mit Allergien und Phobien, mit Suchterscheinungen und Depression.
Zudem kenne ich als Alternativen Interventionen und Trainings, die von einer anderen Sicht ausgehen, nämlich gezielt die entscheidende(n) Rute(n) zu identifizieren und ihre Kraft nachträglich zu verändern. Das Ruten-Bündel wird nach der Veränderung eines ihrer Bestandteile nicht mehr dasselbe sein! Da jede Person einzigartig ist, ist die Herangehensweise stets die herauszufinden, was bei dieser Person den Unterschied bewirken wird.
Meine Überzeugung (= Glaubenssatz) zu diesem Thema lautet: Die Anwendung von NLP-Verfahren als Alternative ist angebracht, entweder bevor man eine andere, aufwändigere Maßnahme ergreift oder nachdem andere Verfahren unbefriedigende Ergebnisse gezeigt haben.
Autor: Dr. Franz Karig
Thema: Persönliche Entwicklung - Glaubenssätze
Webseite: http://www.franzkarig.de
Quellen:
Andreas, C.+S., NLP mit Herz und Verstand, Junfermann 1997
Karig F., Entlich bessa rächdschreim und lesn, epubli 2012
O’Connor J., Seymour J., NLP – Gelungene Kommunikation und Entfaltung, VAK 2008
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